»Du bist nicht allein!« |
Jugendzeit ist eine sensible, instabile Lebensphase. Jeder Wechsel in ein neues Umfeld berge auch das Risiko, dass es nicht klappe mit den Kontakten. / Foto: Getty Images/skynesher
Einsamkeit hat unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen seit der Pandemie deutlich zugenommen und ist sehr weit verbreitet. «Einsamkeit ist so was wie eine heimliche Pandemie», sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Freitag bei Vorstellung einer Studie in Berlin. Es handele sich um ein «Massenphänomen» unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das Thema sei als «neue soziale Frage unserer Zeit» für die gesamte Gesellschaft relevant.
Die renommierte Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann betonte, es sei wichtig, die Aufmerksamkeit auf junge Menschen zu richten. Sie und ihr Team hatten die Untersuchung im Auftrag der Landesregierung durchgeführt. Unter fast 1000 Personen zwischen 16 und 20 Jahren, die im Herbst 2023 in NRW befragt worden waren, sind rund 16 bis 18 Prozent laut Studie sehr einsam. Bei den jüngeren Befragten (knapp 1250 Achtklässler zwischen 13 und 15 Jahren) seien knapp 4 bis 11 Prozent als stark einsam einzustufen. Die Spannen in den Ergebniszahlen ergeben sich, weil nach Geschlecht und in zwei Arten von Einsamkeit – emotional und sozial – getrennt wurde.
Vergleichbare bundesweite Daten zeigten ebenfalls gestiegene, hohe Einsamkeitswerte, schilderte Luhmann, die auch die Bundesregierung berät. Es gebe wenig Vergleichsdaten für junge Menschen, aber eine Zunahme in Deutschland sei eindeutig, sagte die Expertin der dpa kurz vor der Präsentation. Insgesamt waren in den beiden separaten Erhebungen rund 2200 junge Leute in NRW befragt worden. Addiert man in beiden Altersgruppen noch diejenigen hinzu, die moderat oder manchmal einsam sind, steigen die Zahlen noch erheblich an. Tendenziell machte die Analyse etwas mehr weibliche Betroffene aus.
Als ein Hauptfaktor gilt Einkommensarmut bei den Eltern. Ein erhöhtes Risiko haben zudem Jugendliche mit besonderen persönlichen oder psychischen Belastungen und auch junge Menschen, die Diskrimierungs-Erfahrungen gemacht haben, erläuterte die Expertin der Uni Bochum. Die Pandemie hinterlasse Spuren. Auch Faktoren wie überhoher Konsum digitaler Medien spielten eine Rolle. Und: «Wir haben festgestellt, dass diejenigen, die angegeben haben, dass sie finanzielle Probleme haben in ihrem Haushalt, auch eher einsam sind», unterstrich Luhmann. «Das ist ein deutschland- und europaweites Phänomen, wenn nicht gar ein internationales.»
Sie berichtete: «Aus der Forschung wissen wir, dass Einsamkeit, wenn sie chronisch wird, mit einer ganzen Reihe von negativen Konsequenzen verbunden ist.» Folgen könnten sein: Gestörter Schlaf, soziale Angst, Depression, sinkende schulische Leistungen, weniger Bewegung und Aktivitäten. Es gehe gerade bei jungen Menschen darum, langanhaltende negative Folgen bis hin zu körperlichen und psychischen Erkrankungen zu vermeiden.
Minister Wüst mahnte bei dem «Einsamkeitsforum» mit Experten, man müsse der Einsamkeit früh begegnen. «Das Thema gehört in die Mitte der Gesellschaft.» Auch die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Strategie.