Editorial
von Gerhard Reichert
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes des DAV und Vorsitzender des
BAV Bayerischer Apothekerverband
Andere Länder beneiden uns um die "Qualität" unseres Systems der
Arzneimittelversorgung. Die konstitutiven Systemelemente der deutschen
Arzneimittelversorgung sind die Bindung des Arzneimittels an die öffentliche
Apotheke, das Verbot von Fremd- und Mehrbesitz, der einheitliche
Apothekenabgabepreis und notabene! die saubere Trennung der Vertriebswege
für die ambulante und stationäre Versorgung. Diese Systemelemente bedingen sich
gegenseitig der Verzicht auf ein Element würde alle anderen gefährden.
Mit der Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung und des Arzneimittelgesetzes
sind in diesem Jahr zwei wichtige Eckpfeiler unseres Systems stabilisiert worden. Die
Einhaltung einer sauberen Trennung der Vertriebswege läßt jedoch zu wünschen
übrig. Die Kennzeichnung der Krankenhausware ist nicht durchgängig, nicht
lückenlos und zum Teil so halbherzig, daß mit einem Scherenschnitt wieder ganz
normale Offizinware entsteht. "Gelegenheit macht Diebe", sagt ein Sprichwort, und
die Diebstahlsgefahr wird am wirksamsten gemindert, wenn man die Gelegenheiten
reduziert. Das ist wirksamer als Gesetzesverschärfungen, Strafandrohungen und
juristischer Stacheldrahtverhau.
Wir wollen keine "graue Ware" und wollen nicht in einer symptomatischen, sondern
einer kausalen Therapie an das Problem heran. Wir appellieren deshalb an alle
pharmazeutischen Hersteller: Machen Sie mit bei der konsequent getrennten
Packungskennzeichnung! In Gesprächen mit Herstellern und Industrieverbänden
haben wir dazu Eckpunkte erarbeitet und praktikable Möglichkeiten aufgezeigt:
- "Krankenhausware" und "Offizinware" muß eine jeweils eigene
Pharmazentralnummer erhalten. Eine conditio sine qua non.
- Präparate, die für die Krankenhausversorgung bestimmt sind, sollten auch in
jedem Einzelfall deutlich auf der Umverpackung, dem Beipackzettel und dem
Blister oder Behältnis mit dem Hinweis "Klinikverpackung" gekennzeichnet
sein. Eine Banderole mit dem Aufdruck "Klinikverpackung" ist ein
untaugliches Feigenblatt.
- Die Tablettenzahl oder Füllmenge sollte zwischen Krankenhaus- und
Offizinware unterschiedlich sein. Es ist in vielen Fällen unproblematisch, bei
der Beblisterung für den einen Bereich zum Beispiel acht und für den anderen
zehn Tabletten vorzusehen.
Es gibt bereits eine Reihe von Herstellern, die sich unserem Appell spontan
angeschlossen haben und die getrennte Packungskennzeichnung weitestgehend
praktizieren. Das ist ein lobenswert partnerschaftliches Verhalten. Wir nehmen dies
nicht schweigend als Selbstverständlichkeit zur Kenntnis, sondern nennen die Namen
ganz konkret nach dem Motto "Gutes tun und darüber reden!" In der PZ der
nächsten Woche können Sie dazu mehr erfahren, und ich verspreche Ihnen, daß dies
fortgesetzt wird. Meine Damen und Herren von der Industrie: Mitmachen ist
angesagt!
Unser Appell geht gleichermaßen an den pharmazeutischen Großhandel, an all jene,
die über Krankenhausware verfügen und an unsere Kolleginnen und Kollegen in der
Offizin: Lehnen Sie Kauf oder Verkauf von grauer Ware ab.
Einige wenige riskieren für die "schnelle Mark" unser weltweit als vorbildlich
anerkanntes System. Dem gilt es, entschlossen entgegenzutreten.
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