Editorial
Hermann S.
Keller
Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands e. V.
Die Versorgungsqualität der Patienten nimmt
aufgrund des technischen Fortschritts in der Medizin und
der Arzneimittelforschung und -herstellung ständig zu.
Gentechnisch hergestellte Arzneimittel sind keine
Seltenheit mehr, sie werden in Zukunft zunehmen. Abnehmen
wird dagegen das Finanzbudget der Kassen. Gegenwärtig
sieht es so aus, als würde die Versorgungsqualität
wegen der finanziellen Engpässe der Kassen Schaden
leiden. Das Feststellen einer solchen Tendenz ist
richtig, sie tatenlos zu beklagen ist falsch.
Wie kann bei einer solchen Schere die
Versorgungsqualität dennoch aufrechterhalten bleiben? Es
gibt kein Allheilmittel und kein sicheres Rezept; aber es
gibt Möglichkeiten der Schadensminderung durch
Verbesserung der Kommunikation zwischen Arzt und
Apotheker. Es bietet sich an, eine aktive Kooperation
zwischen den beiden Heilberufen anzustreben. Versuche in
Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zeigen, daß ein
Zusammenwirken von Arzt und Apotheker beim Management des
Arzneimittelbudgets für alle Beteiligten Nutzen bringt.
Die Voraussetzung für ein Gelingen ist eine
Verordnungsanalyse des Arztes, die das Rechenzentrum
erstellen könnte und die präzise Einblicke und
Übersichten über Indikationen und Kosten ermöglicht.
Ein anderer Weg ist die Ermittlung von Richtgrößen für
jede einzelne Arztpraxis. Dabei geht es um
budgetablösende oder budgetbegleitende Richtgrößen.
Die Ermittlung nur den Krankenkassen zu überlassen und
den Apotheker auszuschließen, ist halbe Arbeit. Der
Apotheker kann mit seinen Kenntnissen des
Arzneimittelangebotes wertvolle Tips für
Arzneimittelauswahl und Kostenrelevanz geben.
Schließlich sollte im Blick auf den Patienten die
pharmazeutische Betreuung durch den Apotheker mit dem
Arzt angestrebt werden. Die Technik kann auch hier gute
Dienste tun; die Patientenchipkarte sollte bifunktional
gestaltet werden für beide Heilberufe: für den Arzt und
den Apotheker. Eine Weiterentwicklung zur
multifunktionalen Patientenchipkarte ist im
Versuchsstadium. Das elektronische Rezept ist keine
Vision von morgen, sondern ein greifbares Produkt in
absehbarer Zeit. Prävention, Gesundheitsaufklärung,
Screeningleistungen der Apotheke in Kooperation mit dem
Arzt, gemeinsame Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen
bieten sich an. Mit dem letzten Schritt, der 3. Stufe der
Gesundheitsreform und dem zu erwartenden Abschluß der
Neuordnungsgesetze 1 und 2, werden vernetzte Praxen und
Strukturverträge erprobt. Wir dürfen nicht abseits
stehen, sondern müssen handeln.
Das Wirtschaftsforum in Baden-Baden zeigt Wege dazu auf.
Ich lade Sie herzlich ein, mit EU-Kommissar Dr. Martin
Bangemann über die europäische Zukunft der
Arzneimittelversorgung und Preisgestaltung zu
diskutieren. Zu einem politischen Infotainment stehen uns
drei KV-Vorsitzende Rede und Antwort.
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