Die Zukunft der Apotheke liegt am Patienten |
Daniela Hüttemann |
07.04.2025 18:00 Uhr |
Zur Implementierung von Dienstleistungen sagt Apothekeninhaberin Melanie Tilgner: »Man hat am Anfang einen Berg, über den man rüber muss, aber danach kann es zum normalen Tagesgeschäft werden und lohnt sich auch finanziell.« / © PZ/Alois Müller
Schon räumlich stellt sich Melanie Tilgner die Apotheke der Zukunft anders vor – und hatte eine Blaupause für einen Grundriss zum PZ-Management-Kongress in Palma de Mallorca mitgebracht. Etwa so viel Fläche wie der Handverkauf nehmen dabei Beratungsräume ein: für Intensivberatungen und Medikationsanalysen, Impfungen, Messungen und Point-of-Care-Diagnostik sowie assistierte Telemedizin.
»Dass wir mehr Dienstleistungen erbringen können, ist kein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit«, glaubt die Inhaberin der Vita-Apotheke in Hamburg angesichts der demografischen Entwicklungen und Megatrends im Gesundheitswesen. Sie sieht jetzt die Chance gekommen, die Rolle der Apotheke als Gesundheitsdienstleister zu festigen und auszuweiten, auch im Hinblick auf die Prävention. »Die Lücke, die hier gerade entsteht, müssen wir füllen und das ist toll für uns. Es wertet die pharmazeutischen Berufe auf und macht sie für Jüngere wieder interessanter.«
Ihre eigene Apotheke hat eine hohe Kundenfrequenz. »Die Schlange, die sich oft bildet, übt Druck aus – sowohl auf die Kunden als auch auf die Mitarbeiter«, so Tilgner und plädiert dafür, die Dienstleistungen aus dem HV zu ziehen und mit Terminvergabe in Beratungsräumen durchzuführen. Dafür könne man Kunden aktiv ansprechen und gewinnen, das Personal besser planen und Dienstleistungen ökonomischer organisieren.
»Dienstleistungen sind jedoch kein Selbstläufer«, so Tilgner. Viele würden die derzeit angebotenen Leistungen wie Blutdruckmessung und Medikationsanalyse immer noch nicht kennen und Apotheke nur mit dem Erwerb von Packungen gleichsetzen. Genauso wichtig wie die Organisation sei daher das Marketing. »Wir müssen auf das Handy der Patienten kommen – mit Bestell-App, digitaler Kundenkarte im Wallet, Newsletter oder Geofence-Funktion, bei der ein Pop-up auf die Apotheke hinweist, wenn der Patient die Arztpraxis verlässt.«
Die Vita-Apotheke informiert ihre Kunden zum Beispiel per Mailing über Aktionstage, verteilt Flyer und spricht Kunden, die für bestimmte Dienstleistungen in Frage kommen, gezielt an und bucht gegebenenfalls gleich einen Termin ein. Das funktioniere sehr gut. Auch die Impfungen gegen Grippe und Covid-19 werden sehr gut angenommen, vor allem von Berufstätigen, Menschen ohne Hausarzt oder solchen, die dort nur schwer einen Termin bekommen und sogar Krankenhausmitarbeitern. Denn die Impfzeiten liegen außerhalb der Arztpraxis-Öffnungszeiten am frühen Abend und an Wochenenden. Gern würde die Vita-Apotheke weitere Impfungen mit Totimpfstoffen übernehmen und das Impfen ganzjährig anbieten.
Tilgner setzt sich auch berufspolitisch dafür ein, dass Apotheken assistierte Telemedizin anbieten, um Patienten außerhalb der üblichen Sprechstundenzeit direkt weiterhelfen zu können, zum Beispiel mit einem Antibiotikum bei einer Blasenentzündung. Der zugeschaltete Arzt stellt ein E-Rezept aus, zu dessen Einnahme dann die Apotheke berät und gegebenenfalls Zusatzempfehlungen geben kann. »Damit würde ich vielen fünf Stunden in der Notaufnahme ersparen«, glaubt Tilgner. Die Ärzte dort hätte mehr Zeit für die wirklichen Notfälle und auch mit entsprechender Vergütung der Apotheke für diese Dienstleistung spare man immer noch Kosten im Vergleich zur Behandlung in der Notaufnahme. In ihrem Umfeld seien die Ärzte dafür auch offen. »Das ist eine riesige Chance, uns zu positionieren, auch gegenüber dem Versandhandel, und die Patienten nicht zu verlieren.«
Tilgners Fazit: »Dienstleistungen sind kein Selbstläufer. Aber es lohnt sich, damit die Herausforderungen anzugehen, vor denen wir gemeinsam stehen.«