Editorial
von Gisela Stieve
Stellvertretende Chefredakteurin
Die Erfahrungen, die wir bei einer Reportage im Saarland gemacht haben, machen
Mut. Wir haben gesehen, was vor allem auch in kleinen Apotheken geleistet wird.
Die Apotheken in ländlichen Regionen haben eine echte Versorgungsfunktion -
logistisch, pharmazeutisch und sozial. Und sie erfüllen ihre Aufgabe beispielhaft.
Was landauf landab bei den Fortbildungsveranstaltungen der
Landesapothekerkammern bis hin zu den Kongressen auf Bundesebene gepredigt
wird, trägt Früchte. Über die schon immer erbrachte Dienstleistung hinaus denken
verantwortungsvolle Apothekerinnen und Apotheker über ihre Berufsinhalte nach
und sind bereit, neue Aufgaben zu übernehmen. Die Gesellschaft wandelt sich, und
viele Apotheken halten mit der Entwicklung Schritt. Meist ohne großes Aufhebens.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken, zuletzt in großem Rahmen beim 35.
Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes in Baden-Baden beleuchtet,
zeigt, daß Stillstand Rückschritt wäre. Auch dieses berufspolitische Forum hat sich
inhaltlich weiterentwickelt. Auch hier kann ein Programmangebot ohne
Dienstleistungsthemen nicht mehr bestehen. Wer auf der Höhe der Zeit sein will,
kann diese Themen nicht mehr ignorieren.
Das sollte klar sein: Entwicklungen in der praktischen Pharmazie werden nicht
herbeigeredet, sondern mitgestaltet. Pharmazeutische Betreuung ist kein
Wolkenkuckucksheim, sondern vielerorts schon pharmazeutischer Alltag. Insofern
müssen auch die Heilberufskollegen Ärzte begreifen lernen, daß Apotheker ihnen
keine Patienten abluchsen, sondern gefährdeten Personen zu einer ärztlichen
Konsultation raten. Ärzte müssen umdenken. Apotheker wollen sie nicht
kontrollieren. Sie können vielmehr für die Patienten einen zusätzlichen
Sicherheitsfaktor in der Therapiebegleitung darstellen.
Anspruch und Wirklichkeit liegen also in der Praxis gar nicht so weit auseinander.
Man kann nur die pharmazeutische Dienstleistung und Betreuung nicht gleichschalten
- wie man die Apotheken in unserem Lande nicht konfektionieren kann. Apotheken
sind genauso individuell wie das Image, das sie bei ihren Kunden haben. Und die
stimmen letztlich mit den Füßen ab, wer im Qualitätswettbewerb ihr Vertrauen
genießt. Da auch die Verbrauchererwartungen unterschiedlich sind, haben alle
Apotheken ihre Chance.
Der Apothekerberuf ist auf dem besten Weg, sich zu einem Kommunikationsberuf
zu entwickeln. "Wer allerdings nicht auf Leute zugehen kann, sollte sich überlegen,
ob er den richtigen Beruf gewählt hat", sagte unlängst ein Teilnehmer einer
Vortragsveranstaltung. Da ist was Wahres dran. Aber so pessimistisch sehe ich die
Lage nicht.
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