Editorial
von Susanne Hof,
Leiterin des ABDA-Büros, Brüssel
Die Europäische Gemeinschaft wächst zusammen. Immer mehr Lebensbereiche
werden von europäischen Bestimmungen erfaßt. Die Gesundheitspolitik ist dabei
eine verhältnismäßig junge Entwicklung. Erst seit dem 1. November 1993, dem
Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht, besteht eine Rechtsgrundlage für
Aktivitäten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Konkret
erhielt die EU die Aufgabe, zusammen mit den Mitgliedstaaten zur Sicherstellung
eines hohen Gesundheitsschutzniveaus beizutragen.
Im Zentrum der europäischen Gesundheitspolitik stand zunächst die Verhütung von
Krankheiten. Wie der Maastrichter Vertrag ausführt, sind darunter insbesondere
Krebs und Aids und Drogenabhängigkeit zu verstehen.
In den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte die europäische
Gesundheitspolitik insbesondere durch die BSE-Krise, die die Konsequenzen aus
der Verpflichtung für die Sicherstellung der Erfordernisse des Gesundheitsschutzes in
dramatischer Weise deutlich machte. Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die
EU-Kommission waren hier der ihnen übertragenen Verantwortung nicht gerecht
geworden. Als weiterer grenzüberschreitender Problemkreis ist die Sicherheit von
Blut und Blutprodukten zu nennen. EG-rechtlich wurden Konsequenzen gezogen,
indem all diese Bereiche im Amsterdamer Vertrag ausdrücklich aufgenommen und
geregelt wurden.
Die Änderungen von Amsterdam haben auch die Zuständigkeiten von
EU-Kommission und Mitgliedstaaten wieder in die Diskussion gebracht. Nach wie
vor besteht Einigkeit, daß eine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der
Gesundheitsversorgung nicht angestrebt wird, da strukturell und volkswirtschaftlich
zwischen den Ländern zu große Unterschiede bestehen. Gesprochen wird dagegen
von Kooperation und Koordination, Stichwort: Subsidiarität. EG-vertraglich ist
hierzu festgelegt, daß die Gemeinschaft in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche
Zuständigkeit fallen, nur unter bestimmten Voraussetzungen tätig werden kann.
Nämlich immer nur dann, wenn die in Betracht gezogenen Maßnahmen auf
nationaler Ebene keine Wirkung haben können und durch gemeinschaftliches
Vorgehen ein Zusatznutzen zu erwarten ist.
Soweit die Theorie. Europapolitiker warnen vor einer Überstrapazierung des
Subsidiaritätsprinzips. Schließlich gehe es dabei lediglich um die eindeutige Klärung
der Aufgabenteilung zwischen Gemeinschaft, Mitgliedstaaten und Regionen. Der
Kommissionspräsident Jacques Santer appellierte, Subsidiarität nicht zu einem
"Joker" verkommen zu lassen, den man in der Hinterhand halte, um ihn immer dann
auszuspielen, wenn einem etwas nicht passe. Und Patrick Flynn, der für Soziale
Angelegenheiten zuständige EU-Kommissar, resümierte kürzlich: "Subsidiarität darf
nicht heißen, daß nichts geschieht." Nur solange Gesundheitsfürsorge auf lokaler und
regionaler Ebene sichergestellt sei, bestehe kein Handlungsbedarf für die Union.
Auf Ebene der Mitgliedstaaten müssen Positionen also nicht nur beansprucht,
sondern auch besetzt werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig. Dies
verdeutlicht auch die intensiv diskutierte Weiterentwicklung der europäischen
Gesundheitspolitik, mit der den durch den Amsterdamer Vertrag veränderten und
erweiterten gesundheitsrelevanten Bestimmungen entsprochen werden soll.
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