Editorial
von Dr. Dieter Thomae
Vorsitzender des Auschusses für Gesundheit
des Deutschen Bundestages
Die OECD-Studie der Jahre 1996/1997 für Deutschland widmet der
Gesundheitsreform einen breiten Teil. Die jüngsten Maßnahmen der
Bundesregierung werden von den Experten als ein weiterer Schritt zur Integration
des Gesundheitswesens bewertet. Insbesondere die Verzahnung zwischen dem
ambulanten und dem stationären Sektor sowie den Bereichen Rehabilitation und
Langzeitpflege verdient eine besondere Beachtung. Wir sind also auf gutem Wege.
Kritik wird allerdings an dem mangelnden Wettbewerb zwischen Leistungsanbietern
im Rahmen der Selbstverwaltungsstruktur des Gesundheitssystems geübt. So wird
dem Staat eine wichtige Rolle bei der Festlegung des rechtlichen und vertraglichen
Rahmens zur Förderung von Verhaltensänderungen bei Ärzten, Krankenhäusern und
Krankenkassen beigemessen.
Deutlicher Handlungsbedarf wird angemahnt, eine stärkere marktwirtschaftliche
Orientierung im Bereich des Verbraucherverhaltens und der Anbieterseite
vorzunehmen. Dazu gehört auch eine bessere Information der Verbraucher.
Therapie- und Diagnoseverfahren sollten nach Vorstellungen der OECD
systematisch mit dem Ziel ausgewertet werden, kostengünstige Technologien und
Praktiken zu fördern. An die Adresse der öffentlichen Krankenhausträger wird die
Forderung gestellt, die Krankenhausmanagementstruktur effizienter zu gestalten und
rationellere Entscheidungsfindung in den Krankenhäusern zu fördern, ein Anliegen,
das ich nur unterstützen kann.
Bei den Aussagen zu der Arzneimittelversorgung laufen die OECD-Experten offene
Türen ein, wenn sie verlangen, Arzneimittelausgaben und Verordnungspraktiken
ständig zu beobachten. Dies geschieht in Deutschland bereits in vielen Schulungen
der Apotheker und in Gesprächen zwischen Ärzten und Apothekern. Diese
Arzt/Apotheker-Gespräche zu intensivieren, läge ganz auf der Linie der
OECD-Studie.
Was ich nicht mittragen kann, sind Forderungen der OECD zu den
Eigentumsbestimmungen für Apotheken. Dort heißt es: "Die Eigentumsbestimmungen
in Bezug auf Apotheken sollten liberalisiert werden, um die Entwicklung von
Apothekenketten zu ermöglichen, und die Abgabe von Parallelimporten sollte
aktiver gefördert werden. Die Arzneimittelpreise sind hoch, und die beiden
Maßnahmen würden die Verhandlungsposition der Einzelhändler gegenüber den
Herstellern verbessern."
Mit der Ermöglichung von Apothekenketten würde eine Entwicklung eingeleitet, die
nicht im Interesse der Patienten liegt. Wir verfolgen in Deutschland eine klare Linie,
die auf pharmazeutische Beratung durch den Apotheker bei der Abgabe von
Arzneimitteln setzt. Diese Beratung wollen wir nicht aufgeben, denn der
Sicherheitsaspekt hat bei einem Produkt wie dem Arzneimittel eine übergeordnete
Rolle zu spielen. Wir sind bisher im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit sehr gut
damit gefahren, den Mehrbesitz von Apotheken zu unterbinden. Im Sinne einer
gewissenhaften Patientenversorgung und einer qualitativ hochwertigen
Arzneimittelversorgung muß das Marktelement hier zurückstehen. Im übrigen stimmt
es nicht, daß die Arzneimittelpreise in Deutschland überzogen sind. Sie liegen
vielmehr im Mittelfeld. Niemand verbietet zudem die Durchführung von
Parallelimporten, die vertraglich sehr wohl vorgesehen sind. Eine rechtliche Regelung
brauchen wir jedoch nicht.
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