Diese Beipackzettel verstehen die wenigsten |
Cornelia Dölger |
18.08.2025 15:34 Uhr |
Lange Sätze und Wörter mit mehr als sechs Buchstaben: Packungsbeilagen können leicht in die Kategorie »Sachliteratur« geraten, wenn sie für Laien nicht gut verständlich sind. / © Getty Images/Vladimir Vladimirov
Es gibt wohl nur wenige, die die Packungsbeilage eines Arzneimittels von A bis Z durchlesen; auseinandergefaltet können es die dünnen, eng beschriebenen Papierzettel auf gefühlt zwei Quadratmeter bringen. Neben der schieren Masse an Informationen gibt es aber auch andere Hürden, die das Verstehen von Packungsbeilagen erschweren. So legt es zumindest eine aktuelle Studie der Versandapotheke Mycare.de nahe.
In den Blick genommen hat der deutsche Versender die 50 meistverschriebenen Arzneimittel in Deutschland. Zugrunde liegt der sogenannte Lesbarkeitsindex (LIX), der unter anderem die durchschnittliche Satzlänge sowie den Anteil langer Wörter berücksichtigt. »Lang« meint in diesem Fall Wörter mit mehr als sechs Buchstaben. Mithilfe des Scores soll eine Einschätzung über die Verständlichkeit der Packungsbeilagen möglich sein. Dabei gilt: je höher der Wert, desto geringer die Lesbarkeit.
Sperriger Spitzenreiter ist nach dieser Systematik der Beipackzettel des Schmerzmittels Ibuflam/-Lysin (Ratiopharm 400 mg). Mit einem LIX von 53,68 führt der Kandidat die Riege der am schwersten verständlichen Packungsbeilagen im untersuchten Umfang an und liegt deutlich über dem Durchschnitt von 47,04. Die Packungsbeilage besteht hier laut der Untersuchung zu fast 50 Prozent aus langen Wörtern und auch die durchschnittliche Satzlänge fällt demnach mit 8,14 Wörtern vergleichsweise hoch aus. 22 Packungsbeilagen liegen laut Mycare über dem Durchschnitt und 28 unterhalb.
Ähnlich schwer wie der Spitzenreiter machen es fünf weitere Packungsbeilagen, die ebenfalls einen LIX-Wert von 50 überschreiten. Dazu gehören laut der Analyse:
Die Ergebnisse verdeutlichten, dass auch häufig verschriebene und weit verbreitete Medikamente Packungsbeilagen aufwiesen, »die sprachlich weit entfernt von einem patientennahen Informationsstil sind«, wie der Versender schreibt. Die Packungsbeilagen mit einem Score höher als 50 fallen nach dem LIX in die Kategorie Sachliteratur, sind demnach laut gängiger Einordnung »sprachlich komplex, schwer zugänglich und für Laien oft nur schwer verständlich«.
Hier ist also viel Luft nach oben. Martin Schulze, Apotheker und Leiter der pharmazeutischen Kundenberatung bei mycare.de, plädiert daher für besser zugängliche Inhalte. »Eine verständlichere Sprache könnte nicht nur das Vertrauen in die Medikation stärken, sondern auch zu einer höheren Therapietreue führen, was wiederum die Behandlungsergebnisse positiv beeinflussen würde.«
Gerade für Ältere, chronisch Kranke und Menschen, die ein Arzneimittel zum ersten Mal einnehmen, könne eine klare und verständliche Packungsbeilage »von entscheidender Bedeutung [sein], um Medikamente sicher und korrekt anzuwenden«.
Dies scheint durchaus möglich, denn einige untersuchte Beipackzettel stechen in der Analyse als vorbildlich heraus, weil sie die Informationen »in klarer, zugänglicher Sprache vermitteln«. Sie rangieren allesamt unter dem Lesbarkeitsindex von 45. Folgende Kandidaten fallen darunter:
Allopurinol Indoco 100/ 300 mg Tabletten ist demnach mit einem LIX-Wert von 41,41 Spitzenreiter unter den »am besten verständlichen Beipackzetteln der gesamten Analyse«. Positiv seien die besonders kurze durchschnittliche Satzlänge und der unterdurchschnittliche Anteil langer Wörter. »Diese kompakte, klare Sprache erleichtert das Lesen und Verstehen – ein echter Zugewinn für Patienten, die auf gut verständliche Informationen angewiesen sind«, heißt es lobend von Mycare.
Dass es bei der Präsentation der wichtigen Angaben eine hohe Varianz gibt, legt ein weiterer Parameter nahe. So sei nicht nur die sprachliche Gestaltung für die Verständlichkeit ausschlaggebend, sondern auch der Umfang. Die am besten verständlichen Beipackzettel wiesen 1100 bis 1600 Wörter auf – die am wenigsten verständlichen fast zehnmal so viele.