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Der Patient ist das Maß aller Dinge

Datum 30.12.1996  00:00 Uhr

-Editorial

  Govi-Verlag Der Patient ist das Maß aller Dinge   Als Nachfolger von Klaus Stürzbecher habe ich die Aufgabe übernommen, zusammen mit den zuständigen Gremien das Schiff ABDA durch eine rauhe See zu lotsen. Was wird die Zukunft uns Apothekerinnen und Apothekern bringen? Viel Ungewisses liegt vor uns und verunsichert viele von uns. Welches Ziel gilt es mit vereinten Kräften anzustreben? Nach meiner vollen Überzeugung muß der Patient Richtschnur unseres Handelns sein. Er hat im Fadenkreuz unserer täglichen Berufsausübung, unserer Interessenvertretung, eben der ABDA zu stehen.

Dies gilt für alle am Gesundheitsmarkt beteiligten Personen und Institutionen: Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, pharmazeutischer Großhandel, pharmazeutische Hersteller, Apotheken, Krankenkassen, Bundes- und Landesgesundheitsministerien. Alle sind sie kein Selbstzweck, alle sollten das Wohl des Patienten bei ihren Aktivitäten verfolgen. Aber ist dies immer der Fall? Bei manchen Forderungen und Vorschlägen bleibt der Patient lediglich zweiter Sieger. So ist zum Beispiel die Forderung nach Versandhandel mit Arzneimitteln ausgesprochen patientenfeindlich: Er bedeutet Rosinenpickerei, es fehlt die zeitnahe und individuelle Beratungsmöglichkeit des Patienten, und er gefährdet auf Dauer die flächendeckende Versorgung des Patienten durch Apotheken.

Diese und weitere patientenfeindliche Forderungen der Krankenkassen machen mir Sorge. Größere Sorge macht mir die Tatsache, daß diese Forderungen nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein" immer und immer wieder gestellt werden, obwohl die Politik sie ablehnt. Soll etwa auf Dauer über die Medien beim Verbraucher (Wähler) etwas hängenbleiben, um so Druck auf die Politik auszuüben?

Diese Taktik gilt es, zum Schutz des Patienten zu entlarven und inhaltlich zu widerlegen. Darüber hinaus müssen wir ebenfalls ein Trommelfeuer an Meldungen über die Breite und Qualität des pharmazeutischen Leistungsspektrums in den Medien entfachen. Dies müssen wir so glaubwürdig und selbstbewußt tun, wie wir täglich unseren Beruf ausüben. Lassen wir uns doch unsere Dienstleistungen und Bemühungen um den Patienten nicht kleinreden und madig machen! Die Bevölkerung weiß, was sie an der deutschen Apotheke hat, sonst würde sie uns bei Meinungsumfragen nicht an die erste Stelle der Dienstleister setzen.

Auch die Struktur unseres Apothekenwesens bereitet mir Sorge. Fallen wir doch nicht auf vermutliche Experten herein, die uns empfehlen wollen, für die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes einzutreten. Wer das Mehrbesitzverbot aufheben will, ebnet den Weg für den Fremdbesitz an Apotheken, redet damit der bloßen Gewinnmaximierung und Änderung des Kapitaleigners das Wort und 1äßt den Patienten außer acht. Entsprechende leidvolle Erfahrungen sind in den USA, Holland und England gemacht worden. Die Therapiefreiheit des Arztes sowie die Beratung durch den Apotheker werden von Kapitalinteressen abhängig.

Nein, es gilt: Wenn es dem Patienten mit Hilfe des Apothekers zum Beispiel durch Pharmazeutische Betreuung gutgeht, dann geht es auch dem Apotheker gut. Wie können wir Apotheker und Apothekerinnen nun den Nutzen des Patienten, den "customer value" mehren? Paradigmenwechsel sagen die einen, Umdenkungsprozeß die anderen. Ich sage: Wir müssen zukünftig - noch stärker als bisher - der pharmazeutische Problemlöser des Patienten sein. Dann ist mir um die Entwicklung unseres Berufsbilds und die Zukunft der deutschen Apotheke nicht bange.

So plädiere ich zum Beispiel für einen jährlichen "Tag der Pharmazeutischen Betreuung", um uns selbst und der breiten Öffentlichkeit die pharmazeutische Offensive um der Patienten willen klar zu machen. So könnte ich mir das Motto einer weiteren bundesweiten Veranstaltung vorstellen: "Der Apotheker, der Problemlöser des Patienten" (was die Anwendung des Arzneimittels angeht).

Noch ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt: Direkter Gewinn ("Profit") ist kürzbar. Unter Einbeziehung des „customer value" erzielter Gewinn ist nur kürzbar, wenn auch der "customer", also der Patient verliert. Dies wird er auf Dauer nicht zulassen.

Orientieren wir uns an den Bedürfnissen des Patienten, des Verbrauchers: Dies ist unsere Aufgabe und unsere einzige, aber auch sehr große Hoffnung. Achten wir darauf, wie andere uns sehen, und investieren wir durch Stärkung unserer eigenen pharmazeutischen Kompetenz in unsere Zukunft!

Ich wünsche mir als Ihr ABDA-Präsident zum Jahresbeginn, daß die Gesundheitspolitik nicht länger die Spielwiese der Eigeninteressen der Marktbeteiligten ist. Schreiben wir alle den PATIENTEN groß: Dies gilt für jeden einzelnen von uns und auch für die ABDA!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie denken Sie über das Verhältnis Patient/Verbraucher zur Apothekerschaft? Ich möchte mit Ihnen, mit der Basis in Kontakt bleiben: helfen Sie mir dabei durch Übermittlung Ihrer Meinung, Ihrer Anregungen!

Hans-Günter-Friese
Präsident der ABDA

Fax 06196/928-126    

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