Editorial
von Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
Zur Zeit boomen die Veranstaltungen über Phytpoharmaka. Mindestens zwei
Einladungen pro Woche flattern der PZ-Redaktion ins Haus. Dazu bieten Kammern
und Verbände, sowie wissenschaftliche Gesellschaften wie die APV, DPhG,
Gesellschaft für Phytotherapie und eine Reihe von Phytopharmakahersteller Ärzten
und Apothekern eine Vielzahl von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zu
diesem Themenkreis an.
Warum dieser Aktivismus? Bleibt eventuell bei der Vielzahl der Angebote die
Objektivität der Bewertung von Phytopharmaka auf der Strecke?
Natürlich geht es um Marktanteile im langsam wachsenden Selbstmedikationsmarkt,
es geht aber auch darum, den Stellenwert der pflanzlichen Produkte in der
Arzneimitteltherapie mit schulmedizinischen Anspruch zu festigen, den scheinbaren
Mantel der alternativen Therapie abzustreifen und sich damit nicht in einen Topf mit
homöopatischen und anthroposophischen Arzneimittel werfen zu lassen.
Gerade dieser Anspruch setzt voraus, daß man mit harten klinischen Daten die
Wirksamkeit nachgewiesen hat und mit entsprechenden Informationen belegen kann,
daß die pharmazeutische Qualität der Fertigarzneimittel von Charge zu Charge
konform ist. Erst wenn diese beiden Voraussetzungen geschaffen sind, sollten sich
die Apotheker davon überzeugen lassen, das entsprechende Arzneimittel zu
empfehlen.
Der zum Teil öffentlich geführte akademische Streit über Wirkprinzipien
beziehungsweise Wirksubstanzen oder Leitsubstanzen nützt nicht bei der Bewertung
der Qualität eines Phytopharmakons in der Apothekenpraxis - insbesondere im
Vergleich zu anderen. Viel wichtiger ist es, mit validen klinischen Studien die
Wirksamkeit belegt zu haben. Das dürfen auch Anwendungsstudien sein, die
allerdings eine ausreichende Zahl an Patienten eingeschlossen haben und die von der
Fragestellung her plausibel erscheinen. Studien mit 20 Patienten, zum Teil als
randomisiert und doppelblind kontrolliert deklariert, sind dazu nicht geeignet, werden
aber immer öfter den Apothekern als Verkaufs- beziehunsgweise
Entscheidungshilfen unaufgefordert zugeschickt. Es ist daher wichtig, für den
Apotheker Bewertungsraster zu erstellen, um nicht reinen Marketingstricks
aufzusitzen. Die Pharmazeutische Zeitung hat sich deshalb mit einem Autorenteam
aus der Universität Würzburg und dem ZL zum Ziel gesetzt, den Apothekerinnen
und Apothekern mit entsprechenden Publikationen weiterzuhelfen.
Es muß auch im Interesse der Hersteller sein, die Phytopharmaka mit seriösen
Informationen am Markt zu plazieren, um nicht den Kritikern neues Pulver für ihre
zum Teil ideologischen Angriffe gegen die Phythos zu liefern. Dabei sollte man auch
über Indikationsansprüche neu nachdenken. In einigen Fällen sind sie aus meiner
Sicht viel zu hoch geschraubt und weder durch klinische Daten belegbar, noch mit
der Definition eines milden Arzneimittels verträglich.
Die Diskussion über Phytopharmaka sollte seriös geführt werden und dazu wird die
PZ ihren Beitrag leisten, ansonsten besteht die Gefahr, daß sie auch unter dem
Harmonisierungsgedanken über kurz oder lang bei den Nahrungsergänzungsmitteln
laden. Damit wäre weder den Apotheken noch den Herstellern gedient.
© 1997 GOVI-Verlag
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