»Die Zukunft der Medizin ist ambulant« |
KBV-Chef Andreas Gassen wünscht sich unter anderem ein Ende der Budgetgrenzen. / © imago images/Jürgen Heinrich
Es läuft nicht gut im deutschen Gesundheitssystem: Allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 verzeichnete die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Defizit von 3,7 Milliarden Euro. Gleichzeitig klagen Apotheken, Praxen und Krankenhäuser über eine unzureichende Finanzierung und zu viel Bürokratie. Für die nächste Bundesregierung gibt es also viel zu tun. Die ABDA hat daher am Freitag ein Positionspapier mit ihren Kernforderungen für die kommende Legislaturperiode veröffentlicht. Am selben Tag beschloss auch die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein Papier mit den Forderungen der Ärzteschaft.
Das zentrale Anliegen der KBV ist die Förderung der Ambulantisierung. Außerdem wünscht man sich weniger staatliche Regulierung, den Schutz der Therapiefreiheit, eine spürbare Entlastung bei Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, ein konsequentes Umsteuern weg von Sanktionen hin zu Anreizen und die Abschaffung der Honorarbudgets.
In ihrem Papier werfen die Kassenärzte der Ampel-Koalition einen »Stillstand des Gesundheitswesens« vor. Die Politik habe zu lange die Probleme in der ambulanten Gesundheitsversorgung ignoriert. Daher müssten jetzt dringend Maßnahmen ergriffen werden, die die Praxen stärken und trotz knapper Ressourcen die Versorgung der Patientinnen und Patienten sichern.
Um den stark gestiegenen Ausgaben der Krankenkassen etwas entgegenzusetzen schlägt die KBV einen runden Tisch mit allen Beteiligten der Selbstverwaltung vor. Dieser soll eine Priorisierung der Finanzmittel vornehmen. Außerdem wollen die Ärzte, dass versicherungsfremde Leistungen aus dem Katalog der GKV gestrichen und künftig durch steuerliche Zuschüsse finanziert werden.
Die Vertreterversammlung beklagt zunehmende politische Eingriffe in die Freiheit der ärztlichen Berufsausübung und eine »Missachtung der Selbstverwaltung.« Die zunehmenden staatlichen Regelungen seien ebenso wie die »überbordende Bürokratie« und eine »unzureichende Finanzierung« eine Gefahr für die freie Berufsausübung von Ärzten und Psychotherapeuten.
»Die Zukunft der Medizin ist ambulant«, betonte die Vertreterversammlung der KBV. Das Positionspapier folgt daher dem Grundsatz »ambulant vor stationär«. In Deutschland würden zu viele Behandlungen in Krankenhäusern erfolgen. Nach Einschätzung der KBV könnten jährlich mehr als vier Millionen Operationen ambulant erfolgen. Dies könne dazu beitragen, die Ausgaben im stationären Sektor zu reduzieren. Die »Misstrauenskultur« der Politik gegenüber dem ambulanten Sektor müsse ein Ende finden.
»Die Budgetgrenzen sind für alle ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten innerhalb der ersten 100 Tage einer neuen Bundesregierung abzuschaffen«, lautet eine der Hauptforderungen des Papiers. Die aktuellen Grenzen seien »leistungsfeindlich« und müssten zum Wohle der Versorgung gestrichen werden. Stattdessen brauche es eine bedarfsgerechte Finanzierung und einen Inflationsausgleich. Der gegenwärtige gesetzliche Rahmen zur Anpassung der Finanzierung sei zu eng und führe im Vergleich zum stationären Bereich »zu ungemessenen Ergebnissen«.
Ein weiteres Anliegen des Positionspapiers ist die Etablierung eines verbindlichen einheitliches Ersteinschätzungsverfahren zur Lenkung der Inanspruchnahme notärztlicher Leistungen. Die Kassenärzte wünschen sich dazu eine Stärkung des bereits existierenden ärztlichen Notdienstes mit der Rufnummer 116117. So könnten die Patientinnen und Patienten schnell an den richtigen Versorgungsort geleitet werden.
Die Ärzteschaft wünscht sich ein »Praxiszukunftsgesetz«, dessen Eckpunkte man gemeinsam mit der Politik erarbeiten möchte. »Wir bieten unseren Sachverstand und unsere Expertise der Gesundheitspolitik an, um sachgerechte und an den Strukturprinzipien orientierte Lösungen für Versorgungsprobleme zu finden«, heißt es in dem Positionspapier.