Duftstoffe können krank machen |
Die meisten Menschen riechen gerne gut. Duftstoffe können aber für manche Mitmenschen ein Gesundheitsproblem darstellen. / Foto: Adobe Stock/africa-studio
Wenn Sarah Wieland ihre Wohnung verlässt, erlebt sie eine Art Spießrutenlauf: Im Treppenhaus hängen das Parfüm der Nachbarin und Reinigungsmittelreste in der Luft. Aus dem Wäschekeller strömt Weichspülergeruch. Unterwegs verbreiten Menschen Duft aus Haarspray, Cremes und Waschmittel. Was für manche Menschen angenehm klingt, ist für Wieland ein Gesundheitsrisiko. Die 29-Jährige ist Asthmatikerin und reagiert stark auf Duftstoffe. Die Folge: Atembeschwerden, Hautausschlag, Stimmungstiefs und sogenannter Brain Fog, der unter anderem Konzentrationsprobleme bedeutet. Schwierig sind für sie auch Raumerfrischer sowie Duftstäbchen und -kerzen. Auf die stößt sie in Arztpraxen, öffentlichen Toiletten, ihrem Yogastudio und der Kita ihres Kindes.
Wieland, die in der Nähe von Aschaffenburg wohnt und eigentlich anders heißt, ist kein Einzelfall. «Bei uns melden sich jeden Tag ein bis drei Betroffene», sagt Silvia Pleschka, Duftstoffexpertin beim Deutsche Asthma- und Allergikerbund (DAAB) in Mönchengladbach, im Vorfeld des Welt-Asthma-Tags am 2. Mai. Etliche seien verzweifelt, zumal sie oft auf Unverständnis stießen. «Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass so etwas Schönes wie Duftstoffe gesundheitliche Risiken hat», so Pleschka. Zudem habe sich der Geruchssinn oft so daran gewöhnt, dass sie selbst nicht mehr merkten, wie stark alles rieche. Doch Duftstoffe seien Chemikalien, die die Luft belasteten, sagt Pleschka. Manche könnten sogar endokrin wirken, also den Hormonhaushalt beeinflussen.
Duftstoffe sind laut Studien nach Nickel die zweithäufigsten Auslöser einer Kontaktallergie. Das heißt, es gibt eine allergische Reaktion bei Hautkontakt. Doch auch das bloße Einatmen kann Betroffenen zufolge Beschwerden verursachen. Hier ist oft von einer Duftstoffsensibilität oder -unverträglichkeit die Rede. In einer internationalen Studie nannte ein Drittel der Befragten eine Duftstoffsensibilität. Jeder zweite Asthmatiker gab Gesundheitsprobleme durch Duftstoffe an. «Die Dunkelziffer ist hoch», sagt Chemikerin Pleschka. Ob synthetischer oder natürlicher Duft, mache keinen Unterschied.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Duftstoffallergie steigt Studien zufolge mit dem Alter. Grund ist laut DAAB unter anderem, dass sich die Duftstoffe im Körper anreichern können, vor allem synthetische. Auch wer noch keine Symptome hat, kann schon belastet sein. Bei Kindern und Jugendlichen fand das Umweltbundesamt den Duftstoff Lysmeral im Urin aller untersuchten Kinder und Jugendlichen. Genauere Studien zu Wirkung und Gefahrenpotenzial stehen bei vielen Duftstoffen aber noch aus.
Für Duftstoffallergie und -unverträglichkeit gibt es bisher weder einheitliche Diagnostik noch Behandlung. Die meisten Betroffenen versuchen, so gut wie möglich Duftstoffe zu meiden. «Meine Wohnung ist inzwischen relativ sicher», sagt Wieland. Sie habe lange gebraucht, bis alle versteckten Düfte gefunden waren. Etwa in Spülmaschinentabs, Verpackungen und Spielzeug. Doch alles außer Haus ist für Wieland schwierig. Viele Orte werden laut DAAB bewusst beduftet, etwa Geschäfte, Busse und Kinos, Pflegeeinrichtungen und Kliniken. Reisen haben Wieland und ihre Familie schon mehrfach abgebrochen, da die Belastung in der Unterkunft zu groß war. «Auch Dinge gebraucht kaufen geht nicht», sagt Wieland.
Das Schlimmste: Der Kontakt zu anderen Menschen leidet. Die körperlichen Folgen führen zu starker emotionaler Belastung, wie Wieland sagt. Ihrer Arbeit als Informatikerin kann sie zum Glück im Homeoffice nachgehen. Einer Studie aus Schweden, Australien, Großbritannien und den USA zufolge kann der wirtschaftliche Verlust durch duftstoffbedingte Krankheitstage und Kündigungen hoch sein. Andere Studien untermauern, dass Duftstoffe am Arbeitsplatz mit Asthma einhergehen können.