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Datum(125) Freitag, der 17.10.2025, 04:00 Uhr
IDbdt0029 4 vm 1782 dpa 0140
BetreffWissenschaft/Gesundheit/Medizin/Gesellschaft/Soziales/Deutschland/(Fragen & Antworten - Zum Welt-Menopausetag 18. Oktober - Wiederholung vom 12.10.) Hormon-Tango der Extreme - Mythen und Medizin der Wechseljahre Von Annett Stein, dpa (Foto Archiv)
TextHitzeflash, Wutanfall, Watte im Gehirn: Die Symptome der Wechseljahre
können ganz unterschiedlich sein - und extrem heftig. Macht es Sinn,
generell mit Hormonen nachzubessern?
Berlin (dpa) - Mythen, Unsicherheiten, längst überholte Annahmen: In
kaum einem Gesundheitsbereich gibt es das so sehr wie beim Thema
Wechseljahre. Ganz besonders gilt das für die Menopausale
Hormontherapie, oft noch Hormonersatztherapie genannt, die Frauen mit
erheblichen Wechseljahresbeschwerden helfen soll. Ein Überblick:
Menopause, Wechseljahre - was ist das genau?
Die menopausale Transition beschreibt den Übergang von der
reproduktiven Lebensphase zur dauerhaften Unfruchtbarkeit der Frau
und ist mit deutlichen hormonellen Veränderungen verbunden.
Wechseljahre oder Klimakterium sind Begriffe für die gesamte
Übergangsphase, die meist 10 bis 15 Jahre dauert. Derzeit sind in
Deutschland etwa neun Millionen Frauen in den Wechseljahren, wie es
von der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG) heißt.
Oft wird der Begriff anders verwendet, tatsächlich bezeichnet
«Menopause» aber ausschließlich den Zeitpunkt der letzten
Menstruationsblutung und wird rückblickend bestimmt, wenn zwölf
Monate keine Periode mehr aufgetreten ist. Im Mittel tritt die
Menopause im Alter von 51 Jahren ein. Der bereits vor der Geburt
angelegte Eizellenvorrat ist dann erschöpft. Dieser Zeitpunkt blieb
unverändert, auch wenn Frauen heute im Mittel deutlich länger leben
und mit 50 meist noch deutlich fitter sind als ihre Altersgenossinnen
vor 50 oder 100 Jahren.
Wie läuft das ab?
«Die meisten Frauen denken, dass sie noch keine Wechseljahressymptome
haben, solange ihre Periode halbwegs pünktlich kommt», sagt
DMG-Präsidentin Katrin Schaudig. Doch schon mit Ende 30 oder Anfang
40 können erste Zyklusveränderungen und Beschwerden wie
Stimmungsschwankungen auftreten - erste Anzeichen der beginnenden
Wechseljahre.
In der sogenannten Perimenopause, meist zwischen 45 und 50 Jahren,
wird der Zyklus zunehmend unregelmäßig, es kommt zu Zwischenblutungen
und längeren Blutungspausen. Schwankungen beider zyklusbestimmender
Hormone (Progesteron und Östrogen) prägen diese Phase. «Das sind dann
Springfluten und Tsunamis beim Hormonlevel statt Ebbe und Flut wie
zuvor im Zyklus», sagt Schaudig. Es könne zu psychischen Problemen
kommen. Gegen Ende der Perimenopause sinkt der Östrogenspiegel
deutlich. Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen häufen
sich.
Die Postmenopause nach der Menopause ist von zunehmend niedrigen,
aber stabileren Spiegeln beider Sexualhormone geprägt. Das Risiko für
Herz-Kreislauf- und Knochenerkrankungen erhöht sich, auch andere
Langzeitfolgen wie Veränderungen der Haut, Schleimhaut und
Körperzusammensetzung sind typisch.
In jeder Phase sind Symptome und Beschwerdeniveau individuell sehr
verschieden, wie Experten betonen. Zudem halten die Probleme meist
nicht stetig an, sondern flammen periodisch auf. Jeweils etwa ein
Viertel der Frauen hat starke, nur leichte, zeitweise deutliche oder
gar keine Beschwerden, wie Olaf Ortmann von der Universitätsklinik
für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Regensburg sagt.
Zudem haben die Wechseljahre eine höchst unangenehme Eigenart: «Je
früher die Symptome einsetzen, desto länger halten sie meist an»,
erklärt Ortmann. «Es kann drei Jahre dauern - aber auch 15 Jahre.»
Manchmal gebe es bestimmte Symptome in abgeschwächter Form sogar
lebenslang. «Hitzewallungen sind - extrem selten - auch noch mit 80
möglich.»
Wechseljahre oder Alterung - lässt sich das für jedes Symptom klar
unterscheiden?
Nein. Als klassisches mit Änderungen des Hormonspiegels
zusammenhängendes Symptom gelten Hitzewallungen, verbunden mit
heftiger Schweißbildung, vor allem nachts. Im Mittel haben Frauen in
den Wechseljahren mehr als sieben Jahre lang häufig - an mehr als
sechs Tagen innerhalb der letzten zwei Wochen - Hitzewallungen, wie
es in der von Fachgesellschaften erarbeiteten Leitlinie «Peri- und
Postmenopause - Diagnostik und Interventionen» heißt.
Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Ängste,
sexuelle Probleme und Gelenkbeschwerden sind Symptome, die
verschiedene Ursachen haben können, bei denen sich aber Schaudig
zufolge eine Häufung und Verstärkung in den Wechseljahren zeigt.
In ihrem Buch «Woman on fire» nennt die Frauenärztin Sheila de Liz
auch Depressionen, Wutanfälle, Haarverlust, juckende Haut oder
mysteriöse Ekzeme, Kopfschmerzen, häufige Blasenentzündungen,
nächtlichen Harndrang, Hörverlust, Gewichtszunahme und
Schwindelanfälle als mögliche Wechseljahressymptome.
Vielfach lasse sich nicht klar sagen, was speziell auf die
Wechseljahre zurückgehe - die zudem letztlich selbst auch ein Teil
des natürlichen Alterungsprozesses seien, sagt der
Leitlinienkoordinator Ortmann. Auch Stress und Belastung im Alltag
spielen demnach für die Ausprägung von Symptomen eine große Rolle -
und können gerade bei Frauen um die 50 erheblich sein.
Stark betroffen sind Experten zufolge oft sozial benachteiligte
Frauen, die unter großem Druck stehen und wenig Chancen haben, sich
selbst Wohlbefinden und Freiräume zu schaffen. Dazu passt, dass
Wechseljahresbeschwerden Studien zufolge in Gesellschaften, in denen
ältere Menschen hohes Ansehen genießen - also bei Frauen mit eher
großem Wohlbefinden, kaum oder gar keine Rolle spielen.
Schafft mehr Klarheit, wenn ich meinen Hormonstatus bestimmen lasse?
Nicht generell. In der Perimenopause schwankt der Hormonstatus stark
- Experten zufolge teils um das 20-fache - und gibt den Stand
innerhalb der Wechseljahre darum nicht gut wieder. «Die verschiedenen
Phasen des menopausalen Übergangs können überwiegend anhand
klinischer Kriterien diagnostiziert werden», heißt es in der
derzeitigen Leitlinie. «Hormonbestimmungen sind in der Regel nicht
erforderlich.»
Bei bestimmten Problemen wie Herzrasen, erhöhtem Blutdruck oder
depressiven Verstimmungen könne es aber durchaus sinnvoll sein, den
Hormonstatus mit in den Blick zu nehmen, sagt Ortmann. Immer wieder
bekommen Frauen mit Schlafproblemen ein Schlafmittel und mit
Stimmungstief ein Antidepressivum verschrieben oder landen mit
Gelenkschmerzen beim Orthopäden oder Rheumatologen, ohne dass an die
Wechseljahre gedacht wird.
Was kann ich tun?
Experten betonen, dass sich Beschwerden gut über Ernährung, Sport,
achtsames Verhalten und gezielte Entspannungsübungen vermindern
lassen. «Es gibt viele Dinge, die man selbst tun kann», sagt Ortmann.
Bei Hitzewellen könne es zum Beispiel schon helfen, die
Raumtemperatur im Schlafzimmer zu senken. Auch pflanzliche Mittel
würden von vielen Nutzerinnen als hilfreich bewertet.
«Wenn erhebliche Symptome vorhanden sind, ist mit pflanzlichen
Mitteln aber nicht viel zu bewirken», betont Ortmann. Gerade
Hitzewallungen alle paar Stunden oder wochenlang anhaltender
Schlafmangel könnten derart quälend sein, dass Lebensqualität und
Arbeitsfähigkeit erheblich leiden. Manche Frauen gingen deswegen
sogar früher als geplant in Rente, sagt Schaudig. Mit der richtigen
Hormontherapie ließe sich das vielfach vermeiden. «Die Lebensqualität
vieler Frauen ist unnötig schlecht.»
Die Wirksamkeit der Menopausalen Hormontherapie (MHT) ist demnach
gerade bei Hitzewallungen und Schlafproblemen hoch. Der Begriff ist
noch recht neu, über Jahrzehnte war die Behandlung als
Hormonersatztherapie (HRT) bekannt. Die neue Bezeichnung soll den
normalen Hormonabfall in den Wechseljahren stärker in den Fokus
rücken und das Missverständnis vermeiden, es müssten Hormone ersetzt
werden, die eigentlich da sein sollten, wie Ortmann erklärt. Das sei
zum Beispiel bei einer Schilddrüsenunterfunktion der Fall, aber eben
nicht bei den Wechseljahren.
Zum Einsatz kommt in Deutschland überwiegend über die Haut
verabreichtes Östradiol, um Symptome abzumildern. Ergänzend wird oft
Progesteron als Kapsel verschrieben, um die Schleimhaut der
Gebärmutter vor übermäßiger Wucherung durch Östrogene zu schützen.
Zudem können damit Schlafstörungen gemildert werden.
Bekomme ich davon nicht Brustkrebs?
Die verbreitet große Sorge, dass die Hormontherapie das
Brustkrebsrisiko deutlich vergrößert, geht unter anderem auf die 2002
veröffentlichte WHI-Studie (Women's Health Initiative) zurück. Die
Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil bei einer Teilgruppe ein
leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko festgestellt wurde.
Bei den Teilnehmerinnen handelte es sich vor allem um ältere Frauen
nach den Wechseljahren, die oral verabreichte Östrogene in
Kombination mit einem bestimmten Gestagen bekamen. Nachfolgende
Auswertungen zeigten, dass bei frühzeitigem Therapiebeginn - maximal
zehn Jahre nach der Menopause beziehungsweise im Alter von maximal 60
- die günstigen Effekte die potenziellen negativen Folgen oft
übertreffen.
«Bei einer adäquaten Therapie sind die Risiken vergleichsweise
gering», betont Ortmann. Eine Fehlinterpretation der WHI-Ergebnisse
sorgte jedoch dafür, dass die davor sehr breitflächig genutzte
Hormontherapie jahrzehntelang deutlich weniger verschrieben wurde.
Noch immer gebe es Ärzte, die - auch wegen des hohen
Beratungsaufwands - sehr zögerlich mit Verschreibungen seien, sagt
Schaudig. «Allerdings auch solche, die das sehr leichtfertig geben.»
Seit der WHI-Studie gab es Experten zufolge weniger Forschung auf dem
Gebiet - was ein Grund dafür ist, dass viele Zusammenhänge nur
vermutet werden, aber nicht als gesichert gelten. Zum Beispiel gebe
es, von Brustkrebs abgesehen, kaum belastbare Informationen zu
Wechselwirkungen der Hormontherapie mit bestehenden Erkrankungen. Die
voraussichtlich bis Ende des Jahres abgeschlossene Überarbeitung der
Leitlinie unter Koordination von Vanadin Seifert-Klauss von der
Technischen Universität München wird MHT bei vorbestehenden
Erkrankungen als neues Kapitel mit aufnehmen.
Gibt es positive Langzeiteffekte der MHT über die verminderten
Symptome hinaus?
Ja. Nachweislich sinke durch eine Menopausale Hormontherapie das
Risiko für Osteoporose sowie für koronare Herzkrankheiten und
Herzinfarkte, erklärt Ortmann. Für einen Zusammenhang mit einem
verminderten Diabetesrisiko gibt es Hinweise, aber bisher keinen
klaren Nachweis.
Lebe ich mit Hormontherapie länger?
Nein, sagt Ortmann. Studien zeigten keinen damit verbundenen Anstieg
der Lebenserwartung - was daran liegen könnte, dass sich Nutzen und
Risiken im Mittel langfristig ausgleichen. Auch Hinweise auf ein
vermindertes Demenzrisiko lassen sich aus den bisherigen Daten nicht
ableiten. Womöglich ermöglicht die Therapie aber ein Seniorinnenleben
mit weniger Beschwerden und Alterserscheinungen, wie es von Experten
heißt.
Sollten dann nicht alle Frauen eine Hormontherapie machen?
Tatsächlich gibt es Bücher und Beiträge zum Thema, die das
propagieren. Tendenziell vermitteln sie den Eindruck, dass es dumm
wäre, dieses Zaubermittelchen gegen unzählige Leiden nicht zu nehmen
und freiwillig zur dauertraurigen Dörrpflaume zu werden.
Die Haare bleiben länger schön und die Haut wirft weniger Falten - so
mancher Frau mag das sogar wichtiger sein als verminderte
Krankheitsrisiken. Doch als Lifestyle-Produkt tauge die
Hormontherapie nicht, warnen Fachleute wie Schaudig und Ortmann. Von
einer generellen, rein prophylaktischen Hormontherapie sei absolut
abzuraten. Die Risiken seien ernstzunehmen.
Schwerwiegendere Risiken sind Ortmann zufolge vor allem bei
Bluthochdruck sowie bestimmten bestehenden Herzkreislauf- und
Tumorerkrankungen bekannt. Betroffenen werde in den meisten Fällen
von einer Hormontherapie abgeraten.
Aber sollen bioidentische Hormone nicht komplett harmlos sein?
Das ist in manchen Foren und Beiträgen zwar zu lesen, ist aber
falsch. Beim Begriff «bioidentisch» werde vielfach angenommen, dass
es sich um eine natürliche Substanz handle, erklärt Ortmann. Gemeint
sei aber nur, dass der Wirkstoff dem im menschlichen Körper
produzierten Östrogen strukturell gleicht oder identisch ist.
Strukturell etwas verschieden sind hingegen die sogenannten equinen
Östrogene, die aus Stutenurin hergestellt werden. «Sie sind nicht
schlechter als die bioidentischen und haben bei gleichem Einnahmeweg
auch keine höheren oder anderen Risiken», betont Ortmann.
Einen Unterschied macht Experten zufolge vor allem, ob die Wirkstoffe
als Tablette oder über die Haut - per Gel, Pflaster oder Spray -
verabreicht werden. Mit der transdermalen Aufnahme werde eine erste
Verarbeitung in der Leber vermieden, der sogenannte
First-Pass-Effekt: Eine orale Östrogengabe fördert dort die Bildung
von Gerinnungsfaktoren, was wiederum das Risiko venöser Thrombosen
und Schlaganfälle erhöht, wie Ortmann erklärt.
Allerdings gilt auch für andere Prozesse, dass die über die Leber
vermittelten Effekte stärker sind - womöglich auch für die
erwünschten Wirkungen, wie Experten zu bedenken geben. In der Summe
fallen zwar die Langzeit-Nebenwirkungen geringer aus als bei
Tabletten - aber vermutlich auch die Wirkung etwa auf das
Osteoporose-Risiko, wird befürchtet.
Wie lange nehme ich die Hormone?
Meist werde eine Menopausale Hormontherapie für einige Jahre gegeben,
sagt Ortmann. Die Therapie solle so lange durchgeführt werden, wie
sie mit Blick auf moderate oder schwere Wechseljahressymptome
erforderlich sei. Die Grenze sei Abwägungssache, meint Schaudig, die
zusammen mit der Moderatorin Katrin Simonsen den MDR-Podcast
«Hormongesteuert - Der Wechseljahre-Podcast» gestaltet, aus dem das
Buch «Hot Stuff - Wechseljahre-Wissen to go» hervorging. Von manchen
werde die Therapie lange weitergeführt, manchmal bis zur Rente -
auch, weil Symptome nach dem Absetzen wieder stärker werden können.
# Notizblock
## Redaktionelle Hinweise
- Zu diesem Text finden Sie Bilder mit folgendem Titel im dpa
Bildangebot:
- Mythen und Medizin der Wechseljahre
- Schlafstörungen
## Internet
- [S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause - Diagnostik und
Interventionen](https://dpaq.de/qkEM1Av)
- [Verlag zum Buch «Hot Stuff - Wechseljahre-Wissen to go», Dr. med.
Katrin Schaudig, Katrin Simonsen](https://dpaq.de/IeqhVgp)
- [Verlag zum Buch «Woman on Fire - Alles über die fabelhaften
Wechseljahre», Dr. med. Sheila de Liz](https://dpaq.de/or1Bc)
- [Informationen zum MDR-Podcast «Hormongesteuert - Der
Wechseljahre-Podcast»](https://dpaq.de/YZBYqXp)
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