Editorial
von Ulrich Brunner
Redakteur der
Pharmazeutischen Zeitung
Elektrosmog: Halten Sie sich den Kopf frei. Krebs durch Handys? Wellensalat
schmeckt nicht jedem. Seit das Mobiltelefonieren wie Faxen, Mailen und
Internetsurfen zu den alltäglichen Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen geworden
ist, wartet die Presse immer wieder mit solchen Schlagzeilen auf.
Erst kürzlich berichtete die Deutsche Presseagentur (dpa) über eine neue Pilotstudie
aus Freiburg. "Handys können Blutdruck ansteigen lassen", meinen die badischen
Forscher, nachdem sie zehn junge Menschen mit Mobiltelefonen ausstatteten und
anschließend ihren Blutdruck bestimmten. Eine Anschlußstudie sei aber noch nötig.
Doch was steckt wirklich dahinter? Strahlt das Handy tatsächlich so gefährlich? Die
mobiltelefonierende Gesellschaft verdrängt das Problem. Es ist noch nichts
bewiesen, beruhigt sie sich. Erst wenn Forscher ihren Verdacht mit Studien und
Fakten belegen, wollen sie darüber nachdenken, ob es künftig auch ohne geht. Ganz
anders sehen das die vehementen Verfechter einer Handy-freien Umwelt. Nur weil
die Gesundheitsschädlichkeit noch nicht konkret bewiesen werden konnte, heiße das
schließlich nicht, daß alles ungefährlich sei, argumentieren sie.
Was bleibt für den kritischen Benutzer? In der Tat ist es für Laien außerordentlich
schwierig, zunächst die komplexe Materie Hochfrequenztechnik zu verstehen,
biochemische und physiologische Vorgänge im menschlichen Organismus zu
durchschauen und dann auch noch Studienergebnisse richtig zu interpretieren.
Erschwerend kommt hinzu, daß es nahezu unmöglich ist, alle Forschungsarbeiten,
die im letzten Jahrzehnt publiziert wurden, zu überschauen. Die Zahl der
Veröffentlichungen wird immerhin auf 10.000 geschätzt.
Unsere Titelgeschichte ab Seite 11 versucht deshalb, einen kritischen Überblick über
relevante Studien zu geben. Bei der Recherche zum Thema Elektrosmog wurde klar:
Die meisten Wissenschaftler konnten die schädliche Wirkung von
elektromagnetischen Feldern bislang nicht nachweisen.
Bedenken sollte man aber auch, daß es beim Geschäft mit den Handys auch um
milliardenschwere Interessen der Telefongesellschaften geht. Immerhin besitzen
alleine in Deutschland über fünf Millionen Menschen ein Mobiltelefon. Viele
Forschungsarbeiten wurden von Netzbetreibern in Auftrag gegeben oder finanziert,
um den Beweis der Unschädlichkeit zu bringen.
Schädlich oder ungefährlich? Ein abschließendes Urteil ist nicht möglich. Weitere
Forschung auf dem Gebiet der elektromagnetischen Strahlung ist deshalb dringend
nötig. Und bis dahin? Abwarten oder weitertelefonieren.
© 1997 GOVI-Verlag
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