Pharmazeutische Zeitung online

Ökonomisierung

25.02.2002  00:00 Uhr

Ökonomisierung

An einem Blauen Brief aus Brüssel wegen Verschuldung der öffentlichen Haushalte und der Sozialsysteme ist die Bundesrepublik Deutschland zwar gerade noch so vorbeigeschlittert, aber der Preis mit dem dies erkauft wurde, wird die Gesellschaft hart treffen. Sparorgien auch im sozialen Bereich sind bereits von Eichel angekündigt worden.

Damit wird auch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens in Deutschland weiter fortschreiten. Grundsätzlich ist wirtschaftliches Handeln auf diesem Sektor noch nicht verwerflich. Verwerflich wird das Prinzip aber dann, wenn die Leistungsfähigkeit des Systems ausschließlich auf ökonomische Endpunkte hin untersucht wird. Ein abstoßendes Beispiel ist die häusliche Pflege. Die Freigabe der Pflege an private Pflegeeinrichtungen hat zwar den Wettbewerb angeheizt, aber nicht die Qualität erhöht. Pflegebedürftige und ihre Verwandten werden bestätigten, dass Zeitkontingente und Gewinn die Pflege bestimmen und sie unmenschlich gemacht haben. Emotionale Zuwendung findet nur noch marginal statt. Der Verlust an Menschlichkeit durch die Ökonomisierung hat übrigens bei der Pflege nicht zu Kosteneinsparungen geführt.

Trotz dieser Erkenntnisse aus dem Pflegebereich werden aus Politik, Krankenkassen und Industrie weiter Reformvorschläge für das Gesundheitswesen in Deutschland gemacht, die sich weitgehend an dem ökonomischen System der USA orientieren. Negiert wird dabei offensichtlich, dass dort der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt weltweit am höchsten, die Effektivität in einzelnen Bereichen allerdings sehr niedrig ist. Arzneimittelpreise in den USA und damit die Therapiekosten sind in den letzten Jahren exorbitant gestiegen, weil der größte Teil der Ausgaben zur Befriedigung der Kapitalgeber verwendet wird.

Dieser allgemein festzustellende starke Sog nach mehr Ökonomie und Kommerz hat auch das Gesundheitswesen, die darin Beteiligten, damit auch die Heilberufe und insoweit auch die ABDA erfasst. Die Beurteilung von Erfolg und Misserfolg einer jedweden Interessenvertretung wird diese scheinbar unaufhaltsame Sogwirkung berücksichtigen müssen.

Ich reibe mir schon seit geraumer Zeit die Augen, dass namhafte Kräfte in der Gesundheitspolitik die aufgezeigten Ökonomisierungstendenzen nicht nur dulden, sondern sogar fördern und dabei wissentlich in Kauf nehmen, dass die derzeitige Qualität der Arzneimittelversorgung und letztlich der Patient unter dieser Entwicklung leiden.

Hat die Politik, haben einzelne Politiker noch den Mut, gegen diesen "Strom" zu schwimmen?

Aus meiner Sicht wird die Amerikanisierung in Deutschland nicht die Qualität des Systems steigern. Das gilt auch für die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs = Fallpauschalen) in den Krankenhäusern und den Disease-Management-Programmen (DMP), wenn sie ebenfalls nur auf reine ökonomische Ziele ausgerichtet werden. Sie würden dann zu einem weiteren Abbau der Menschlichkeit in unserem System führen und die Beziehung zum Patienten weiter belasten, weil Emotionalität durch Rationalität ersetzt wird. Zu diesen Konzepten passt natürlich auch die Forderung nach Versandhandel, Aufhebung der Preisbindung bei Arzneimitteln und des Fremd- und Mehrbesitzverbotes.

Will man diesen Prozess aufhalten, müssen menschliche Konzepte dagegen gesetzt werden. Konzepte, die den Patienten einbeziehen, beziehungsweise in den Mittelpunkt stellen sowie die Qualität und Effektivität der Therapie steigern. Die ABDA hat ein in sich schlüssiges Konzept entwickelt, das die verantwortliche Einbindung des Apothekers in die Arzneimittelversorgung zur Grundlage hat: 

Das bedeutet die Einbindung der Apothekerinnen und Apotheker in Disease-Management-Programme.

Das bedeutet das Angebot der Pharmazeutischen Betreuung chronisch kranker Patienten zur Therapieoptimierung.

Das bedeutet die Möglichkeit der Vorbestellung von Arzneimitteln über das Internet, Abholung in der Apotheke und einen erweiterten regionalen pharmazeutischen Zustelldienst.

Das bedeutet eine intensive individuelle Beratung des Patienten bei der Abgabe eines Arzneimittels in der Apotheke.

Das bedeutet über Aut idem eine qualitätsgesicherte und sofortige Verfügbarkeit generischer Arzneimittel, um eine Therapie möglichst umgehend einleiten und fortsetzen zu können.

Alles Angebote, die über die Qualitätssicherung die Effektivität unseres Gesundheitssystems steigern werden. Ein solches System wird dann auch seinen Preis wert sein. Das Ziel der ABDA ist es, dieses Konzept im Vorfeld der Bundestagswahlen in den Köpfen der Politiker zu verankern und die Verbraucher zu Verbündeten zu machen. Dazu ist der Berufsstand auf die Mitwirkung jeder Kollegin und jedes Kollegen in den Apotheken angewiesen. Zusammen sind wir stark und werden es schaffen, die unabhängige Apotheke als Kompetenzzentrum des Gesundheitswesens in unserer Gesellschaft unverzichtbar zu machen.

Hans-Günter Friese
Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
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