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Datum(67) Donnerstag, der 04.09.2025, 00:05 Uhr
IDtmn0002 4 vm 839 dpa-tmn 0036
BetreffArbeit/Gesundheit/Deutschland/Beruf/Ratgeber/CJAB/tmn0300/Sicherheit/(KORR-Bericht - Z: 6150) Berufe mit Konfliktpotenzial: Wie man standhält von Eva Dignös, dpa (Mit 5 Bildern tmn0300 vom 04.09.2025)
TextOb Polizei, Pflege oder Ordnungsamt: Jobs mit Publikumsverkehr
bedeuten oft Konflikte und Aggression. Warum manche Berufe besonders
betroffen sind und welche Strategien helfen.
Berlin (dpa/tmn) - Bademeister, Pflegekraft, Ladendetektiv,
Polizistin, Bibliothekar, Sozialarbeiterin - so unterschiedlich die
Berufe sein mögen, eint viele der Beschäftigten doch eine Erfahrung:
Sie müssen sich mit Widerspruch auseinandersetzen, manchmal sogar mit
Gewalt. Konflikte drohen überall dort, wo Menschen Regeln
durchsetzen, Entscheidungen treffen oder schlicht ansprechbar sind. 
«Erwachsene lassen sich nicht gerne von anderen Erwachsenen sagen,
was sie zu tun haben», sagt Martin Eichhorn. Seit über 20 Jahren
schult der Deeskalationstrainer aus Berlin Menschen, die in ihrem
Berufsalltag mit Aggressionen und Grenzüberschreitungen konfrontiert
werden.
Von Worten zu Schlägen
Die Bandbreite reicht von verbalen Ausfällen, Drohgebärden und
Einschüchterung bis hin zu tatsächlichen Übergriffen. In manchen
Berufen - vor allem dort, wo Menschen schlechte Nachrichten erhalten
oder emotionale Ausnahmesituationen erleben - sind solche Situationen
vielfach Alltag, sei es in der Notaufnahme, im Jugendamt oder als
Gerichtsvollzieher beim Ortstermin.
So gaben in einer Studie der Berufsgenossenschaft für
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) von 2018 knapp 80
Prozent der Befragten aus Pflege- und Betreuungsberufen an, in den
vorausgegangenen zwölf Monaten Gewalt erlebt zu haben. 
Wird es schlimmer? Inge Dembowski und Nicole Stab von der BGW
beobachten zumindest mehr gemeldete Arbeitsunfälle durch Gewalt. Die
beiden kümmern sich als Aufsichtspersonen der BGW um die Einhaltung
des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in den Einrichtungen. «Bei den
meldepflichtigen Arbeitsunfällen ist eine Zunahme zu beobachten.» 
Ob das an mehr Vorfällen liegt oder daran, dass mehr Menschen den Mut
fassen zu melden, was ihnen angetan wird - das lässt sich schwer
sagen. Sicher ist nur: «Gewalt und Belästigung bei der Arbeit dürfen
nicht verharmlost oder hingenommen werden.» 
Wenn Verzweiflung umschlägt
Dass beispielsweise Notaufnahmen öfter als andere Bereiche in
Kliniken von Gewalt betroffen seien, liege an den Rahmenbedingungen,
so die BGW-Expertinnen. Patienten und Patientinnen befinden sich in
emotionalen Ausnahmesituationen, haben Schmerzen und Ängste. Auch die
sie begleitenden Angehörigen empfinden Ungewissheit und
Hilflosigkeit. 
«In der Notaufnahme treffen diese emotionalisierten Menschen nicht
selten auf Gegebenheiten, die das Entstehen aggressiver und
gewalttätiger Handlungen begünstigen können: lange Wartezeiten,
Personalmangel und damit einhergehend fehlende Ansprechpersonen.»
Vorbereitung ist entscheidend
Aber was hilft den betroffenen Beschäftigten in dieser Situation?
«Vorbereitung ist das A und O», sagt Martin Eichhorn. Dazu gehöre,
mögliche Situationen und Reaktionen im Kopf durchzuspielen, auch mit
einer gewissen Empathie, um nachvollziehen zu können, was im
Gegenüber gerade vorgeht. Aber ebenso «Handwerkszeug für den
Notfall», zum Beispiel ein Fluchtplan zum nächsten Ausgang. Für
Berufsgruppen mit hohem Eskalationsrisiko empfiehlt Eichhorn
regelmäßiges Verhaltenstraining.
Dabei geht es nicht um Kampfsporttechniken. Im Gegenteil:
«Selbstverteidigung an einem Wochenende - das ist Augenwischerei»,
warnt er. Stattdessen empfiehlt er einfache, aber effektive Mittel -
etwa durch simuliertes Erbrechen Ekel als Überraschungsmoment zu
nutzen, lautstark zu reagieren oder Krankheit vorzutäuschen. Das
Ziel: den Aggressor aus dem Konzept zu bringen und sich dann schnell
zurückzuziehen.
Kontern, ohne zu eskalieren
Auch bei verbalen Angriffen helfe es, vorbereitet zu sein. Viele
Menschen sind im ersten Moment sprachlos - und bleiben mit dem
unangenehmen Gefühl zurück, der Attacke wehrlos ausgeliefert gewesen
zu sein. Dabei kann schon ein kurzer Satz helfen. «Manchmal genügt
ein einfaches 'So, so' oder ein 'Ach was' - das wirkt wie ein
Stoppsignal», sagt Eichhorn. Entscheidend sei, dass man nicht zurück
beleidigt, sondern Haltung zeigt - und dem Gegenüber klarmacht, dass
man nicht erreichbar ist für dessen Angriff.
«Beleidigungen sind keine Kleinigkeit», betont Eichhorn. Was zunächst
verbal beginnt, kann zur psychischen Belastung werden. «Wenn Sie
täglich beleidigt werden, hinterlässt das Spuren - vor allem, wenn
man vielleicht selbst gerade etwas dünnhäutig ist», warnt Eichhorn.
Die psychischen Langzeitfolgen reichen bis hin zu posttraumatischen
Belastungsstörungen. Dass viele der betroffenen Berufe traditionell
als «helfend» gelten, macht die Enttäuschung über Aggressionen umso
größer.
Durchhalten - oder lieber gehen?
Kann man einen Beruf mit ständigem Konfliktpotenzial ein ganzes Leben
lang ausüben? «Manche Menschen können das - andere nicht», sagt
Eichhorn. Wer sich vorbereitet fühlt, mit Belastungen umgehen kann
und gute Strategien entwickelt, kommt meist über viele Jahre klar.
Doch manche steigen aus.
Entscheidend sei oft die Erwartungshaltung: «Wer Polizist wird, weiß,
dass er Konflikte und Gewalt erleben wird.» Als Ärztin oder
Bibliothekar rechnet man damit nicht unbedingt. Ein wichtiger
Schlüssel liege darin, sich die berufliche Rolle bewusst zu machen -
und sich auch emotional von ihr zu distanzieren: «Ich werde nicht als
Person beleidigt, sondern als Vertreter einer Maßnahme.» Auch das
Ablegen der Dienstkleidung könne symbolisch helfen: «Ich ziehe die
Jacke aus - und damit auch die negativen Erlebnisse.»
Ein Tabu bricht auf
Es tut sich was: Arbeitgeber hätten in den vergangenen zehn bis 15
Jahren viel dazugelernt, sagt Eichhorn. Auch weil sie gemerkt haben:
Konflikte kosten - Gesundheit, Motivation, Geld. Mittlerweile gebe es
in vielen Einrichtungen Sicherheitskonzepte, mehr Schulungen,
Informationsmaterial und eine größere Offenheit für das Thema.
«Früher haben sich viele Betroffene geradezu geschämt, über
Gewalterfahrungen im Beruf zu sprechen», sagt Eichhorn: «Das ist zum
Glück vorbei.»
Damit Beschäftigte wissen, wie sie sich bei Gewaltvorfällen
verhalten, sollte es in jedem Betrieb ein betriebliches
Präventionskonzept geben, heißt es von der BGW. Es müsse «spezifisch
auf die jeweilige Situation zugeschnitten sein: Pauschale und
isolierte Maßnahmen sind in der Regel wenig wirksam». Und klar müsse
sein: «Beschäftigte zu schützen, ist Aufgabe des Arbeitgebers.»
# Notizblock
## Redaktionelle Hinweise
- Zu diesem Text finden Sie Bilder mit folgendem Titel im dpa
Bildangebot:
- Deeskalationstraining für Rettungskräfte
- Mann hebt seine geballte Faust
- Polizeibeamte stehen am Rande einer Demonstration
- Rettungswagen der Feuerwehr fährt mit Blaulicht durch eine Straße
- .
## Internet
- [Studie BGW](https://dpaq.de/XbHKhfd)
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Die folgenden Informationen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt
## Ansprechpartner
- Inge Dembowski und Dr. Nicole Stab, schriftliches Statement über
die Pressestelle der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und
Wohlfahrtspflege, +49 40 202072714, presse@bgw-online.de
- Dr. Martin Eichhorn, +49 30 72014159, me@martin-eichhorn.berlin
## Kontakte
- Autor/in: Eva Dignös
- Redaktion: Annette Meinke (Berlin), 01736068401,
meinke.annette@dpa.com, Fotoredaktion: +49 30 2852-32897,
foto.themendienst@dpa.com
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