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Sichelzellkrankheit

Diese Therapien werden hierzulande empfohlen

In den 1960er-Jahren galt sie hierzulande noch als Rarität: die Sichelzellkrankheit. Heute leben in Deutschland infolge der Migration 3000 bis 5000 Betroffene. Sie erreichen das Erwachsenenalter – vorausgesetzt, sie werden nach dem neuesten Wissensstand behandelt.
AutorKontaktKerstin A. Gräfe
Datum 09.04.2025  09:00 Uhr

Die Erbkrankheit Sichelzellkrankheit (Sickle Cell Disease, SCD) gehört zu den Hämoglobinopathien, die durch das Hämoglobin S (HbS) verursacht werden. Betroffene haben definitionsgemäß einen HbS-Anteil von mehr als 50 Prozent am Gesamthämoglobin.

Ursache ist eine Punktmutation auf dem Chromosom 11: Die hydrophile Aminosäure Glutamin wird durch die hydrophobe Aminosäure Valin an Position 6 der β-Globin-Kette ausgetauscht. Die Folge ist eine veränderte Molekülstruktur von HbS gegenüber dem normalen Hämoglobin (adultes Hämoglobin, HbA), die mit einer schlechteren Wasserlöslichkeit einhergeht.

Vor allem bei Sauerstoffmangel polymerisiert HbS und die Erythrozyten gehen in die charakteristische Sichelzellform über. Die deformierten Erythrozyten sind weniger elastisch und können kleine Blutgefäße verstopfen (Vasookklusion), was schmerzhafte, teils lebensbedrohliche Durchblutungsstörungen sowie Infarkte auslösen kann. Zudem kommt es zur Hämolyse der Sichelzellen und damit in den meisten, aber nicht in allen Fällen zu einer Anämie. Die früher übliche Bezeichnung Sichelzellanämie ist daher nicht mehr gebräuchlich.

Die Symptome einer SCD treten ab dem dritten bis vierten Lebensmonat auf. Das ist darin begründet, dass die Sichelzellmutation die β-Globin-Kette betrifft und diese erst nach der Geburt die γ-Globin-Kette im fetalen Hämoglobin (HbF) ersetzt.

Fetale Hämoglobin-Synthese ankurbeln

Die große Mehrheit der Betroffenen lebt in Afrika südlich der Sahara, Teilen des Nahen Ostens und einigen Gebieten des Indischen Subkontinents. Zur Behandlung sind weltweit mehrere Optionen verfügbar. Welche in Deutschland empfohlen werden, stellt ein Beitrag der aktuellen Ausgabe der DPhG-Mitgliederzeitschrift »Pharmakon« vor. Die Autoren sind Privatdozentin Dr. Lena Oevermann von der Berliner Charité sowie PZ Senior Editor Professor Dr. Theo Dingermann und Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Uni Frankfurt am Main.

Für Patienten im Kindesalter ist als einziges krankheitsmodulierendes Medikament Hydroxycarbamid zugelassen. Es kann bereits ab dem neunten Lebensmonat eingesetzt werden. Die S2k-Leitlinie »Sichelzellkrankheit« empfiehlt den Einsatz bei »jedem Patienten mit einer Sichelzellkrankheit, der jemals eine schmerzhafte vasookklusive Krise (auch leichte) oder ein akutes Thoraxsyndrom hatte.« Die Leitlinie des National Heart, Lung and Blood Institute der US-Gesundheitsbehörde NIH befürwortet den Einsatz bei allen Kindern ab dem neunten Lebensmonat unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Die Behandlung sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen werden.

Hydroxycarbamid ist ein Zytostatikum, das die Ribonukleotid-Reduktase hemmt und die Synthese von HbF steigert. Gut belegt sind eine signifikante Reduktion von Schmerzkrisen und schweren Komplikationen. Der genaue Wirkungsmechanismus ist unbekannt. Neben der Stimulation der HbF-Synthese reduziert der Wirkstoff die Neutrophilenzahl, verändert die Membraneigenschaften von Retikulozyten, verbessert die Hydratation von Erythrozyten und setzt Stickstoffmonoxid (NO) frei.

Pfeiler der Therapie: Transfusionen 

Ein wichtiger Pfeiler in der Behandlung von SCD-Patienten sind Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten. Sie können zur Behandlung von bestimmten Akutkomplikationen erforderlich, aber auch Teil eines langfristig ausgelegten Therapiekonzepts sein. Transfusionen sollten unter anderem wegen der Übertragungsgefahr von Infektionen nur bei strenger Indikation gegeben werden. Die primäre Behandlung von Schmerzkrisen gehört zum Beispiel nicht dazu.

Man unterscheidet zwischen der Einfachtransfusion (on top) und Austauschtransfusion. Mit der Einfachtransfusion soll die Sauerstoffkapazität des Blutes verbessert werden. Limitiert ist diese Methode durch das gleichzeitige Anheben des Hämoglobin-Werts, infolgedessen auch die Viskosität erhöht wird. Ein Hämatokrit von 30 Prozent (Hb 10 g/dl) sollte nicht überschritten werden. In diesem Fall besteht ein erhöhtes Risiko für ein Hyperviskositätssyndrom, das durch Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg und Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Die Austauschtransfusion ist das effektivere Verfahren: Ohne Viskositätserhöhung erreicht man neben einer besseren Sauerstoffkapazität zügig eine Absenkung des HbS-Anteils relativ zum HbA-Anteil.

Stammzelltransplantation als kurative Therapie

Heutzutage erreichen 94 Prozent der Patienten dank einer verbesserten Supportivtherapie und des Einsatzes von Hydroxycarbamid das Erwachsenenalter. Dennoch ist ihre Lebenszeit aufgrund der hohen Morbidität begrenzt und die Lebensqualität ist eingeschränkt. Die einzige kurative Therapie ist die hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT), die seit mehr als 30 Jahren bei dieser Patientengruppe erfolgreich eingesetzt wird. Bei Verfügbarkeit eines HLA-identen Geschwisterspenders ist die HSZT der Therapiestandard. In diesem Fall spricht die S2k-Leitlinie aufgrund von Studiendaten von einem »exzellenten Langzeitüberleben«.

Nur für wenige Patienten (< 20 Prozent) wird allerdings ein HLA-identischer Geschwister- oder Fremdspender gefunden. Daher wird zunehmend die haploidentische Transplantation untersucht, bei der Eltern, Geschwister und leibliche Kinder Spender sein können. In der Hand von erfahrenen Transplanteuren in dafür ausgewiesenen Zentren könne dieses Verfahren durchaus erfolgreich sein, heißt es in der Onkopedia-Leitlinie.

Erste Gentherapie verfügbar

Ein großer Fortschritt war Anfang des Jahres die Markteinführung einer ersten Gentherapie: Exagamglogen Autotemcel (kurz: Exa-cel, Casgevy® von Vertex Pharmaceuticals) ist ein individuell für jeden Patienten hergestelltes Gentherapeutikum, bei dem die eigenen Blutstammzellen des Patienten genetisch modifiziert werden.

Dafür werden zunächst Stamm- und Vorläuferzellen entnommen und ex vivo mit der Genschere CRISPR/Cas9 so modifiziert, dass sich die Vorläuferzellen in erythroide Zellen differenzieren, die HbF produzieren. Vor der Rückinfusion erhalten die Patienten wie bei der HSZT eine Hochdosis-Chemotherapie. Durch diese Konditionierung wird das Knochenmark von den bisherigen Stammzellen gereinigt.

Casgevy scheint vor allem für ansonsten gesunde, adoleszente und junge erwachsene SCD-Patienten infrage zu kommen, die noch keine Organschäden aufweisen. In Deutschland sind das etwa 500 bis 1000 Patienten. Eine Heilung ist mit der Therapie allerdings nicht möglich. Vielmehr handle es sich um eine funktionelle Korrektur, heißt es in dem Artikel. Casgevy werde auf absehbare Zeit die HSZT daher ergänzen, nicht aber ersetzen.

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