Editorial
von Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
Die Information ist die Währung des 21. Jahrhunderts. Damit hatte der Kanadier
David S. Skinner auf dem 57. FIP-Weltkongreß in Vancouver die neue Rolle des
Apothekers auf den Punkt gebracht. Die Abgabe eines Arzneimittels ist nicht mehr
die alleinige Existenzberechtigung des Apothekers und der Institution Apotheke. Das
gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit, wie die Diskussionen in Vancouver
bewiesen.
Aber auch die Information des Verbrauches durch den Apotheker in seiner
Apotheke wird noch nicht die Apotheken retten, denn für den Verbraucher ist die
Verfügbarkeit von Informationen, auch über Arzneimittel, in der heutigen
Telekommunikationswelt kein Problem mehr. Mit anderen Worten, der Apotheker
als Informant in Arzneimittelfragen muß sich inzwischen auch mit den elektronischen
Informationsmedien als Konkurrenten auseinandersetzen. Das gilt vor allem im
Bereich der Selbstmedikation. Dabei muß es dem Apotheker gelingen, seine
individuelle Beratung dem Verbraucher als Mehrwert deutlich zu machen. Nur dann
wird er die Loyalität des Verbrauchers für seine Apotheke erreichen. Nach Skinner
ist die Loyalität das einzige Honorar des Apothekers für seine Beratung.
Nach Meinung von Verhaltensforschern kann sich die erfolgreiche Beratung aber
nicht in der Weitergabe von Wissen erschöpfen. Und genau in diesem Punkt müssen
wir Apotheker aus meiner Sicht umdenken. Die Einstellung des Verbrauchers zum
Arzneimittel und zur Selbstbehandlung ist häufig anders als die Meinung der
Fachkreise. Das müssen die Apotheker berücksichtigen. In der Selbstmedikation ist
der Verbaucher Patient und Arzt in einer Person. Nur in seltenen Fällen sucht er
Hilfe beim Apotheker, wie Untersuchungen belegen. Sucht er den Rat, muß sich der
Apotheker besser auf diese Kommunikation einstellen.
Rat aus Vancouver: Der Apotheker sollte bei seiner Beratung den Arzt im
Verbraucher ansprechen. Er muß den Verbraucher ernster nehmen. Ihn mit Wissen
zuzuschütten, kann in der Selbstmedikation sogar abschreckend wirken. Motivation
heißt die Zauberformel, die der Apotheker anwenden sollte. Motivation, gesund zu
bleiben beziehungsweise zu werden.
Wissen alleine motiviert nicht, das war die Botschaft, die die Apotheker aus
Vancouver mitnehmen konnten. Der Apotheker muß also die Rolle des
Kommunikationsfachmanns übernehmen beziehungsweise lernen. Nur so wird er in
der Lage sein, in der Selbstmedikation die Loyalität des Verbrauchers für seine
Apotheke zu erhalten oder zu gewinnen und die Konkurrenz anderer
Informationsmöglichkeiten und Vertriebswege auszuschalten.
Die Zukunft der Apotheke in der Informationsgesellschaft hängt also in erster Linie
vom Verhalten des Verbrauchers ab. Dieses zu beeinflussen ist Hauptaufgabe des
Apothekers. Dazu muß er sich in die Rolle des Verbrauchers versetzen können. Die
Zeiten der Autorität im weißen Kittel sind endgültig vorbei. Es gilt, umzudenken und
sich auf den Zeitgeist einzustellen, ansonsten wird die Apotheke und der Apotheker
für den Verbraucher in der Selbstmedikation überflüssig.
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