Editorial
von Gisela
Stieve
Stellvertretende Chefredakteurin
Die Krankenkassen sind einfallsreich, und die Phantasie
im Kampf um die Mitglieder treibt immer neue Blüten. Das
jüngste Beispiel kommt aus Hamburg. Hier bietet die AOK
einem Apotheker in seiner Funktion als Arbeitgeber an:
"Wir machen Ihre neuen Auszubildenden noch vor
Ausbildungsbeginn kostenlos fit in Sachen neuer
Rechtschreibung". Auf die Idee muß man erst mal
kommen, wenn man "morgen nicht von gestern sein
will", wie die AOK wissen läßt.
In Wahrheit handelt es sich um
Sozialversicherungsseminare mit dem programmatischen
Inhalt: "Neben Informationen zu allen
Versicherungszweigen vermitteln wir jetzt auch komplexe
Hilfen zur neuen Rechtschreibung im Beruf". Na also!
Edel sind die Kassen, hilfreich und gut.
Bevor man den eben mündig gewordenen, jungen Bürger auf
seinem Weg in den Beruf dem Wettbewerb überläßt -
diesem weiten Feld, auf dem sich auch noch die Konkurrenz
tummelt - bietet man lieber gleich seinen Arm und Rat an,
um den Orientierungslosen sicher in die richtige Richtung
zu geleiten. Dies selbstverständlich nur zu dessen
ausschließlichem Nutz und Frommen - ganz im Sinne der im
Sozialgesetzbuch festgeschriebenen Aufgabe der
Gesundheitsförderung, Krankheitsverhütung und
-behandlung. Edel sind die Kassen, hilfreich und gut.
Nur der Prüfdienst Krankenkassen des
Bundesversicherungsamtes (BVA) und ich haben das alles
nicht verstanden. Im Vorwort seines Jahresberichtes
(siehe auch PZ 6, Seite 18) merkt der Wettbewerbshüter
und BVA-Präsident Dr. Rainer Daubenbüchel an, daß die
Entwicklung im ausgeuferten Konkurrenzkampf der
Krankenkassen die schlimmsten Befürchtungen noch weit
übertroffen hat. Die Krankenkassen haben eine Schlacht
um Marktanteile entfesselt, in der das geltende Recht im
großen Stil mißachtet wird. Sie akzeptieren die
Spielregeln des Rechtsstaates vielmehr nur, soweit sie
mit ihren Marketingzielen vereinbar sind. Ansonsten
entfällt jede Rücksichtnahme auf das geltende Recht, so
Daubenbüchel unmißverständlich.
Dabei will doch die AOK Hamburg auch nur
unmißverständlich Ihr Unternehmen fit für die
Unternehmenskorrespondenz von morgen machen und dem
Arbeitgeber Apotheker und seinem Ausbildungsbetrieb
Apotheke nur qualifizierte Auszubildende zuführen. Quasi
als Gegenleistung für den Arbeitgeberanteil am Beitrag
für die AOK.
Edel sind die Kassen, hilfreich und gut. Sie sollten nur
aufpassen, daß sie nicht der Heiligenschein drückt..
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de