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Datum(117) Mittwoch, der 03.09.2025, 16:53 Uhr
IDbdt0330 3 pl 787 dpa 1224
BetreffKoalition/Parteien/Finanzen/Soziales/Deutschland/CDU/CSU/SPD/(Zusammenfassung 1645) Schwarz-Rot startet in den «Herbst der Reformen» Von Theresa Münch, Basil Wegener und Michael Fischer, dpa (Foto aktuell)
TextUnion und SPD wollen zur Reformkoalition werden. Aber ob sie das
schaffen, ist noch völlig unklar. Am Abend soll ein erster Aufschlag
gemacht werden. Die Baustellen sind groß.
Berlin (dpa) - Trotz deutlicher Meinungsunterschiede demonstrieren
Union und SPD vor dem angestrebten «Herbst der Reformen» Zuversicht.
Ziel sei es, unterschiedliche Interessen auszugleichen und
Kompromisse zu finden, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius vor
dem dritten Treffen des Koalitionsausschusses, einem maßgeblichen
Entscheidungsgremium von Schwarz-Rot. Am Abend wollen die Spitzen von
CDU, CSU und SPD ihren Reformwillen mit der Einigung auf mehrere
Projekte in den Bereichen Wirtschaft und Soziales unter Beweis
stellen. 
Klingbeil erinnert an Schröders Agenda 2010
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil würdigte vor dem Treffen die
Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD).
«Schröder hat mutige Reformen angepackt», sagte der SPD-Chef der
«Zeit». «Auch heute brauchen wir umfassende Reformen, damit unser
Sozialstaat stark, aber auch bezahlbar bleibt und besser
funktioniert.» 
Die heutigen Reformen müssten allerdings «in unsere Zeit passen» und
dürften die «Gräben nicht vertiefen», mahnte Klingbeil. Wichtig sei,
dass es «am Ende gerecht zugeht und alle ihren Teil zum Reformpaket
beitragen». 
Im März 2003 hatte der damalige Kanzler Schröder als Antwort auf die
wirtschaftliche Schwäche des Landes als Agenda 2010 bezeichnete
umfassende Arbeitsmarkt- und Sozialreformen angekündigt. Die SPD
verlor damals viele Stammwähler und bei der Bundestagswahl 2005 auch
das Kanzleramt. Die Regierung von Schröders Nachfolgerin Angela
Merkel (CDU) profitierte von Schröders Reformen und dem daraus
folgenden wirtschaftlichen Aufschwung.
Stimmung in der Koalition weiterhin angespannt
Nun will auch die Regierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) und
Vizekanzler Klingbeil in diesem Herbst Sozialreformen auf den Weg
bringen, bei denen noch unklar ist, wie weitreichend sie ausfallen
werden. Die Stimmung in dem Regierungsbündnis ist auch nach der
Sommerpause angespannt. In vergangenen Tagen hatten sich Merz und
Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) einen Schlagabtausch über die
Milliardenkosten fürs Soziale geliefert. Merz betonte mehrfach, man
könne sich den Sozialstaat so wie heute nicht mehr leisten. Bas
nannte das «Bullshit». 
Diese Baustellen muss die Koalition im Einzelnen bewältigen:
Finanzierungslücke
Die Bundeshaushalte für 2025 und 2026 hat Finanzminister Lars
Klingbeil (SPD) einigermaßen geräuschlos auf die Beine gestellt. Doch
in der Etatplanung für 2027 klafft ein 30 Milliarden Euro großes
Loch. Keine Bundesregierung hat eine solche Finanzierungslücke jemals
erfolgreich gestopft. 
Auch Schwarz-Rot wird das durch Kürzungen und das erhoffte
Wirtschaftswachstum allein kaum gelingen. Nötig sind nun teils wohl
auch schmerzhafte Entscheidungen zum Beispiel zu Subventionen, zu
Förderprogrammen und im Sozial- und Steuersystem. Aktuell drohen
Maßnahmen wie eine höhere Pendlerpauschale und Förderung für
Agrardiesel zusätzliche Löcher in den Etat zu reißen, die man sich
eigentlich nicht leisten kann. 
Hinter den Kulissen wird laut kritisiert, dass nicht alle in der
Koalition gleichermaßen bereit seien, einen Beitrag zum Sparen und
Reformieren zu leisten. Beim Koalitionsausschuss müsse man sich das
in die Hand versprechen, heißt es. 
Sozialreformen
Das Sozialsystem mit Rente, Kranken- und Pflegeversicherung,
Bürgergeld und anderen Leistungen droht wegen der Konjunkturschwäche
und der demografischen Entwicklung für die Beitragszahler immer
teurer zu werden. Zwischen Union und SPD kochte zuletzt eine
Grundsatzdebatte über die Kosten für den Sozialstaat hoch. 
Besonders das Bürgergeld steht im Fokus. Kanzler Merz setzte Bas in
einem Sommerinterview unter Druck: Fünf Milliarden Euro müssten sich
hier einsparen lassen, rechnete er der SPD-Chefin vor. «Wenn wir uns
nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche
Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor
dieser Aufgabe», sagte der CDU-Chef in einem Interview von Sat.1. 
Im Arbeitsministerium wird zwar an einem Reformentwurf gearbeitet. Im
Fokus - das geht aus früheren Äußerungen von Bas hervor - dürften
etwa nachgeschärfte Mitwirkungspflichten stehen. Nicht ganz, was die
Union sich erhofft. Konkrete Beschlüsse sind zu diesem Thema beim
Koalitionsausschuss heute nicht zu erwarten: Für längerfristige
Reformen soll eine Kommission Vorschläge machen.
Steuererhöhungen
Ebenfalls angestoßen durch die Finanzierungslücken im Haushalt läuft
eine Debatte über mögliche Steuererhöhungen, die Geld in die
Staatskasse spülen könnten. Und zwar auf Chefebene: Klingbeil hatte
höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende nicht
ausgeschlossen. Merz erteilte solchen Ideen dagegen eine prinzipielle
Absage. 
Inzwischen sprach sich allerdings mit dem Vorsitzenden der Christlich
Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, auch ein
Unionspolitiker für bestimmte Erhöhungen aus: Die Erbschaftsteuer
könne verschärft werden. Außerdem könne die Reichensteuer, die mit 45
Prozent noch über dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent liegt, etwas
angehoben werden. 
Zuletzt legte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nochmal nach: «Wenn
wir die mittleren Einkommen entlasten wollen und vielleicht sogar den
Spitzensteuersatz später beginnen lassen wollen, dann muss man sagen,
wie man das finanziert. Und dann müssen die, die eben ganz, ganz viel
haben, unter Umständen auch mehr zur Kasse gebeten werden», sagte er
im Podcast von Politico. 
Investitionen
Noch nie hat eine Bundesregierung so hohe Investitionen geplant -
doch wie stellt man sicher, dass das Geld auch wirklich abfließt? Das
war in den vergangenen Jahren bereits ein Problem. Nun ist ein
Investitionsbeschleunigungsgesetz im Gespräch, das im
Koalitionsausschuss festgezurrt werden könnte. Außerdem sollen
Experten der Bundesregierung helfen, das Geld aus dem
500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur sinnvoll
einzusetzen.
# Notizblock
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wegener.basil@dpa.com, Michael Fischer (Berlin), +49 172 6593759,
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