Editorial
von Dr. Max Brentano-Motta,
Präsident des
Schweizerischen Apothekervereins SAV
Daß Apothekerinnen und Apotheker längst nicht mehr ein solitäres Dasein inmitten
eines lokalisierten Patienten- und Kundenkreises führen können, müssen wir auch in
der Schweiz täglich mit aller Deutlichkeit erfahren. Wir sind Knoten in einem engen
Netz, das über das Gesundheitswesen hinaus in die wirtschaftlichen und
gesellschaftspolitischen Bereiche gespannt ist und nachgerade globale Ausmaße
annimmt.
Veränderungen an irgendeiner Stelle beeinflussen dann unweigerlich auch die eigenen
Koordinaten, führen zu Erschütterungen und zwingen zu adäquater Positionierung,
immer mit dem Ziel, die größtmögliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu
wahren.
In einem globalisierten Markt, auf welchen wir unter anderem auch wegen der
Giga-Fusionen hinsteuern, stören eigenständige Kleinstunternehmen wie Apotheken.
Die freie Marktwirtschaft stößt mit ihrem Liberalisierungsdrang auch immer mehr in
Bereiche vor, welche durch staatliche Schutzbestimmungen klar umschrieben waren.
Gerade im Gesundheitsmarkt hat die Verstärkung des freien Wettbewerbs zur
Folge, daß von allen Anbietern mehr Effizienz verlangt wird, was mit einer
Konzentration der Leistungserbringer verbunden ist.
Überproportionales Kostenwachstum, die Konzentrationstendenzen bei
Krankenversicherern und die zunehmende Finanzierung der Leistungen über Prämien
verstärken den Ruf nach Kosteneinsparungen. Zu Recht! Allerdings ist dadurch ein
erbitterter Verteilungskampf unter den Anbietern im Gesundheitswesen entbrannt
und damit für viele der Kampf ums Überleben. Einem solchen uneingeschränkten
Wettbewerbskampf steht allerdings der soziale Konsens entgegen, daß jeder Bürger
gleichermaßen Anspruch auf Gesundheitsleistungen hat. Gesellschaft und Staat
dürfen deshalb nicht auf jede Art von sozialpolitischer Intervention verzichten.
Diese ganze gesundheits- und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung um eine
"Genesung" des Gesundheitswesens betrifft die Apothekerschaft auch in der
Schweiz vital. Ihr Ziel muß es deshalb bleiben, gemäß dem Gesamtkonzept, das von
den Mitgliedern bereits 1993 im Rahmen der 25 Thesen zum schweizerischen
Apothekenwesen festgelegt worden ist, die drei tragenden Säulen der
Apothekerschaft zu stärken: Ausbildung, Rahmenbedingungen und Partnerschaften.
In diesem Umfeld hat die Apothekerschaft in der Schweiz klare Positionen bezogen
und konstruktive Vorschläge eingebracht. Zu erwähnen sind hierbei etwa die
Studienreform, die Weiterbildung im Konnex mit der Zulassung als
Leistungserbringer und die Qualitätssicherung bezüglich der pharmazeutischen
Dienstleistungen. Aber auch die Evaluation eines neuen Abgeltungssystems für die
pharmazeutischen Leistungen gehört dazu, mit welchem klare Anreizstrukturen für
einen sinnvollen und verantwortungsbewußten Einsatz der Arzneimittel geschaffen
werden. Wirbel machen in der Schweiz der Medikamentenversandhandel und die
anscheinend nie abreißenden Diskussionen um Preissenkungen bei Medikamenten.
Ganz so einfach, wie viele meinen, ist es auch in der schweizerischen Pharmazie
nicht. Ich freue mich deshalb mit Ihnen darüber am 35. DAV Wirtschaftsforum in
Baden-Baden diskutieren und Erfahrungen austauschen zu können.
© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de