Editorial
Man
muß es nur tun
von Dr.
Christiane Berg
PZ-Redakteurin
Ungefähr alle 90 Minuten stirbt in Deutschland ein
Patient an Asthma bronchiale. Als Gründe nannte Dr.
Günther Menz während des Pharmacon in Davos nicht nur
die Zunahme der Prävalenz der Erkrankung, sondern vor
allem die Unterschätzung ihres Schweregrades seitens
Arzt und Patient sowie ungenügende Compliance.
Mit den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten kann
Asthma erfolgreich behandelt werden, doch werden
Richtlinien für die Therapie in der Praxis nur
unzureichend umgesetzt. Eine Studie bei 350
niedergelassenen Ärzten in Großbritannien hat ergeben,
daß etwa die Hälfte der Patienten mit leichtem Asthma
deutlich mehr ß-Sympathomimetika nach Bedarf einnahm als
empfohlen: Dieses deute darauf hin, daß die
Asthmakontrolle durch die antientzündliche Dauertherapie
aufgrund mangelnder Aufklärung und Mitarbeit des
Patienten ungenügend ist.
Andere Untersuchungen zeigen, daß Patienten weniger als
70 Prozent der für die Dauertherapie verschriebenen
Dosen einnehmen oder die Medikamente sogar für eine
Woche aussetzen. Als wesentliche Gründe für die
Complianceprobleme werden Vergeßlichkeit, Angst vor
Nebenwirkungen und falsche Anwendung der Medikamente, vor
allem der Dosieraerosole genannt.
Die Patienten müssen durch entsprechende Beratung nicht
nur in die Lage versetzt werden, zwischen Bedarfs- und
Dauermedikation zu unterscheiden. Sie müssen lernen,
richtig zu inhalieren, Peak-flow-Messungen lege artis
durchzuführen beziehungsweise Buch über Symptome und
Medikamentenverbrauch zu führen. Professor Dr. Karl
Thoma, München, sprach von einer Herausforderung für
den Apotheker, Betroffenen Hilfestellung zu geben und
zugleich zu zeigen, daß die Begriffe Apotheke und
Arzneimittelsicherheit Synonyme sind.
Erste Erfahrungen bei der Betreuung von Patienten mit
Atemwegserkrankungen hat das Augsburger Modell gebracht,
das sich unter anderem der intensiven Erläuterung der
Therapie im Sinne des behandelnden Arztes, der Erklärung
der Peak-flow-Protokolle, der Angstelimination besonders
bei der Anwendung von inhalativen und oralen
Glucocorticoiden, vor allem aber der Dokumentation der
Pharmazeutischen Betreuung widmete.
"Wir brauchen nicht nur ein Augsburger Modell,
sondern 50", sagte in Davos BAK-Präsident Dr.
Hartmut Schmall, der das Projekt, das nur durch den
Einsatz engagierter Kollegen entstand, zur Nachahmung
empfahl. Der zeitraubenden Veranstaltungen zum Thema
Pharmaceutical Care müde, scheint auch mir die einzige
Lösung die Devise der Augsburger Kollegen zu sein:
"Wir halten es für sinnvoll, uns dem Ideal nach und
nach zu nähern. Oft ist es einfacher und effektiver,
kleine Schritte zu machen, als lange über den großen
Wurf zu diskutieren." Pharmazeutische Betreuung im
Apothekenalltag ist machbar. Weiteres Reden erübrigt
sich. Man muß es nur tun.
© 1996 GOVI-Verlag
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