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Datum(59) Montag, der 20.10.2025, 07:00 Uhr
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BetreffGesundheit/Schleswig-Holstein/Apotheken/Educateme/(KORR-Bericht) Wenn die Apotheke plötzlich schließt Von Sönke Möhl, dpa (Foto Produktion)
TextFieber, Schmerzen, Diabetes? Passende Medikamente kommen aus der
Apotheke. Auch wenn «Apothekerpreis» ein geflügeltes Wort ist: Viele
Inhaber klagen über finanzielle Sorgen. Nicht ohne Folgen.
Kiel/Leck (dpa/lno) - Wer hat in den vergangenen Jahren in seiner
Nähe nicht schon miterlebt, wie eine Apotheke für immer geschlossen
wurde? In Schleswig-Holstein gibt es derzeit 556 Apotheken. 2009
seien es noch 737 gewesen, sagt der Geschäftsführer des
Apothekerverbands Schleswig-Holstein, Georg Zwenke.
Der Rückgang habe sich beschleunigt. «Es ist dünn geworden, aber noch
funktioniert es», schätzt der Vorsitzende des Verbands, Hans-Günter
Lund, die aktuelle Situation ein. Er ist selbst in Leck (Kreis
Nordfriesland) Apotheker. Vom Apothekenschwund seien Städte und
ländliche Räume gleichermaßen betroffen. «Quer durch den Garten und
auch quer durch alle Betriebsgrößen.» 
Die Folgen vor allem auf dem Land sind unter anderem längere Wege für
die Patienten und eine noch höhere Belastung der Apotheker - auch mit
Notdiensten. Aber auch in Orten mit mehreren Apotheken könne schon
der Verlust einer einzelnen Apotheke Probleme bereiten, sagt Lund. 
Oftmals seien diese in der Nähe von spezialisierten Ärzten auch
entsprechend spezialisiert, etwa auf Onkologie oder Diabetologie,
erläutert Zwenke. Schließe eine Facharztpraxis oder ziehe sie weg,
könne das auch das Ende für eine solche Apotheke bedeuten. Umgekehrt
könne das Aus einer Apotheke in Facharztnähe Nachteile für Patienten
bedeuten.
Warum nimmt die Zahl der Apotheken ab?
«Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen 15 Jahren massiv
verschlechtert», sagt Lund, «so dass man auch nur schwer eine
Nachfolge bekommt». Das wirtschaftliche Risiko sei viel größer
geworden. «Sie haften persönlich mit allem, was sie haben», sagt der
65 Jahre alte Apotheker.
Vom Betriebsgewinn müssten zum Beispiel Altersversorgung und
Investitionen bestritten werden. Das in der Statistik angegebene
durchschnittliche Betriebsergebnis von 162.000 Euro (2024) erreichen
die meisten Apotheken nach Lunds Angaben nicht, manche schreiben rote
Zahlen. Er selbst arbeite etwa 60 Stunden in der Woche. So lange
Arbeitszeiten wollten viele junge Menschen nicht, denn das sei mit
den heutigen Vorstellungen von Familie kaum zu vereinbaren.
Wie ist es mit dem Sortiment neben den Rezepten? 
Der Umsatz mit nicht verschreibungspflichtigen Produkten mache nur
einen kleinen Teil der Einnahmen aus, sagt Lund, und viele Apotheker
verzichteten bewusst auf möglichen Umsatz. Denn: «Wir raten auch
gerne ab, wenn die Leute mit einem Werbeschnipsel aus der
Fernsehzeitung kommen.» Etwa bei Produkten, die nur den Herstellern
helfen, aber keinen Nutzen für die Kunden hätten.
Apotheker seien zwar eingetragene Kaufleute, aber auch Heilberufler,
sagt Zwenke. «Das ist ein Spannungsverhältnis, es geht nicht um
Geschäftemacherei um jeden Preis.» Viele Kunden seien Stammkunden,
deren Krankheitsgeschichte der Apotheker kenne. Er wisse, ob etwa das
gewünschte Melatonin zum leichteren Einschlafen einen individuellen
Nutzen habe oder im Zusammenhang mit anderen Medikamenten sogar
schaden könne.
Konkurrenz der Online-Apotheken
Der Umsatz vor allem mit nicht rezeptpflichtigen Medikamenten sei
durch die wachsende Konkurrenz der Online-Apotheken stark
zurückgegangen, sagt Lund. Diese könnten wegen der großen
Einkaufsmenge und geringerer Kosten deutlich preiswerter anbieten.
Aus Sicht des Verbandsvorsitzenden gibt es aber einen entscheidenden
Nachteil für Patienten: Es fehle die persönliche Beratung, etwa bei
Schmerzmitteln wie Paracetamol, die bei Überdosierung sehr gefährlich
sein könnten.
Wie werden rezeptpflichtige Medikamente vergütet?
Für rezeptpflichtige Arzneimittel erhalten die Apotheken eine
festgelegte Vergütung nach einem Kombimodell. Pro abgegebener
Arzneimittelpackung gibt es einen Fixzuschlag von 8,35 Euro. Dazu
kommt ein variabler Zuschlag von drei Prozent auf den
Apothekeneinkaufspreis. 
Ein großes Problem aus Sicht der Apotheker ist nach Zwenkes Angaben
der zeitliche Abstand zwischen Einkauf der Medikamente und Vergütung
durch die Krankenkasse. Die Apotheker müssen die Ware vorfinanzieren.
«Es gibt Apotheken, die zahlen für die Finanzierung 18 oder 19
Prozent Zinsen.» Dabei gehe es mitunter um große Summen. Einzelne
Medikamente könnten 100.000 Euro und mehr kosten. Nach einem Monat
Vorfinanzierung sei ein großer Teil der Vergütung bereits weg.
Wie gut ist Schleswig-Holstein mit Apotheken versorgt?
Bei der Apothekendichte steht Schleswig-Holstein im bundesweiten
Vergleich schon jetzt nicht gut da. Je 100.000 Einwohner gab es Ende
2024 noch 19 Apotheken. Die höchste Apothekendichte (23 oder mehr)
haben der Kreis Ostholstein sowie die Städte Kiel und Neumünster. Im
Mittelfeld (20 bis 22) liegen die Kreise Nordfriesland,
Schleswig-Flensburg und die Stadt Flensburg. Alle anderen Kreise und
Städte liegen darunter.
Eine geringere Apothekendichte als in Schleswig-Holstein gibt es nur
in Bremen (18). Die meisten Apotheken je 100.000 Einwohner haben
Sachsen-Anhalt (26) und das Saarland (25). In Hamburg kamen Ende
vergangenen Jahres 19 Apotheken auf 100.000 Einwohner. Der
EU-Durchschnitt liegt bei 31 Apotheken je 100.000 Menschen. Die
Spanne reicht von 101 in Griechenland bis 9 in Dänemark.
Nach Einschätzung von Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin
Kerstin von der Decken (CDU) gelingt den Apotheken im Land derzeit
eine bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung. «Dennoch beobachten die
für die Notdienstplanung zuständige Apothekerkammer sowie das
Gesundheitsministerium die Entwicklung fortlaufend.»
Wann wird es kritisch?
Wenn die Versorgung nicht mehr gewährleistet ist, müsse als letzte
Option nach dem Apothekengesetz die betroffene Gemeinde eine
Notapotheke einrichten, sagt Zwenke. «Die Gemeinde trägt dann auch
das wirtschaftliche Risiko.» Auf der Insel Helgoland wäre diese
Situation beinahe einmal eingetreten. Auf Föhr gab es mal drei
Apotheken, jetzt sind es noch zwei. 
«Die Luft wird dünner», so Zwenke. Aber: «Es gibt keinen Fahrplan,
keine Checkliste», ergänzt Lund. Zunächst würde die Apothekerkammer
versuchen, etwas zu organisieren, etwa mit einer Rezeptsammelstelle.
Letztlich stehe aber der Bürgermeister in der Pflicht.
Von der Decken verweist auf die Möglichkeit der Zulassung von
Zweigapotheken durch die Apothekenaufsicht im Landesamt für
Arbeitsschutz, Soziales und Gesundheit. Ein Beispiel dafür sei die
Insel Pellworm. 
Was fordert der Apothekenverband?
«Wir brauchen eine Stärkung der Wirtschaftlichkeit», sagt Zwenke.
Seit 2013 habe es keine Steigerung der Honorare mehr gegeben. Die
Kosten seien gleichzeitig stark gestiegen, etwa um fast 79 Prozent
beim Personal. Die Sachkosten seien heute um gut 47 Prozent höher. 
Gleichzeitig seien die Einnahmen der gesetzlichen
Krankenversicherungen um mehr als 72 Prozent gestiegen. Der
Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin sieht eine Steigerung des
Festbetrags pro Packung auf 9,50 Euro vor. Das reiche aber nicht aus,
sagt Zwenke.
Auch die Landesregierung sieht nach Angaben der Ministerin die
Notwendigkeit für eine Anpassung, die seit längerer Zeit
ausstehe. Die Entscheidung über Apothekenvergütungen und
Honorarstrukturen bei pharmazeutischen Dienstleistungen werde auf
Bundesebene gefällt. 
«Wir haben uns daher als Land im Bundesrat und auf der
Gesundheitsministerkonferenz dafür eingesetzt, die Rahmenbedingungen
für Apotheken zu verbessern, damit auch zukünftig die
Arzneimittelversorgung in Flächenländern wie Schleswig-Holstein
sichergestellt werden kann», so von der Decken.
In Lunds Heimatstadt Leck gibt es noch zwei Apotheken. Er selbst
möchte noch fünf Jahre arbeiten. Ob er dann einen Nachfolger in der
nordfriesischen Stadt findet, ist offen.
# Notizblock
## Redaktionelle Hinweise
- Zu diesem Text finden Sie Bilder mit folgendem Titel im dpa
Bildangebot:
- Apotheker-Verband Schleswig-Holstein
- Kerstin von der Decken
## Orte
- [Apothekenverband Schleswig-Holstein](Steekberg 11, 24107 Kiel,
Deutschland)
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Die folgenden Informationen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt
## Kontakte
- Autor/in: Sönke Möhl (Kiel), +49 171 5533333, moehl.soenke@dpa.com
- Redaktion: Christine Cornelius (Berlin), +49 30 2852
30002,deutschland-desk@dpa.com, Foto: Newsdesk, +49 30 2852 31515,
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