Editorial
Der Patient ist das Maß aller
Dinge
Als Nachfolger
von Klaus Stürzbecher habe ich die Aufgabe übernommen,
zusammen mit den zuständigen Gremien das Schiff ABDA
durch eine rauhe See zu lotsen. Was wird die Zukunft uns
Apothekerinnen und Apothekern bringen? Viel Ungewisses
liegt vor uns und verunsichert viele von uns. Welches
Ziel gilt es mit vereinten Kräften anzustreben? Nach
meiner vollen Überzeugung muß der Patient Richtschnur
unseres Handelns sein. Er hat im Fadenkreuz unserer
täglichen Berufsausübung, unserer Interessenvertretung,
eben der ABDA zu stehen.
Dies gilt für alle am Gesundheitsmarkt beteiligten
Personen und Institutionen: Ärzte, Zahnärzte,
Krankenhäuser, pharmazeutischer Großhandel,
pharmazeutische Hersteller, Apotheken, Krankenkassen,
Bundes- und Landesgesundheitsministerien. Alle sind sie
kein Selbstzweck, alle sollten das Wohl des Patienten bei
ihren Aktivitäten verfolgen. Aber ist dies immer der
Fall? Bei manchen Forderungen und Vorschlägen bleibt der
Patient lediglich zweiter Sieger. So ist zum Beispiel die
Forderung nach Versandhandel mit Arzneimitteln
ausgesprochen patientenfeindlich: Er bedeutet
Rosinenpickerei, es fehlt die zeitnahe und individuelle
Beratungsmöglichkeit des Patienten, und er gefährdet
auf Dauer die flächendeckende Versorgung des Patienten
durch Apotheken.
Diese und weitere patientenfeindliche Forderungen der
Krankenkassen machen mir Sorge. Größere Sorge macht mir
die Tatsache, daß diese Forderungen nach dem Motto
"steter Tropfen höhlt den Stein" immer und
immer wieder gestellt werden, obwohl die Politik sie
ablehnt. Soll etwa auf Dauer über die Medien beim
Verbraucher (Wähler) etwas hängenbleiben, um so Druck
auf die Politik auszuüben?
Diese Taktik gilt es, zum Schutz des Patienten zu
entlarven und inhaltlich zu widerlegen. Darüber hinaus
müssen wir ebenfalls ein Trommelfeuer an Meldungen über
die Breite und Qualität des pharmazeutischen
Leistungsspektrums in den Medien entfachen. Dies müssen
wir so glaubwürdig und selbstbewußt tun, wie wir
täglich unseren Beruf ausüben. Lassen wir uns doch
unsere Dienstleistungen und Bemühungen um den Patienten
nicht kleinreden und madig machen! Die Bevölkerung
weiß, was sie an der deutschen Apotheke hat, sonst
würde sie uns bei Meinungsumfragen nicht an die erste
Stelle der Dienstleister setzen.
Auch die Struktur unseres Apothekenwesens bereitet mir
Sorge. Fallen wir doch nicht auf vermutliche Experten
herein, die uns empfehlen wollen, für die Aufhebung des
Mehrbesitzverbotes einzutreten. Wer das Mehrbesitzverbot
aufheben will, ebnet den Weg für den Fremdbesitz an
Apotheken, redet damit der bloßen Gewinnmaximierung und
Änderung des Kapitaleigners das Wort und 1äßt den
Patienten außer acht. Entsprechende leidvolle
Erfahrungen sind in den USA, Holland und England gemacht
worden. Die Therapiefreiheit des Arztes sowie die
Beratung durch den Apotheker werden von Kapitalinteressen
abhängig.
Nein, es gilt: Wenn es dem Patienten mit Hilfe des
Apothekers zum Beispiel durch Pharmazeutische Betreuung
gutgeht, dann geht es auch dem Apotheker gut. Wie können
wir Apotheker und Apothekerinnen nun den Nutzen des
Patienten, den "customer value" mehren?
Paradigmenwechsel sagen die einen, Umdenkungsprozeß die
anderen. Ich sage: Wir müssen zukünftig - noch stärker
als bisher - der pharmazeutische Problemlöser des
Patienten sein. Dann ist mir um die Entwicklung unseres
Berufsbilds und die Zukunft der deutschen Apotheke nicht
bange.
So plädiere ich zum Beispiel für einen jährlichen
"Tag der Pharmazeutischen Betreuung", um uns
selbst und der breiten Öffentlichkeit die
pharmazeutische Offensive um der Patienten willen klar zu
machen. So könnte ich mir das Motto einer weiteren
bundesweiten Veranstaltung vorstellen: "Der
Apotheker, der Problemlöser des Patienten" (was die
Anwendung des Arzneimittels angeht).
Noch ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt: Direkter Gewinn
("Profit") ist kürzbar. Unter Einbeziehung des
customer value" erzielter Gewinn ist nur
kürzbar, wenn auch der "customer", also der
Patient verliert. Dies wird er auf Dauer nicht zulassen.
Orientieren wir uns an den Bedürfnissen des Patienten,
des Verbrauchers: Dies ist unsere Aufgabe und unsere
einzige, aber auch sehr große Hoffnung. Achten wir
darauf, wie andere uns sehen, und investieren wir durch
Stärkung unserer eigenen pharmazeutischen Kompetenz in
unsere Zukunft!
Ich wünsche mir als Ihr ABDA-Präsident zum
Jahresbeginn, daß die Gesundheitspolitik nicht länger
die Spielwiese der Eigeninteressen der Marktbeteiligten
ist. Schreiben wir alle den PATIENTEN groß: Dies gilt
für jeden einzelnen von uns und auch für die ABDA!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie denken Sie über das
Verhältnis Patient/Verbraucher zur Apothekerschaft? Ich
möchte mit Ihnen, mit der Basis in Kontakt bleiben:
helfen Sie mir dabei durch Übermittlung Ihrer Meinung,
Ihrer Anregungen!
Hans-Günter-Friese
Präsident der ABDA
Fax 06196/928-126
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