Editorial
von Dr. Johannes Pieck
Sprecher der ABDA-Geschäftsführung
Die Arzneimmittelpreisverordnung und die unterschiedlichen Preisbildungssysteme
für Arzneimittel im Krankenhaus- und Offizinbereich stehen in einem unauflöslichen
Zusammenhang. Wem am Erhalt und an der politischen Glaubwürdigkeit dieser
bewährten Regelungen gelegen ist, der muß mit Besorgnis Pressemeldungen zur
Kenntnis nehmen, wonach die Betriebsräume einer krankenhausversorgenden
Apotheke auf gerichtliche Anordnung hin polizeilich durchsucht wurden. Dem
Inhaber dieser Apotheke wird vorgeworfen, entgegen den Abmachungen im
Versorgungsvertrag von Herstellerfirmen gewährte Rabatte nicht an ein
Krankenhaus weitergegeben zu haben. Ob der Vorwurf des Betruges gerechtfertigt
ist, werden die Gerichte zu entscheiden haben. Das Nachrichtenmagazin Der
Spiegel" hat hierüber nicht nur berichtet, sondern dem Vernehmen nach
umfangreiche Recherchen begonnen.
Damit wird mutmaßlich ein Problem zum Gegenstand öffentlicher Diskussion, das
die ABDA bereits seit geraumer Zeit beschäftigt und Anlaß zur Besorgnis gibt:
Nach der grundlegenden gesetzlichen Neuordnung der Arzneimittelversorgung der
Krankenhäuser wahlweise durch Krankenhausapotheken oder
krankenhausversorgende Apotheken im Jahre 1980 gelang es der ABDA,
insbesondere in Kooperation mit den Verbänden der Pharmaindustrie und der
ADKA (Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker), den Abschluß von
Vertriebsbindungsverträgen zwischen den einzelnen Herstellerfinnen und allen
Krankenhausapotheken beziehungsweise krankenhausversorgenden Apotheken zu
erreichen. Diese ursprünglich wasserdichte" Vertriebsbindung wurde in der letzten
Zeit von einzelnen Marktbeteiligten juristisch ausgehöhlt und praktisch nicht mehr
beachtet.
Bei einzelnen Herstellerfirmen gibt es offenkundig kein Interesse, daß zu
Krankenhauskonditionen gelieferte Arzneimittel aus Krankenhausapotheken oder
krankenhausversorgenden Apotheken nicht in den Bereich der Offizinware, wie
auch immer, gelangen können und faktisch gelangen. Dieses Desinteresse
manifestiert sich unter anderem darin, daß die Einhaltung formal bestehender
Verträge nicht mehr, wie ausdrücklich vertraglich vorgesehen, kontrolliert wird.
Auch die Kennzeichnung von Arzneimitteln als Krankenhausware oder das
dokumentierte Verbot des Auseinzelns aus Bündelpackungen findet partiell nicht
mehr statt.
Da verwundert es nicht, daß als Krankenhausware" nicht mehr erkennbare
Arzneimittel in Einzelfällen, aber in durchaus relevanten Mengen, in den
Offizinbereich diffundieren. Alle hieran Beteiligten wissen sehr wohl, daß sie damit
die Arzneimittelpreisverordnung, aber auch das Prinzip des preislich gespaltenen
Arzneimittelmarktes gefährden.
Die ABDA hat vor einigen Monaten die Verbände der pharmazeutischen Industrie,
des pharmazeutischen Großhandels, der Krankenhausapotheker und der
krankenhausversorgenden Apotheker zu Gesprächen eingeladen mit dem Ziel, die
strikte Vertriebsbindung für Krankenhausware wieder herzustellen und damit ein
Gefährdungspotential unter anderem für alle öffentlichen Apotheken zu minimieren.
Unsere Forderung insbesondere an die pharmazeutische Industrie lautet, die
Vertriebsbindung strikt zu praktizieren und dort, wo sie nicht mehr besteht, wieder
herzustellen. Dies erfordert nicht nur in zahlreichen Einzelfällen den Abschluß von
Vertriebsbindungsverträgen und deren strikte Überwachung, sondern vor allem die
Kennzeichnung von Krankenhausware, die es praktisch unmöglich machen würde,
daß diese im Offizinbereich Verwendung findet.
Diejenigen, die sich auf der Ebene der Verbände oder als einzelne Unternehmer,
seien es Hersteller oder Großhändler, Krankenhausapotheker oder
krankenhausversorgende Apotheker, dieser dringenden Forderung der ABDA
politisch verschließen oder praktisch versagen würden, hätten es mit zu
verantworten, wenn Öffentlichkeit und Politik Mißstände oder Lücken in diesem
System thematisieren und auf ordnungspolitische Konsequenzen drängen würden.
Auch wenn bei einzelnen Beteiligten unterschiedliche oder gegensätzliche
wirtschaftliche Interessen obwalten, sie müßten sich den Vorwurf gefallen lassen,
denjenigen zuzuarbeiten, die eine pharmazeutische Republik wollen. Die ABDA
jedenfalls wird - opportune inopportune - nachhaltig alle Maßnahmen fordern und
fördern, die notwendig und geeignet sind, einen ordnungspolitischen Flächenbrand zu
verhindern.
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