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Datum(62) Montag, der 20.10.2025, 00:05 Uhr
IDtmn0004 4 vm 1188 dpa-tmn 0034
BetreffTourismus/Reisen/Norwegen/TPDS/tmn7200/Ratgeber/inspireme/Kulinarik/(KORR-Bericht - Z: 8.280) Vom Regen an die Tafel: Bergen, Stadt der Gastronomie Von Bettina Hagen, dpa (Mit 8 Bildern tmn7200 vom 20.10.2025)
TextDie Stadt am Byfjord ist ein Hotspot für gutes Essen: 2015 gab es
sogar eine Würdigung der Unesco. Vor Ort erlebt man, wie sich
Tradition und Innovation auf dem Teller vereinen. Lecker. Und
lehrreich!
Bergen (dpa/tmn) - Irgendwie hängt in Bergen alles mit Wasser
zusammen. Die Stadt im Südwesten Norwegens liegt eingebettet zwischen
den steilen Hängen einer Fjordlandschaft. Das grünblaue Wasser kalt
ist wie die Gletscherschmelze und für die Region lebenswichtig. Auch
von oben kommt es reichlich: Mit rund 200 Regentagen pro Jahr gilt
Bergen als die regenreichste Stadt Europas.
Nach einem entspannten Urlaub klingt das nicht gerade. Doch es gibt
ein großes Aber, das viel mit dem zu tun hat, was wir täglich machen:
essen. Seit 2015 ist Bergen Unesco-Stadt der Gastronomie:
Kulinarische Tradition, nachhaltiger Lebensmittelproduktion und die
umgebende Natur gingen eine außergewöhnliche Verbindung ein. Fisch
und Meeresfrüchte gehören seit der Hansezeit zum Stolz der Stadt.
Im Stadtteil Bryggen schaukeln schon früh am Morgen die
Ausflugsschiffe startklar im Wasser. Bryggen, das ist das historische
Hafenviertel Bergens und mit seinen bunten Holzhäusern nicht nur ein
Wahrzeichen der Stadt, sondern als Weltkulturerbe von der Unesco
ebenfalls gewürdigt. Bryggen ist authentisches Zeugnis der
Hansezeit. 
Seit dem Mittelalter legten hier Fischerboote an, voll beladen mit
Stockfisch. Die Kaufleute der Lübecker Hanse verschifften ihn weiter
in Europa, und Bergen wurde reich. Heute drängen sich Kreuzfahrtgäste
durch die Reihen der Marktstände, an denen Frisches aus dem Meer
verkauft wird, und der Stockfisch mit Geschenkbändchen versehen. Auch
Elchsalami oder lokaler Honig sind drapiert.
Bergen riecht man
«Bergen riecht man, bevor man es sieht», sagt Alf Roald Sætre. Das
hätten früher die Fischer gesagt, bevor sie in den Hafen einfuhren.
Sætre ist eine außergewöhnliche Figur in der norwegischen
Gastronomieszene, ein Geschichtenerzähler und Selfmade-Unternehmer.
Er stammt aus einer Bergener Fischerfamilie.
«Mein Großvater begann in den 1880er-Jahren mit der Zucht von
Muscheln und Austern, und ich setze die Tradition in dritter
Generation fort.» Mehrmals die Woche taucht er bis zu 30 Meter tief
nach Meeresfrüchten, mit über 70 Jahren. Nur dann legt er seinen
Cowboyhut ab, sein Markenzeichen, das ihm den Spitznamen «Oyster
Dundee» eingebracht hat. «Das hält mich fit.»
Die Ausbeute, allein etwa 1.000 Jakobsmuscheln in der vergangenen
Woche, landet in der Küche seines Restaurants «Cornelius» - benannt
nach dem Großvater - auf einer kleinen Schäreninsel vor Bergen, die
nur per Boot erreichbar ist. Jeden Abend bringt die Fähre Gäste aus
Bryggen und holt sie vier Stunden später wieder ab. Die 20-minütige
Fahrt durch den Fjord ist ein Highlight und Teil des Konzepts.
Sætre und sein Geschäft sind ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Fisch
in Bergen und ganz Norwegen nicht nur tief in der Alltagskultur
verankert, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Das
skandinavische Land ist der zweitgrößte Fisch-Exporteur weltweit.
«Angeln war bei uns Familienprogramm, fast jedes Wochenende ging es
aufs Wasser», sagt die 25-jährige Line Gjertsen. In den Sommermonaten
arbeitet die Studentin als Outdoor-Guide im Fischerdorf Vik in
Øygarden, rund 35 Kilometer westlich von Bergen.
An diesem Tag steuert sie ein kleines Boot durch die Schären. Es
riecht nach Salz, Seetang und Motoröl. Vor einigen Tagen hat Gjertsen
Reusen ausgelegt. «Wir schauen nach Hummer», sagt sie - doch
Fehlanzeige. Nur ein paar Seesterne, die schnell ins Wasser
zurückbefördert werden. Dann bekommen die Gäste Angelruten. Nach und
nach füllt sich ein Plastikeimer mit Makrelen. Noch an Bord werden
sie ausgenommen, später an Land filetiert.
Vom Arme-Leute-Essen zum Kultprodukt
Was gefangen wird, wird gegessen - draußen, ohne Schnickschnack: Am
Bootshaus gibt es eine Suppe mit Makrelen, Karotten, Zwiebeln und
Sahne. Anschließend Waffeln, noch heiß vom Eisen, dazu
Erdbeermarmelade oder eine Scheibe Braunkäse.
Der süße karamellartige Molkekäse ist ein norwegisches Kultprodukt.
Früher jedoch war er ein Symbol der Not, handgefertigt aus dem, was
bei der Käseherstellung übrigblieb: Molke und Sahne - für eine Küche,
die mit wenig auskommen musste und den Menschen Improvisation
abverlangte.
Bis weit ins 20. Jahrhundert gehörte Norwegen zu den ärmsten Ländern
Europas. Fleisch war rar, Obst teuer, verwertet wurde alles, was es
gerade gab. Mit den Ölfunden in der Nordsee nach Ende der
1960er-Jahre kamen Wohlstand und Reichtum ins Land. Auch der
Braunkäse machte Karriere und fand den Weg in die Supermärkte, an den
Souvenirständen in Bryggen gibt es ihn in Herzform. 
Frisches Grünzeug ist auch heute noch teuer und der lokale Anbau
schwierig. Sternekoch Christopher Haatuft hat seine eigene Lösung
gefunden. Wenn er Gemüse oder frische Kräuter für sein Restaurant
«Lysverket» haben möchte, steigt er auf Dächer, etwa dem eines
Industriegebäudes im Bergener Stadtteil Kokstad.
Zwischen Bienenstöcken, Beeten und Regenwassertanks wächst dort auf
knapp 40 Quadratmetern, was er später in der Küche verarbeiten wird:
Salat, Zucchini und andere Sorten, alles in Bioqualität. «Wir haben
hier die besten Meeresfrüchte, aber es gibt nur wenig Ackerland,
Gemüse ist Mangelware, das meiste wird importiert», sagt Haatuft.
Dächer werden zu Gärten
Gemeinsam mit dem Landschaftsgärtner Sigurd Boasson gründete er das
Projekt MatTak - «Essbares Dach». Die Idee: ungenutzte Flächen in
grüne Gärten verwandeln. Gemüseanbau statt Kies, Wildbienen statt
Antennen. Kleine Naturbiotope, die Regenwasser speichern, Lebensraum
für Vögel und Insekten bieten und das Stadtklima verbessern.
Für Christopher Haatuft ist es mehr als eine pragmatische Lösung.
Etwa die Hälfte seines Gemüses stammt inzwischen von den Dächern;
Fisch, Fleisch und Milchprodukte liefern Produzenten aus der Region.
«Neo-Fjord» nennt er seine Küche, inspiriert von der rauen Küste, den
traditionellen Rezepten und der Idee, dem Klimawandel mit Kreativität
zu begegnen.
In einer Stadt, die vom Wasser geprägt ist, von Regen und Meer, zeigt
sich Nachhaltigkeit auch dort, wo sie niemand vermutet. Und schmecken
kann man sie auf dem Teller eben auch.
Tipps, Links, Praktisches:
Reiseziel: Mit rund 290.000 Einwohnern ist Bergen die zweitgrößte
Stadt Norwegens. Sie liegt im Westen des Landes und wird als Tor zu
den Fjorden bezeichnet. Bergen ist unter anderem Ausgangspunkt für
Ausflüge zum Hardangerfjord und Sognefjord, den längsten und
bekanntesten des Landes. 
Beste Reisezeit: Von September bis Januar gibt es viele Regentage,
was die gute Küche nicht schmälert. Die Chancen auf besseres Wetter
stehen ab Mai besser. Im Hochsommer liegen die durchschnittlichen
Tagestemperaturen zwischen 15 Grad und 25 Grad.
Anreise: Direktflüge nach Bergen unter anderem von Berlin,
Düsseldorf, Frankfurt und München. Der Flughafenshuttle Flybussen
fährt direkt ins Zentrum von Bryggen. Tickets sind deutlich
günstiger, wenn sie vorab online gekauft werden. Wer spektakuläre
norwegische Berg- und Seenlandschaft erleben möchte, kann von Oslo in
knapp sieben Stunden mit der Bahn anreisen.
Währung: 11,62 Norwegische Kronen entsprechen einem Euro (Stand:
9.10.2025). Bezahlt wird überall mit EC- oder Kreditkarte. Das
Preisniveau ist hoch.
Tipp: Die Bergen Card ermöglicht freien oder ermäßigten Eintritt zu
zahlreichen Museen, Sehenswürdigkeiten und kulturellen Einrichtungen
in Bergen. Außerdem gilt sie als Fahrkarte für Busse und die
Straßenbahn im Stadtgebiet sowie in der umliegenden Region Vestland.
Unterkunft: Im Zentrum von Bergen gibt es zahlreiche Hotels in allen
Preisklassen. In Umgebung findet man schöne Fjordhotels am Wasser. 
Touren/Aktivitäten: Ganzjährig können halb- oder ganztägige
Schiffstouren in Fjorde unter de.visitbergen.com gebucht werden (ab
umgerechnet 73 Euro pro Person). FjordExpedition bietet Angel- und
Kochtouren in Øygarden außerhalb von Bergen an. Die Tour dauert 5
Stunden und kostet rund 215 Euro, inklusiv Verköstigung, Equipment
und Shuttleservice von Bryggen. 
Gastronomie: Im «Cornelius Sjømatrestaurant» gehen Essen, vor allem
Seafood, und Entertainment Hand in Hand. Für seine kreative
Fjordküche hält das Restaurant «Lysverket» von Christopher Haatuft
einen Michelin-Stern. In uriger Wohnzimmeratmosphäre eines
Hansehauses in Bryggen speist man im «Enhjørningen Fiskerestaurant».
Kultiger Hotdog-Imbiss ist der Trekroneren, Spezialität:
Rentierbratwurst mit Röstzwiebeln und Preiselbeeren.
Weitere Informationen: visitbergen.com
# Notizblock
## Redaktionelle Hinweise
- Zu diesem Text finden Sie Bilder mit folgendem Titel im dpa
Bildangebot:
- Alf Roald Sætre
- Blick auf Bergen vom Hausberg Fløyen
- Christopher Haatuft
- Line Gjertsen
- Pochierte Auster mit gegrillter Ananas und Samtblume
- Stadtteil Bryggen in Bergen
- Stockfisch an einem Marktstand in Bergen
## Orte
- [Bergen](Bergen, Norwegen)
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Die folgenden Informationen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt
## Kontakte
- Autor/in: Bettina Hagen
- Redaktion: Stefan Weißenborn (Berlin) 030 2852 32896,
stefan.weissenborn@dpa-info.com, Fotoredaktion, +49 30 2852 32897,
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