Editorial

von Dr. Hermann Vogel
Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer,
Vizepräsident der Bundesapothekerkammer
Nicht nur der Staat, die Politik ganz allgemein tut sich immer schwerer, auf
ordnungspolitischer Linie zu bleiben. Grundsätze werden über Sparzwängen leicht
vergessen, staatliche Kernaufgaben werden oft verleugnet oder verkauft unter der
unzureichenden Bezeichnung "Vorfahrt für Selbstverwaltung". So ein Versuch der
baden-württembergischen Landesregierung. Sie will die staatlichen "Aufgaben aus
dem Bereich des Apothekenwesens" an die Landesapothekerkammer delegieren.
Erteilung von Betriebserlaubnissen, ihr Widerruf, die Überwachung (Revisionen) der
Apotheken nach dem Arzneimittelqesetz, aber auch nach dem
Betäubungsmittelgesetz, dem Medizinproduktegesetz, dem Heilmittelwerbegesetz,
alle in Frage kommenden Bußgeldverfahren und alles, was damit zusammenhängt,
sollen die Kammern übernehmen, und zwar keineswegs als eigene Aufgabe, sondern
unter Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht des Sozialministeriums.
Hier geht es mithin nicht um die verständliche, notwendige, auch fashionable
Zeitströmung "lean Staat", also Verschlankung, Entbürokratisierung,
eigenverantwortliche Selbstverwaltung. Das Vorschlagspapier aus dem
baden-württembergischen Sozialministerium, mit dem sich die
Bundesapothekerkammer zu befassen hatte, ist eine Mogelpackung und - vor allem,
was die beigegebenen Kostenberechnungen betrifft - eine Luftbuchung. Es war nur
folgerichtig, daß die Bundesapothekerkammer (BAK), also alle 17
Apothekerkammern, diese Regierungsüberlegungen aus Baden-Württemberg
abgelehnt hat.
Wer unterstützte nicht das Ziel "Soviel Staat wie nötig, soviel Selbstverwaltung wie
möglich"? Aber doch nicht wie in diesem Papier, wo nicht verschlankt, sondern
schlicht übergewälzt wird. Die vorgesehene Verlagerung würde die bisherige
Kammer arbeitsmäßig sprengen und verbandspolitisch denaturieren. Ihren bisherigen
gesetzlichen wie auch verbandspolitischen Auftrag "Wahrnehmung der beruflichen
Belange" oder wie es im Kammergesetz von Baden-Württemberg heißt: "Die
Vertretung der Berufsinteressen" - gäbe es nicht mehr. Vielmehr würde die Kammer
eine Staatsbehörde, dies aber auf Kosten der dann sicher höheren Kammerbeiträge
ihrer Mitglieder. Und wie müßte es denn überhaupt gehen? Solche übertragenen
Staatsaufgaben würden einen Geschäftsführer erforderlich machen, der keinerlei
Weisungen der gewählten ehrenamtlichen Kammerführung unterläge. Die
Amtsführung dieses Geschäftsführers gegenüber den Kammermitgliedern geschähe
ohne jede Einflußmöglichkeit seitens der ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder.
Das ist nur für den Staat bequem. Können das die baden-württembergischen
Kammermitglieder wollen? Ich denke, sie sollten sich mit allen Mitteln wehren.
Dieses Papier gehört nicht diskutiert, sondern gefeuert. Wohin denkt diese
Landesregierung überhaupt? Heute das Apothekenwesen - wird morgen der
Architektenkammer die Bauaufsicht übertragen? Oder der Tierärztekammer die
Aufgaben der Veterinärämter? Warum privatisiert sich nicht das Ministerium, wann
privatisiert sich der Landtag?
Das Ministerium hat auch gerechnet. 200 DM pro Apotheke und Jahr würde es der
Kammer für diese Arbeitsüberwälzung vergüten wollen. Wer von der Verwaltung
soviel versteht wie (hoffentlich) ein Ministerium, müßte wissen, daß dies keine
Berechnung, sondern eine Zumutung bedeutet.
Die Kammern plötzlich als neue Staatsbehörden zu etablieren, das können gottlob
nicht Amtsstuben dekretieren. Die Gesetzesänderungen müßten vielmehr vom
Landtag sanktioniert werden. Die Volksvertreter sind jetzt die richtigen
Ansprechpartner. Sie sollten mit einem einhelligen und breiten Votum der
Landesapothekerkammer und des Landesapothekerverbands in
Baden-Württemberg konfrontiert werden. Denn: Die Kammer muß ein
Selbstverwaltungsorgan der Apothekerinnen und Apotheker bleiben und darf nicht
zu einer staatlichen, aber privat von den Apothekern mitfinanzierten Außenstelle
werden.

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