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Medikationsplan
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Digital falsch ist nicht besser als analog falsch

Die Digitalisierung kann Abläufe und den Informationsfluss auch im Gesundheitswesen vereinfachen – aber nur, wenn die Voraussetzungen stimmen. Das wurde bei einer Diskussionsrunde auf der Messe für Digitalisierung im Gesundheitswesen DMEA in Berlin deutlich.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 27.04.2022  17:00 Uhr

Ein zentrales Instrument für die Sicherstellung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ist der Medikationsplan, auf den seit Oktober 2016 alle gesetzlich versicherten Patienten mit chronischer Anwendung von mindestens drei Arzneimitteln ein Anrecht haben. Meist ist die Medikation eines Patienten aber häufigen Wechseln unterworfen, beispielsweise infolge von Rabattverträgen. »Deshalb ist der ausgedruckte Medikationsplan eigentlich häufig schon veraltet, sobald der Patient die Arztpraxis verlässt«, sagte Professor Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Arzneimittel der ABDA, am gestrigen Dienstag auf einer Podiumsdiskussion auf der Digital-Messe DMEA.

Es sei ein Geburtsfehler des Medikationsplans gewesen, dass nur der Arzt ihn erstelle und Apotheker lediglich aktualisieren könnten, erinnerte Schulz. Besser wäre es, wenn beide Heilberufe gemeinsam die Verantwortung für den Plan übernähmen – und auch dafür honoriert würden. Dass das gut funktioniere und den Patienten direkt zugute komme, zeigten die Erfahrungen mit der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN). Weitere Erkenntnisse aus ARMIN seien: Es fehle immer mindestens ein Arzneimittel auf dem Plan, das der Patient vergessen habe anzugeben, und ein Medikationsplan müsse dem Patienten erklärt werden.

Enge Einbindung der Apotheker

»Wir brauchen eine abgestimmte AMTS-Prüfung, die am Ende einen vollständigen, aktuellen und für den Patienten verständlichen Medikationsplan hervorbringt«, fasste Schulz zusammen. Ob dieser Plan dann digital oder analog vorliege, sei letztlich gleichgültig. Wichtig sei, dass er stimme und der Patient ihn anzuwenden verstehe.

Letzteres sah auch Dr. Siiri Doka, Referatsleiterin für Gesundheits- und Pflegepolitik der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Selbsthilfe, als entscheidend an. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass die Anwendung unkompliziert möglich sei. Das sei momentan leider noch nicht so.

Es gebe verschiedene Patientengruppen; einige könnten mit digitalen Produkten wie dem elektronischen Medikationsplan gut umgehen und wüssten dessen Vorteile zu nutzen, andere bräuchten den Plan ausgedruckt. So könneein E-Medikationsplan etwa für Chroniker mit vielen Arzneimitteln in Daueranwendung oder Patienten mit seltenen Erkrankungen hilfreich sein, während ältere Menschen damit eher Schwierigkeiten hätten. »Momemten haben wir aber den Eindruck, dass viele Ärzte beim Umgang mit dem Medikationsplan ihren eigenen Stil haben und nicht so sehr auf die Patienten und ihre Bedürfnisse eingehen«, bemerkte Doka.

»Nicht alles geht digital«

Die Digitalisierung müsse für den Arzt als Leistungserbringer einen Mehrwert haben, sonst bekämen die Patienten sie schlicht nicht angeboten. »Das gilt aber nicht nur für den Arzt, sondern für alle am Prozess Beteiligten«, betonte Matthias Meierhofer aus dem Vorstand des Bundesverbands Gesundheits-IT. Allerdings müsse man auch wissen, »dass nicht alles digital geht«.

Es sei daher nicht zielführend, nach einer vollständigen Lösung zu suchen. Stattdessen gelte es, die digitale Lösung zu finden, die möglichst viele Anwendungsfälle abdecke. Alle denkbaren Fälle mit einem digitalen Produkt abzubilden, sie schlicht nicht möglich, »denn der Mensch ist nun einmal nicht digital, sondern analog«.

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