Editorial
von Brigitte M. Gensthaler,
PZ-Redakteurin
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Apotheker! Den bekannten
gesetzlichen Ratschlag sollten nicht nur Patienten beherzigen. Der bayerische
Kammerpräsident Dr. Hermann Vogel empfahl ihn beim Bayerischen Apothekertag
auch den Politikern bei allen Beschlüssen, die das Arzneimittel tangieren. Denn
letztlich sind die Apotheker immer Mit-, wenn nicht gar Hauptbetroffene.
Das Ordnungssystem unseres Apothekenwesens setzt sich aus vielen Elementen
zusammen, die eng miteinander verwoben sind. Nur vordergründig erscheinen
Determinanten wie Vertriebsmonopol für Arzneimittel, ethisch geprägte
Berufsausübung und damit beschränkter Wettbewerb oder die
Arzneimittelpreisverordnung als Fremdkörper in einer freien Marktwirtschaft. Sie
haben ihre Rechtfertigung in deren Sozialbindung. In ihrer Gesamtheit knüpfen die
Einzelelemente ein Netz, das unser derzeitiges Apothekensystem trägt. Ein Netz
funktioniert aber nur als Ganzes. Es muß reißen, wenn einzelne Fäden und
Knotenpunkte herausgeschnitten werden.
Dies gilt auch und besonders für einen immer wieder diskutierten Knotenpunkt, die
Arzneimittelpreisverordnung. Sie bewahrt den kranken Menschen davor, langwierig
nach dem günstigsten oder auch nur bezahlbaren Angebot für sein Medikament
fahnden zu müssen. Sie stellt andererseits eine Honorarordnung für den Apotheker
dar, die es ihm erst ermöglicht, über die Mischkalkulation die ihm gesetzlich
zugewiesene Vollversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu leisten. Denn nur
dem Heilberufler, nicht aber dem Kaufmann ist es zuzumuten, Präparate vorrätig zu
halten und abzugeben, deren Abgabe sich rein wirtschaftlich betrachtet gar nicht
lohnt. Und dies ist der Fall bei den niedrigpreisigen Arzneimitteln, wie es die
Treuhand-Geschäftsführerin Ursula Hasan-Boehme in ihrem Vortrag am Sonntag
morgen des Apothekertages vorrechnete.
Der Rohgewinn bei einem sogenannten Nullrezept von 7,25 DM - dies ist der
Durchschnittswert einer "Nullpackung" inklusive Umsatzsteuer in Westdeutschland -
deckt nicht einmal die dokumentierten Personalkosten. Erst ab einem
Apothekenverkaufspreis von 16 bis 18 DM rechne sich die Abgabe des
Arzneimittels überhaupt, so Hasan-Boehme. Wer wollte einen Kaufmann zwingen,
ein solches Produkt ins Sortiment zu nehmen? Nur als Honorarordnung für den
freien Beruf, dem im Gegenzug Pflichten auferlegt sind, hat die Preisverordnung eine
Berechtigung, sagte die Steuerberaterin.
Bekenntnisse zum Apotheker in seiner jetzigen Form und zum Vertriebsweg
Apotheke sind bloße Lippenbekenntnisse, wenn zugleich begehrlich an der
Honorarordnung gerüttelt wird. Daher sollten es die Politiker besser mit dem Arzt
Dr. Franz Dietz halten, der am Samstag nachmittag in der Diskussion um die
Selbstmedikation empfahl, den Fachmann zu fragen - bevor Risiken und
Nebenwirkungen auftreten.
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