Editorial
von Daniel Rücker,
PZ-Redakteur
Können hohe Ozonwerte krank machen? Sind Fahrverbote sinnvoll? Ist die
Ozondebatte lediglich ein Versuch von Umweltbewegten, im Wahlkampf Punkte gut
zu machen? Die Kontroverse der vergangenen Woche hat wieder einmal ein
trauriges Bild des Verlaufs von öffentlichen Diskussionen in Deutschland abgegeben:
Politiker und Interessensverbände nutzen die Gelegenheit, ihre hinlänglich bekannten
Positionen über die Medien zu verbreiten; mit den Ergebnissen
naturwissenschaftlich-medizinischer Forschung setzen sich dagegen nur wenige
ernsthaft auseinander. Der Wahrheitsfindung dient das nicht.
Für Apotheker ist dieser Zustand wenig erfreulich. Wer einen Patienten beraten
muß, der an einem sonnigen Tag mit Kopfschmerzen, Reizhusten oder tränenden
Augen in die Apotheke kommt, der braucht verläßliche Daten darüber, ob
möglicherweise hohe Ozonwerte für die Symptome verantwortlich sind.
Eine spontane Umfrage der Pharmazeutischen Zeitung bei Apotheken in der
vergangenen Woche hat uns gezeigt, daß Apothekenkunden nicht von selbst ihre
Beschwerden mit hohen Ozonwerten in Verbindung bringen. Kaum ein Apotheker
wurden von den Patienten darauf angesprochen. Ist deshalb das Thema für
Apotheker unwichtig? Im Gegenteil, gerade angesichts der offensichtlichen
Unkenntnis vieler Menschen ist der Apotheker als Berater gefragt. Denn soviel steht
fest: Völlig ungefährlich ist das Gas nicht. Auch das Umweltbundesamt ist davon
überzeugt, daß hohe Ozonwerte bei einigen Menschen Beschwerden verursachen
können. Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder, möglicherweise auch
Asthmatiker.
Grundlage einer guten Beratung sind nicht Meinungen, sondern auf
wissenschaftlichen Daten beruhende Tatsachen. Die Redaktion hat sich deshalb
entschlossen, in dieser Ausgabe der Pharmazeutischen Zeitung aus mehreren
Blickwinkeln über Ozon zu berichten: In einem Beitrag faßt
Thomas Bellartz die
politische Diskussion über das Ozongesetz zusammen, das vom ADAC als "blinder
Aktionismus" und von Umweltverbänden als "vollkommen wirkungslos" eingestuft
wird.
Im Ressort Pharmazie erläutert
Ulrich Brunner, wie bodennahes Ozon entsteht,
welche Grenzwerte es gibt und wie der menschliche Körper reagiert, wenn diese
Limits überschritten werden. Abgerundet wird unsere Berichterstattung mit einem
Beitrag von
Erdmuthe Arnold, die aufzeigt, daß nicht nur der Gesetzgeber, sondern
jeder einzelne für den Zustand der Umwelt mitverantwortlich ist. Apotheker könnten
sich in der Öffentlichkeit profilieren, indem sie über umweltbewußtes Handeln
informieren, schreibt die Autorin.
Wir geben Ihnen damit Material an die Hand, das Ihnen bei der Beratung Ihrer
Patienten hilft. Selbst wenn die Ozonwerte in diesem Jahr nicht mehr so hoch wie in
der vergangenen Woche steigen sollten - in zehn Monaten kommt der nächste
Sommer und mit ihm auch wieder die Diskussion über das aggressive
Sauerstoffmolekül.
© 1997 GOVI-Verlag
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