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AKNR-Präsident Hoffmann

»Diese Klagen sind ein Angriff auf die Selbstverwaltung«

Gegen die Beitragsbemessung der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) wird derzeit vor Gericht gestritten. Aktuell haben rund 100 Apothekerinnen und Apotheker Klagen eingereicht. Kammerpräsident Armin Hoffmann findet dies unsolidarisch. Im Interview mit der PZ gibt er seine Einschätzung des Sachverhalts.
AutorKontaktAlexander Müller
Datum 26.08.2025  10:32 Uhr

PZ: Wie bewerten Sie die Klagen gegen die Beitragsbescheide?

Hoffmann: Ich sehe das in der derzeitigen Ausprägung als Angriff auf die gesamte Selbstverwaltung und das gesamte Kammersystem als solches. Wir haben als freier Heilberuf hoheitliche Aufgaben des Staates übertragen bekommen, deshalb gibt es die Selbstverwaltung der freien Berufe und dies alles ist bei uns über die Heilberufsgesetze reglementiert. Der Berufsstand darf sich eigene Versorgungswerke aufbauen, eigene Regelwerke geben und einen eigenen Haushalt auf der Ebene der Körperschaften des öffentlichen Rechts erstellen. Wenn Einzelne aus diesem Solidaritätsprinzip ausscheiden, um sich einen individuellen Vorteil zu verschaffen, stellt das aus meiner Sicht das ganze System infrage.

PZ: Wenn eine Beitragsdeckelung aufgehoben wird, dann steht dem Mitglied doch das Recht zu, das gerichtlich überprüfen zu lassen – und zumindest in erster Instanz schien das nicht völlig abwegig zu sein.

Hoffmann: Einfach betrachtet, könnte man dafür sogar ein gewisses Verständnis haben, wenn jemand nach der Aufhebung der Deckelung durch die Größe des Apothekenumsatzes das Vielfache zahlen muss. Auf der anderen Seite wären Apotheken dieser Größenordnung auf dem freien Markt dem Wettbewerb der pharmazeutischen Industrie ausgesetzt, wenn sie nicht auch die Schutzmechanismen des Arzneimittelvorbehalts der Apotheken für sich in Anspruch nehmen könnten. Die, die jetzt meinen, unter zu hohen Beiträgen zu leiden, sind auch durch die Sicherstellung der Apothekenlandschaft durch die Kammern groß geworden. Da darf man auch mal an das Solidaritätsprinzip erinnern – und dies ist eine Grundlage an so vielen Stellen in unserer Sozialen Marktwirtschaft. Hinzu kommt, dass wir eine der letzten Kammern waren, die sich von diesem Deckel verabschiedet hat. In Zeiten, in denen die Großen immer größer werden und die Kleinen verschwinden, hielten und halten wir es für dringend angebracht, dass die Starken entsprechend ihrer Stärke zur Kammerfinanzierung beitragen.

PZ: Aber jetzt gibt es ein Urteil des Verwaltungsgerichts, wonach die Rücklagen der Kammer zu hoch sind und die beklagten Beitragsbescheide damit unrechtmäßig waren.

Hoffmann: Es wird derzeit so hingestellt, als wäre alles rechtswidrig gewesen. Das ist nicht so. Unsere Haushalte werden jeweils durch unsere Gremien nach den geltenden Regularien erstellt, die wiederum von unserer Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind. Zu allen Haushalten der schon abgeschlossenen Jahre gibt es Vermerke der Wirtschaftsprüfer, dass alles ordnungsgemäß erfolgt ist.

PZ: Das Gericht hat das anders gesehen.

Hoffmann: Das Verwaltungsgericht hält zwei Rücklagenpositionen in den Haushalten 2021 bis 2024 für überhöht, weil wir aus seiner Sicht den Bedarf nicht genau genug abgeschätzt hätten. Wir halten diese Bewertung für falsch und haben deshalb beim Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragt, um diesem Gelegenheit zu geben, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu überprüfen. Es gibt u. a. eine Vorgabe des Landes Nordrhein-Westfalen aus den 70er-Jahren, wonach die Rücklagen einen halben Kammerhaushalt ausmachen sollen – an dieser Maßgabe haben wir uns orientiert.

PZ: Angenommen, das OVG entscheidet auch gegen die Kammer und erklärt die Beitragsbescheide der vier Kläger für ungültig?

Hoffmann: Sobald eine entsprechende Entscheidung des OVG vorliegt, werden wir diese prüfen und gegebenenfalls auch Beiträge zurückerstatten. Wir haben uns dazu auch mit der IHK ausgetauscht, deren Verfahren das Verwaltungsgericht zugrunde gelegt hat. Diese hat für die beklagten Jahre neue Haushalte aufgestellt und dann nachverbeitragt. Das ist sicher eine der Möglichkeiten, die man dann zu prüfen hätte.

PZ: Könnte der Haushalt komplett neu aufgemacht werden für alle?

Hoffmann: Sollte es so kommen, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, die man dann untersuchen müsste. Ich würde es jedenfalls als sehr unfair empfinden, wenn nur diejenigen, die geklagt haben, weniger zahlen müssten. Im Sinne der Solidargemeinschaft würden wir dann so weit wie möglich neu verbeitragen.

PZ: Angesichts des Verfahrens klagen jetzt rund 100 Mitglieder gegen die aktuellen Beitragsbescheide.

Hoffmann: Man muss das klar trennen. Wir haben vier Klagen betreffend die Jahre 2021 bis 2024. Davon ist ein Verfahren entschieden worden – noch nicht rechtskräftig. Und jetzt gibt es neue Klagen, weil das Verwaltungsgericht geurteilt hat, Rücklagen in der Größenordnung zwischen 15 und 30 Prozent wären angebracht. Wir könnten jetzt in vorauseilendem Gehorsam einen Haushalt mit zum Beispiel 25 Prozent Rücklagen beschließen. Aber dann könnte wieder jedes einzelne Mitglied auf zum Beispiel 23 Prozent bestehen und erneut klagen und wir landen in einer Endlosschleife. Es gibt in NRW weder genaue Gesetzes- noch Verordnungsvorgaben, welche Rücklagen eine Apothekerkammer in welcher Höhe bilden darf. Deshalb hat sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auch nur auf die Rechtsprechung zu den Industrie- und Handelskammern gestützt, die wir allerdings für nicht übertragbar auf eine Heilberufskammer halten.

PZ: Belasten die Klagen die Kammer nicht?

Hoffmann: Zunächst haben die Kläger die Kosten für ihre Anwälte. Für die Kammer sehe ich keine große Belastung für unseren Haushalt. Unter anderem haben wir natürlich auch eine Rechtsschutzversicherung. Gut wäre Klarheit darüber, ob wir als Kammer unseren Haushalt im Rahmen der Gesetze weitgehend frei gestalten dürfen, was wir als Selbstverwaltung so sehen und was auch das Land so sieht. Oder es gibt einen Richterspruch mit klaren Vorgaben.

PZ: Warum hat die Kammer die aktuellen Beitragsbescheide für das zweite Quartal angesichts des Rechtsstreits nicht unter Vorbehalt verschickt?

Hoffmann: Weil wir seit dem Jahr 2021 die Rücklagen jedes Jahr verändert und speziell 2025 erheblich reduziert haben, zum Beispiel durch notwendige Reparaturarbeiten am Haus. Wir haben die Rücklage inzwischen so weit abgeschmolzen, dass wir schon für 2025 im Hinblick auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes kein Problem mehr haben sollten und für 2026 gar nicht mehr. Aber das ist noch in die Zukunft geblickt: Der Haushalt wird erst in den nächsten Wochen aufgestellt.

PZ: Wozu braucht eine Kammer überhaupt so hohe Rücklagen?

Hoffmann: Um die Arbeitsfähigkeit der Kammer zu gewährleisten, sollten Beiträge ausfallen. Wir sprechen hierzulande derzeit viel über Krisen und Sondersituationen. Wenn beispielsweise in einem Katastrophen- oder Verteidigungsfall ein nennenswerter Teil der Apotheken nicht weiter betrieben werden könnte, bekommen wir von diesen auch keine Beiträge mehr. Unsere staatshoheitlichen Aufgaben müssen wir aber weiterhin erfüllen.

PZ: Dem Verwaltungsgericht waren die Rücklagen nicht konkret genug. Müssen Sie sich das als Vorwurf gefallen lassen?

Hoffmann: Wir haben uns an die Vorgabe gehalten, die das Land einmal ermittelt hat. Unsere projektbezogenen Rücklagen sind ja gar nicht kritisiert worden. Es ging allein um die allgemeine Rücklage und die Ausgleichsrücklage. Deren konkreten Bedarf etwa für Notsituationen würde ich heute etwas eingehender begründen. Und das können wir jederzeit nachholen.

PZ: Und wenn dann, wie Sie es nannten, in »Endlosschleife« weiter geklagt wird?

Hoffmann: Tja, am Ende wird man eine Lösung finden müssen. Ausgangspunkt war, dass wir die Deckelung der Beiträge aufgehoben haben. Ich finde das nach wie vor richtig: Mitglieder, denen es wirtschaftlich besser geht, tragen mehr zur Kammerfinanzierung bei als diejenigen, denen es nicht so gut geht. Denn wir brauchen jede einzelne Apotheke für die Flächendeckung.

PZ: Könnte eine neue Beitragsordnung als Kompromiss ausgearbeitet werden?

Hoffmann: Wir hatten einen dreijährigen Prozess schon in der letzten Wahlperiode, haben uns das ganze System der Beitragsordnung angeschaut, Experten hinzugezogen. Es gab in unserem Haushalts- und Finanzausschuss extra eine Beitragsarbeitsgruppe, auch die Kolleginnen und Kollegen, die hauptsächlich von der Auflösung der Deckelung betroffen sind, wurden gehört. Diese konnten aber weder den Vorstand noch unseren Haushalts- und Finanzausschuss noch unsere Steuerberater überzeugen, dass ihre Vorschläge zu mehr Beitragsgerechtigkeit führen. Und das ist für uns die Grundlage gewesen.

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