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Vier Jahre nach der Flut

»Diese Katastrophe hat uns zusammengeschweißt«

Heute jährt sich die Jahrhundertflut im Ahrtal zum vierten Mal. Die PZ sprach mit Inhaberin Inge Göttling über den Verlust ihrer alten Apotheke, den Neuanfang und was sie aus der Krisensituation gelernt hat. 
AutorKontaktMelanie Höhn
Datum 14.07.2025  07:00 Uhr

Inge Göttling hat das Unfassbare erlebt. Heute vor vier Jahren hat die Apothekeninhaberin durch die Jahrhundertflut im rheinland-pfälzischen Ahrtal ihre Existenzgrundlage verloren und musste noch einmal ganz von vorne beginnen. Ihr Geschäft, wie so viele andere, wurde durch die Fluten komplett zerstört. »Es war eine unfassbar schwierige Situation«, erzählt sie im Gespräch mit der PZ. Das Gebäude der ehemaligen Burg-Apotheke in Altenahr in Rheinland-Pfalz, die sich im Erdgeschoss befand, stand an dem schicksalhaften 14. Juli 2021 elf Meter unter Wasser.

An diesem Mittwoch habe es bereits Ankündigungen gegeben, dass Hochwasser kommen könnte. »Das ist für diese Gegend nicht unüblich. Aber ich war an dem Tag nicht in der Apotheke«, erinnert sie sich. »Man räumt die Garage etwas auf und die Sachen hoch, die einem wichtig sind. Dann lässt man das Wasser kommen. So hatten wir uns das auch an diesem Tag vorgestellt, deshalb hatte ich keine Notwendigkeit gesehen, dort hinzufahren.«

Um 17 Uhr schlossen Inge Göttlings Mitarbeiter nach Rücksprache mit ihr die Apotheke und brachen die Botenfahrten aufgrund der Wetterlage ab – ein weiser Entschluss, denn beide Autos schwammen ein paar Stunden später weg und wurden komplett zerstört. Bereits am Freitagmorgen war Inge Göttling wieder in der Apotheke. Sie watete durch einen halben Meter Schlamm zuerst zum Server, später zum Tresor. Wie durch ein Wunder konnte das Softwarehaus in Köln die Daten retten. Alle Medikamente wurden jedoch durch die Fluten zerstört, einzig die Fentanylpflaster konnte sie retten. »Wichtig war, dass unser Softwarehaus im ersten Container sofort, unkompliziert und unentgeltlich wieder eine funktionierende Hard- und  Software installiert hat, die unerlässlich ist für unsere Arbeit«, erzählt sie.

»Ich sagte ihm, wir haben nichts«

Im Pfarrhaus des Ortes Altenahr wurde schnell eine provisorische Apotheke eingerichtet, um die Anwohnerinnen und Anwohner zu versorgen. Der Katastrophenschutz der Bundeswehr lieferte erste Medikamente in den Ort. Schon dort hatte Göttling vom ersten Tag an Kontakt zu einem Außendienstmitarbeiter des Großhandels, den sie seit Jahren kannte. »Ich sagte ihm, wir haben nichts. Und dann wurde einfach zwischenmenschlich vertrauensvoll für die Situation entschieden.« Über das Mobiltelefon bestellte sie die Waren und organisierte die Übergabestellen. »Der persönliche Kontakt war der entscheidende Faktor, um zügig die Versorgung wieder sicherzustellen«, ist sich Göttling sicher. »Ich glaube, das wird auch in Zukunft immer so sein. Damit kann man unglaublich viel bewegen.«

Später richtete das Deutsche Rote Kreuz im Rahmen des Katastrophenschutzes eine Containerlösung für regelmäßige Beratungsstunden und Medikamentenausgaben ein, wo Inge Göttling zusammen mit Ärztinnen und Ärzten arbeitete. Bereits ab dem Umzug in den ersten Container konnte Göttling wieder reguläre Öffnungszeiten anbieten, in einem weiteren Container wurde auch die Pflicht des Notdienstes wieder aufgenommen. »Das wurde geschätzt. Bis heute«, sagt sie. Eine Patientin ist ihr besonders im Kopf geblieben: Eine junge Frau mit Kurzdarmsyndrom, die wöchentlich ihre Ernährung brauchte. »Wir konnten sie vom ersten Tag an mit gekühlter parenteraler Ernährung beliefern«, erinnert sie sich. Die Patientin ist noch immer Kundin von Inge Göttling, die inzwischen eine neue Apotheke in Ahrbrück eröffnet hat. »Ein Investor hat dieses neue Gebäude etwa einen halben Meter höher als üblich errichtet, um für künftige Überflutungen gewappnet zu sein – für uns ein großer Glücksfall«, so Göttling.

Apotheker sollten Versicherungsverträge checken

Welche Vorkehrungen hat sie in ihrer neuen Apotheke getroffen, um für zukünftige Katastrophen besser gewappnet zu sein? »Ich habe mich jetzt bis zum Anschlag versichert. Wir haben alles, was man an Versicherungen haben kann«, sagt sie, darunter eine Geschäftsinhalts- und eine Gebäudeversicherung – bei allen Policen immer mit dem Zusatzbaustein ›Elementarschäden‹. Für ihre alte zerstörte Apotheke habe sie »blauäugig« die Aussage ihres Versicherungsvertreters hingenommen, sie könne keine Elementarversicherung abschließen. Ihre Botschaft an andere Apothekerinnen und Apotheker: Unbedingt alle Versicherungsverträge checken. »Das ist vielleicht mit das Wichtigste.«

Eigentlich würde sie gerne einen Satz Standardmedikamente in ihrer Apotheke aufbewahren, aber im Ernstfall würden diese durch Hochwasser zerstört werden. »Es könnte von Vorteil sein, wenn es eine Liste von Standardmedikamenten seitens der Großhändler gäbe, die ich als neues Lager hinlegen könnte«, sagt sie. Eine Möglichkeit zur Hochwasserprävention seien auch Sandsäcke, die in den Apotheken zur Prophylaxe gelagert werden könnten. Sie selbst nutze diese nicht, kenne aber Apotheken, die diese Vorkehrung getroffen haben.

Kurz nach der Katastrophe erhielt Göttling viel Unterstützung über Hilfsorganisationen wie Apotheker ohne Grenzen, Action Medeor oder die Ortsbürgermeister, insbesondere die Ortsbürgermeisterin von Kalenborn, erzählt sie. »Es wurde alles sehr ernst genommen, was wir gesagt haben. Jeder war interessiert daran, dass wir eine Lösung finden, wie die Bevölkerung versorgt werden kann«, sagt Göttling.

»Menschliches Miteinander in dieser schwierigen Zeit«

Ein weiteres großes Glück sei zudem der enge Kontakt zu einer Juristin der Kammer gewesen, die persönlich sehr engagiert gewesen sei. »Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass jemand dahingehend geschult wird, betroffenen Apothekerinnen und Apothekern in solchen Situationen zur Seite zu stehen«, so die Apothekerin. Außerdem schlägt sie einen Katastrophenschutz für Notfallsituationen über die Landesregierungen vor. Die staatliche Wiederaufbauhilfe belief sich laut Göttling durch bestimmte Faktoren auf einen äußerst geringen Betrag, der beim eigentlichen Wiederaufbau keine tragende Rolle spielte.

Heute ist sie dankbar über die nun wieder größeren Räume und alle notwendigen Ausstattungen in ihrer neuen Ahrtal-Apotheke. Eine größere Reise nach Vietnam, Kambodscha und Bali ermöglichte ihr Abstand, erzählt sie. »Es war wie eine Kur für mich. Seitdem geht es mir wieder gut.« Doch sie sagt auch: »Ich glaube nicht, dass ich es noch einmal schaffen würde, wenn es erneut passiert.« Ganz wichtig für sie: Ihr Team hat in der Zeit bis heute sehr zusammengehalten, fast alle Mitarbeitenden von damals sind noch immer an ihrer Seite. »Diese Katastrophe hat uns wirklich zusammengeschweißt.«

Als Apothekerin sei sie in den Tagen nach der Flut vor allem eins gewesen: gebraucht. »Es gab kein System, keinen Plan – aber es gab Menschen. Menschen, die Hilfe benötigt haben und viele Helfer, die einfach gemacht haben. Die zugepackt, geholfen, gefragt, unterstützt und zugehört haben. Ohne große Worte, ohne Umwege. Das war keine Theorie, das war gelebte Solidarität.« Inmitten all der Zerstörung habe sie etwas erlebt, das sie bis heute trägt: »Ein Miteinander, das nicht planbar war, sondern echt«, sagt sie. »Es ging nicht um Zuständigkeiten, sondern um Verantwortung füreinander. Diese Erfahrung – direkt, menschlich, unverstellt – war für mich das Wertvollste in all dem Unglück. Ich bin meinem Team und allen Helfern aus allen Bereichen zutiefst dankbar für das menschliche Miteinander in dieser schwierigen Zeit.«

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