Diese Antibiotika machen die meisten Hautreaktionen |
Annette Rößler |
12.08.2024 18:00 Uhr |
Verschiedene Arzneistoffe können allergische Reaktionen in Form von Hautausschlägen auslösen. Antibiotika zählen dazu, wobei nicht alle Antibiotikaklassen in dieser Hinsicht gleich problematisch sind. / Foto: Adobe Stock/Nathut
Antibiotika zählen zu den Arzneistoffen, die besonders häufig Allergien auslösen. Die allergische Reaktion tritt typischerweise verzögert auf. Neben einem Hautausschlag, dem Arzneimittelexanthem, können auch innere Organe in Mitleidenschaft gezogen sein. Die schwersten arzneimittelbedingten Hautreaktionen sind das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse; Letztere geht mit einer Mortalität von 20 bis 40 Prozent einher.
Ältere Erwachsene sind infektanfälliger als junge und brauchen daher auch häufiger Antibiotika. Gleichzeitig liegen bei ihnen aber auch häufiger Risikofaktoren wie Komorbiditäten, Polypharmazie sowie nachlassende Organfunktionen von Niere und/oder Leber vor. Eine Gruppe von Forschenden um Dr. Erika Y. Lee von der University of Toronto in Kanada nahm deshalb für ihre Untersuchung zu den Risiken verschiedener Antibiotikaklassen gezielt ältere Patienten in den Blick. Die Arbeit erschien aktuell im »JAMA Network«.
Die Untersuchung im Design einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie nutzte die Daten aller Einwohner der kanadischen Provinz Ontario aus den Jahren 2002 bis 2022. Berücksichtigt wurden Erwachsene ab 66 Jahren, die in diesem Zeitraum im ambulanten Setting mindestens eine Verordnung über ein orales Antibiotikum erhalten hatten. Als Fälle wurden diejenigen gewertet, die innerhalb von 60 Tagen nach der Verordnung aufgrund einer schweren Hautreaktion die Notaufnahme eines Krankenhauses aufgesucht hatten. Jeder Fall-Patient wurde mit vier gematchten Kontrollen verglichen, bei denen dies nicht eingetreten war.
Insgesamt kam es im Studienzeitraum bei 3.257.181 Antibiotikaverordnungen für ältere Patienten zu 21.758 Fällen von schweren Hautreaktionen, die im Median nach 14 Tagen zu einem Besuch in der Notaufnahme führten. Die Kontrollkohorte umfasste 87.025 Personen. Die Antibiotikaeinnahme war in beiden Gruppen median über sieben Tage erfolgt. Häufigste verordnete Wirkstoffklasse waren Penicilline mit 28,9 Prozent, gefolgt von Cephalosporinen mit 18,2 Prozent, Fluorchinolonen mit 16,5 Prozent, Makroliden mit 14,8 Prozent, Nitrofurantoin mit 8,6 Prozent und Sulfonamiden mit 6,2 Prozent.
Häufigste Auslöser von Hautreaktionen waren Cephalosporine mit 4,92 Fällen pro 1000 Verordnungen und Sulfonamide mit 3,22 Fällen pro 1000 Verordnungen. Insgesamt 2852 Patienten mussten wegen der allergischen Reaktion auf das Antibiotikum ins Krankenhaus aufgenommen werden, wo sie im Median sechs Tage blieben. 9,6 Prozent der stationär behandelten Patienten mussten auf die Intensivstation verlegt werden und 5,3 Prozent verstarben.
Um die verschiedenen Antibiotikaklassen hinsichtlich ihres Risikopotenzials für schwere Hautreaktionen miteinander vergleichen zu können, ermittelten die Forschenden jeweils ein relatives Risiko für die einzelnen Klassen. Als Vergleich wählten sie die Makrolide, weil diese in früheren Untersuchungen fast nie mit dieser Komplikation assoziiert gewesen waren.
Auch hierbei waren Sulfonamide und Cephalosporine die kritischsten Klassen: Verglichen mit Makroliden hatten Sulfonamide das höchste relative Risiko für Hautreaktionen (adjustierte Odds-Ratio 2,9), dicht gefolgt von den Cephalosporinen (aOR 2,6), Nitrofurantoin (aOR 2,2) und schließlich mit etwas Abstand Penicillinen (aOR 1,4) sowie Fluorchinolonen (aOR 1,3). Erstaunlich ist hier der große Unterschied im Risikopotenzial zwischen den Cephalosporinen und den Penicillinen, denn beide zählen ja zu den β-Lactam-Antibiotika.
Absolut betrachtet sei das Risiko für eine schwere Hautreaktion infolge einer Antibiotikaanwendung mit zwei Fällen pro 1000 Verordnungen allerdings recht niedrig gewesen, schreiben die Autoren. Dass zudem nur etwa einer von acht betroffenen Patienten stationär behandelt werden musste, sei ein Ergebnis, das »hinsichtlich der Schwere der Erkrankung ein gewisses Maß an Beruhigung« biete. Dennoch sollten Verordner sich dessen bewusst sein und wenn möglich ein Antibiotikum wählen, bei dem das Risiko geringer ausfällt.