Digitoxin – besser als sein Ruf? |
Johanna Hauser |
04.09.2025 11:00 Uhr |
Die Herzinsuffizienz zählt zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland. / © Adobe Stock/Zerbor
Laut einem Bericht der Deutschen Herzstiftung zählt die Herzinsuffizienz (HI) mit 37.570 Fällen im Jahr 2024 zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland. Nach der nationalen Versorgungsleitlinie zur chronischen Herzinsuffizienz (2023) erfolgt die Behandlung bei reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) mit Hemmern des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), β-Blockern, SGLT2-Inhibitoren und Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonisten. Die Therapie kann mit einer Kombination der vier Gruppen erfolgen und sollte möglichst frühzeitig begonnen werden. Je nach Ausprägung sollten Diuretika und/oder Ivabradin ergänzt werden. Auch Digoxin und Digitoxin können in bestimmten Fällen zusätzlich zum Einsatz kommen.
Herzglykoside steigern die Kontraktionskraft des Herzmuskels und senken die Herzfrequenz, weshalb sie schon lange als HI-Therapeutika eingesetzt werden. Sie können allerdings Herzrhythmusstörungen verursachen und haben eine geringe therapeutische Breite. Sie sind daher – sowie durch neuere Therapieoptionen – in den Hintergrund gerückt. Zudem zeigte die DIG-Studie von 1997 keine Vorteile bezüglich der Mortalität unter Digoxin. Eine post-hoc-Analyse aus dem Jahr 2006 zeigte jedoch, dass der Arzneistoff die Mortalität und Krankenhausaufenthalte bei Herzinsuffizienz reduzieren kann.
In der aktuellen DIGIT-HF-Studie wurde das Thema »Herzglykoside« neu beleuchtet. Ein internationales Forschungsteam um Udo Bavendiek von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) untersuchte vor dem Hintergrund der aktuellen Therapiemöglichkeiten den Zusatznutzen von Herzglykosiden – mit Fokus auf Digitoxin. Die Auswertung der Daten, die nun im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurden, weisen auf einen signifikanten positiven Effekt bei der Behandlung von Herzinsuffizienz mit dem Herzglykosid hin.
In die Studie, die zwischen Mai 2015 und September 2023 stattfand, wurden 1212 Personen mit einer HI im Stadium III oder IV (Klassifikation nach der New York Heart Association) und einer LVEF ≤ 40 Prozent eingeschlossen, ebenso Patienten mit einer HI im Stadium II und einer LVEF ≤ 30 Prozent. Die Teilnehmer wurden randomisiert. 613 erhielten Digitoxin in einer Startdosis von 0,07 mg einmal täglich, 599 Placebo – jeweils zusätzlich zur vorhandenen Therapie. Die Blutspiegel wurden nach sechs Wochen kontrolliert und die Digitoxin-Dosis gegebenenfalls angepasst (individuelle Dosis zwischen 0,05 und 0,1 mg täglich).
Die Ausgangstherapie war in beiden Gruppen ähnlich, die meisten Patienten erhielten β-Blocker, gefolgt von Aldosteronantagonisten, Neprilysininhibitoren, ACE-Hemmern, SGLT2-Inhibitoren und Sartanen. Die meisten Patienten trugen einen Kardioverter-Defibrillator oder einen Schrittmacher. Der primäre Endpunkt war der Tod oder eine Krankenhauseinweisung aufgrund einer Dekompensation der Herzinsuffizienz. Der mediane Beobachtungszeitraum betrug drei Jahre.
In der Digitoxin-Gruppe trat bei 242 Personen (39,5 Prozent) einer der beiden primären Endpunkte ein, in der Placebo-Gruppe bei 264 Personen (44,1 Prozent). Die berechnete Hazard Ratio lag bei 0,82, was einem signifikanten Unterschied entspricht. In der Verum-Gruppe verstarben 167 Personen gegenüber 177 in der Placebogruppe. Ins Krankenhaus eingewiesen wurden 172 Personen der Interventions- und 182 Personen der Kontrollgruppe. Nebenwirkungen traten sehr selten auf und lagen bei 4,7 Prozent in der Digitoxin- und 2,8 Prozent in der Placebo-Kohorte. Die günstige Wirkung von Digitoxin hielt auch nach der medianen Behandlungsdauer von 18 Monaten eine Weile an.
»Richtig dosiert ist Digitoxin eine sichere Therapie bei Herzinsuffizienz und eignet sich auch zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern, wenn Beta-Blocker allein nicht ausreichen«, betont Professor Dr. Bavendiek in einer Pressemitteilung der MHH. Die Forscher weisen aber darauf hin, dass die Ergebnisse weder auf andere Herzglykoside übertragbar noch zu verallgemeinern sind. Ebenso sind auftretende Komplikationen schwerlich auf die Digitalis-Behandlung zurückzuführen, können diese auch Zeichen eines generellen Therapieversagens sein.