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22.03.1999 00:00 Uhr |
Glaubt man den Politikern, ist es mit der Ausbildung in Deutschland sowohl schulisch als auch universitär hervorragend bestellt. Die Nähe von Forschung und Lehre wird als ein besonderer Pluspunkt des deutschen Bildungssystems herausgestellt und die 1999 erfolgte bescheidene Etaterhöhung für das zuständige Ministerium als Beweis zukunftsorientierter Bildungspolitik angeführt.
Die Realität an den Schulen und Universitäten steht allerdings im krassen Widerspruch zu den Politikeraussagen. Stellenstreichungen, Wiederbesetzungssperren, Sperrvermerke, die nicht aufgehoben werden, und Etatkürzungen, wie zum Beispiel am Pharmazeutischen Institut in Marburg, bei gleich bleibenden beziehungsweise steigenden Studentenzahlen machen eine qualitätsorientierte Lehre zunichte.
Auch die Forschungsetats deutscher Hochschulen widersprechen den Politikeraussagen. Drittmittel sind häufig die einzigen Geldquellen, die den Forschern zur Verfügung stehen. Die Träger der Hochschulen beziehen diese Mittel inzwischen in ihrer Finanzplanungen offiziell mit ein. So werden Berufungen nicht mehr nur nach fachlicher Qualifikation vorgenommen, sondern auch gefragt, wieviel Drittmittel bringt der Zuberufene der Universität. Aus meiner Sicht ein Unding. Damit haben Grundlagenforscher fast keine Chance mehr, einen Ruf an einer deutsche Universität zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Rat des Nobelpreisträgers Professor Mösbauer aus München auf der Nobelpreisträgertagung 1998 in Lindau an seine jungen Forscherkollegen zu verstehen, an deutschen Hochschulen nicht mehr zu forschen. Internationale Vergleiche erteilen inzwischen sowohl den Schulen als auch den Universitäten in Deutschland schlechte Noten.
Das sind Signale, die endlich auch von der Politik wahrgenommen werden und zu Konsequenzen führen müssen. Zwar versuchen immer mehr private Förderinitiativen, wie die am 15. März in Marburg für das Pharmazeutische Institut gegründete, den Universitäten zu helfen. Die Sanierung des deutschen Bildungssystems kann aber nicht Privatsache sein. Sie ist für Deutschland inzwischen zur Existenzfrage geworden und da ist der Staat gefordert.
Deutschland besitzt als einzigen "Rohstoff" geistige Kapazitäten. Deshalb ist es für mich unverständlich, daß auch die neue Regierung nicht ausreichend in das Bildungssystem investieren will. Das gilt nicht nur für den Bund, sondern auch für die einzelnen Bundesländer.
Vielleicht steht Hessen jetzt vor der Wende, wenn Koch & Co ihre Versprechungen einlösen. Ein Schritt wurde schon angekündigt, weit über 1000 neue Lehrerstellen. Die Universitäten und damit auch die Pharmazeutischen Fakultäten sehen erwartungsvoll auf die neue Landesregierung. Die Chance für Hessen, dem Ruf "Hessen vorn" auch in der Bildung wahr zu machen.
Nur eines sollte berücksichtigt werden: Nicht größere Universitäten mit mehr
Studenten sollte das Ziel sein, sondern eine qualifiziertere Ausbildung und eine bessere
Forschungsförderung. Denn Masse ist auch in Hessen in gleich Klasse.
© 1999 GOVI-Verlag
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