| Theo Dingermann |
| 19.11.2025 09:00 Uhr |
Neuronen teilen sich nicht. Das stellt momentan noch eine große Hürde für die therapeutische Anwendung der Genschere CRISPR/Cas9 dar. / © Adobe Stock/solvod
Die Genomeditierung mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie ist zwischenzeitlich in der Klinik angekommen. Bislang stellt es jedoch noch eine große Herausforderung dar, die Genschere therapeutisch bei neurologischen Erkrankungen anzuwenden. Ein Grund hierfür ist, dass Nervenzellen sich nicht teilen. Standardmechanismen, über die eine Reparatur von DNA-Brüchen erfolgt, sind in diesen Zellen weitgehend inaktiv. Welche alternativen Reparaturwege stattfdessen dominant sind, hat nun ein Team um Gokul N. Ramadoss von den Gladstone Institutes in San Francisco untersucht und die Ergebnisse im Fachblatt »Nature Communications« publiziert.
Die Forschenden nutzten für ihre Untersuchungen humane induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC), die zu postmitotischen Neuronen oder zu nicht teilenden Kardiomyozyten und T-Zellen ausdifferenziert wurden. An diesen Zellen analysierten die Autoren, wie Cas9-vermittelte Doppelstrangbrüche (DSB) repariert werden. Sie beobachteten, dass die Reparatur in den Neuronen und anderen sich nicht teilenden Zellen verglichen mit sich teilenden Zellen langsam und prolongiert ablief, sodass die DNA-Schäden über Wochen bestehen blieben. Die Cas9-Proteinmenge blieb in Neuronen ungewöhnlich lange detektierbar, was zu wiederholtem Schneiden und einem langsamen Anstieg von Insertionen (Indels) führte.
Deutlich dominierte in sich nicht teilenden Zellen die nicht homologe Reparatur (NHEJ). Hierbei entstehen regelmäßig durch Auffüllen oder Abschneiden der überhängenden DNA-Einzelstränge an den Bruchstellen kleinere Insertionen und Deletionen. Die Verteilung und die Art der Indels unterschieden sich signifikant zwischen Neuronen/Kardiomyozyten und teilungsfähigen iPSC, wobei in Neuronen kleine Deletionen überwogen.
Zudem verursachten CRISPR/Cas9-induzierte DSB in Neuronen eine ausgeprägten Hochregulation von DNA-Reparaturgenen. Darunter waren auch Faktoren, die üblicherweise nur in der S-Phase des Zellzyklus exprimiert werden, in der die DNA-Replikation stattfindet. Das deutet darauf hin, dass Neuronen als Reaktion auf DNA-Schäden einen ungewöhnlich breiten Katalog an Reparaturfaktoren aktivieren.
Die Forschenden testeten verschiedene Ansätze, um die Reparaturprozesse spezifisch und zeitlich flexibel zu modulieren. Dies gelang etwa durch eine Hemmung des Enzyms Ribonukleotid-Reduktase und durch eine Hemmung von Reparaturgenen durch RNA-Interferenz.
Daraus könnten sich eines Tages therapeutische Ansätze ableiten lassen, wie Studienleiter Professor Dr. Bruce Conklin vom Gladstone Institut in einer Mitteilung erklärt: »Unsere Erkenntnisse könnten einen großen Einfluss darauf haben, wie Geneditierungstherapien konzipiert werden.« Um sicherzustellen, dass Genomeditierungen zu den gewünschten Ergebnissen führen, müsse man verstehen und kontrollieren, wie die DNA der Zelle nach dem Schneiden repariert wird. Diese DNA-Reparaturmechanismen seien insbesondere in sich nicht teilenden Zellen noch wenig erforscht.