Editorial
von Dr. Hartmut Schmall
Präsident der Bundesapothekerkammer
Für uns Apotheker in der Offizin sind die Nahrungsergänzungsmittel ein heikles
Thema. Natürlich ist gegen eine Ergänzung der Nahrung mit den sogenannten
Mikronährstoffen oder Vitalstoffen nichts einzuwenden. Dies ist bei bestimmten
Lebens- und Ernährungsgewohnheiten sowie Erkrankungen sogar durchaus sinnvoll.
Wogegen wir uns allerdings wehren, ist die Art der Werbung, die bei Verbrauchern
oft völlig überzogene und fachlich nicht vertretbare Erwartungen weckt. Dies ist
insbesondere bei Produkten der Fall, bei denen der Charakter der Inhaltsstoffe als
Nahrungsergänzung zweifelhaft ist. Keineswegs selten verstoßen die Werbestrategen
der Firmen dabei dreist gegen das Lebensmittelrecht, Arzneimittelrecht und das
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
Für den Laien ist der Unterschied zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und
Arzneimitteln meist nicht ersichtlich. Denn es ist Teil der Marketingstrategie, daß die
mit Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit gleichgesetzte Seriosität des Produktes
"Arzneimittel" auf das Nahrungsergänzungsmittel übertragen werden soll. So
täuschen Art der Verpackung, Kennzeichnung und Einnahmeform, wie Kapseln und
Dragees, vieler Nahrungsergänzungsmittel einen Arzneimittelstatus vor.
Im Einzelfall kann es auch für uns Apotheker sehr schwierig sein, festzustellen, ob es
sich bei einem Produkt rechtlich um ein Nahrungsergänzungsmittel oder ein
Arzneimittel handelt. Dies aber hat Relevanz für die Frage nach der
Verkehrsfähigkeit des Produktes. Eine falsche Einschätzung kann unangenehme
Folgen haben, wie die staatsanwaltlichen Aktionen gegen Apotheker, die wir in
letzter Zeit erlebt haben, zeigen.
Wiederholt hat die ABDA daher den Gesetzgeber aufgefordert, den Markt der
Nahrungsergänzungsmittel gesetzlich ebenso klar zu regeln wie die Märkte von
Lebensmitteln, Kosmetika und Arzneimitteln.
Beim kommenden Seminarkongreß der Bundesapothekerkammer in Westerland
werden wir uns mit der Grauzone der rechtlichen Abgrenzung von
Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika gegenüber Arzneimitteln beschäftigen.
Nach welchen Kriterien läßt sich der Status eines Produktes sicher beurteilen?
So breit wie das Spektrum, mit dem wir uns in der täglichen Praxis
auseinanderzusetzen haben, ist auch das Themenspektrum in Westerland: Wie ist der
Stand der Dinge bei den umstrittenen und bedenklichen Arzneimitteln? Welche der
neuesten Änderungen im Medizinprodukterecht sind für die Apotheken relevant?
Auch therapeutische Fragestellungen stehen vom 14. bis 18. September auf dem
Programm.
Ein Schwerpunktthema dieses Jahres ist beispielsweise die Pharmakotherapie von
Infektionskrankheiten, der sechs Vorträge gewidmet sind. Workshops zur
ABDA-Datenbank und Praktika über Giftpflanzenberatung und die richtige
Anwendung pulmonaler Arzneiformen sowie eine botanisch-geologische Exkursion
ergänzen das Spektrum des Fortbildungskongresses.
Das Programm, das der Wissenschaftliche Beirat der Bundesapothekerkammer
zusammengestellt hat, ist aktuell, interessant und vielseitig. Ich freue mich auf eine
anregende Woche in Westerland und lade auch Sie herzlich dazu ein!
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