Doppelschlag gegen Tumoren |
Theo Dingermann |
01.11.2023 15:00 Uhr |
Die Aktivierung des Fas-Rezeptors könnte Krebszellen in den Zelltod treiben und die Wirksamkeit einer CAR-T-Zelltherapie verbessern. / Foto: Getty Images/Dr_Microbe
CD95 ist der systematische Name eines wichtigen Rezeptors, der zur Gruppe der sogenannten Todesrezeptoren gehört. Dieser Rezeptor, der auch als Fas-Rezeptor bezeichnet wird, induziert beispielsweise im Immunsystem den programmierten Zelltod, wenn er durch den spezifischen Fas-Liganden (FasL) einer anderen Zelle aktiviert wird. Dies ist etwa bei der natürlichen Selektion von T-Lymphozyten im Thymus oder der Elimination von virusinfizierten Zellen der Fall.
Fas-Rezeptoren könnten auch als Waffe gegen Krebs eingesetzt werden. Die Forschung hierzu hat jedoch bisher nicht zu nennenswerten Erfolgen geführt – auch deshalb nicht, weil der Fas-Rezeptor nicht ausschließlich Apoptose induziert, sondern etwa auch den Transkriptionsfaktor NF-κB und die Proteinkinase MAPK aktiviert und dadurch Signale vermitteln kann, die Zellen zur Proliferation und Differenzierung anregen.
Jetzt hat ein Team um Dr. Tanmoy Mondal aus der Abteilung für medizinische Mikrobiologie und Immunologie am Comprehensive Cancer Center der University of California Davis ein äußerst kritisches Epitop für das zytotoxische Fas-Signaling in Richtung Apoptose identifiziert. Diese Daten sind kürzlich im Fachjournal »Cell Death & Differentiation« erschienen.
Die Forschenden identifizierten mittels komplexer experimenteller Ansätze eine Stelle auf der Fas-Oberfläche, die in der Zelle den programmierten Zelltod induzieren kann. Diese Entdeckung könnte eine Tür für verbesserte Krebsbehandlungen öffnen, beispielweise dadurch, dass für die identifizierte Stelle des Fas-Rezeptors aktivierende Liganden entwickelt werden könnten.
Entsprechend optimistisch äußern sich die Autoren im Nachrichtenportal »SciTechDaily«. »Wir haben das kritischste Epitop für das zytotoxische Fas-Signaling gefunden«, sagt Professor Dr. Jogender Tushir-Singh, der Seniorautor der Studie. »Frühere Versuche, diesen Rezeptor ins Visier zu nehmen, waren erfolglos. Aber jetzt, da wir dieses Epitop identifiziert haben, könnte es einen therapeutischen Weg geben, um den Fas-Rezeptor in Tumoren anzusteuern.«
Die Autoren spekulieren zudem über synergistische Therapieoptionen, die das Selbsttötungsprogramm von Zellen über Fas-Rezeptoren aktivieren könnten. Derartige Optionen sind vor allem hilfreich – wenn nicht gar erforderlich –, wenn teils äußerst heterogen zusammengesetzte Tumore therapiert werden sollen. Dazu zählen unter anderem Eierstockkrebs, dreifach negativer Brustkrebs sowie Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Hier bringen die Forschenden die Therapie mit autologen T-Zellen ins Spiel, die in vitro mit einem artifiziellen T-Zell-Rezeptor ausgestattet wurden. CAR-T-Zelltherapien konnten bei soliden Tumoren bisher allerdings noch nicht ihr Potential zeigen. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Zum einen ist in dem dichten Zellverband eines soliden Tumors schlichtweg kein Platz vorhanden, um die einzelnen Tumorzellen mithilfe eines CAR-T-Zellansatzes an bestimmten Stellen anzugreifen. Hier könnte eine initiale Wirkung des Fas-vermittelten Angriffs auf Tumorzellen helfen: Dieser könnte durch Apoptose den Zelltod herbeiführen und – so die Hypothese der Forschenden – Lücken schaffen, in die die CAR-T-Zellen eindringen können, um ihrerseits Tumorzellen zu eliminieren.
Zum anderen tragen in komplex heterogenen Tumoren nicht alle Tumorzellen das Antigen, gegen das der artifizielle T-Zell-Rezeptor der CAR-T-Zellen gerichtet ist. Diese Zellen entkommen dem Angriff der CAR-T-Zellen, werden dann aber mit dem zweiten Ansatz über das Fas-Signaling konfrontiert. Dies wird als Bystander-Effekt bezeichnet.
Konkret könnte ein Fas-Rezeptoragonist einen CAR-T-Bystander-Effekt erzeugen, indem er auch diejenigen Krebszellen in den Zelltod treibt, die das Antigen verloren haben, gegen das der artifizielle T-Zell-Rezeptor der CAR-T-Zellen gerichtet ist. Mit anderen Worten: Die Aktivierung des Fas-Rezeptors könnte Krebszellen eliminieren und die Wirksamkeit einer CAR-T-Zelltherapie verbessern – gewissermaßen ein Doppelschlag gegen den Tumor.