Die »unbefriedigende Honorarfrage« |
Cornelia Dölger |
03.04.2025 15:30 Uhr |
»Müssen Apotheken sich neu erfinden und wenn ja, wie?«, hieß der Vortrag von Apothekenökonom Professor Andreas Kaapke. / © PZ/Alois Müller
Die Zeiten sind schwierig, aber die Zeichen für die Apotheken stehen nicht schlecht, zumindest lassen die Pläne der Arbeitsgruppe Gesundheit, die unlängst bekannt wurden, hoffen, dass sich in der gerade angebrochenen Legislatur endlich beim Fixum etwas tut und es für die Apotheken noch weitere Erleichterungen gibt.
Allzu viel Optimismus zeigte der Apothekenökonom Professor Andreas Kaapke beim PZ-Managementkongress in puncto Honorarerhöhung allerdings nichts. Er glaube nicht, dass sich angesichts der dominierenden Blöcke Wirtschaft, Verteidigung und Migration Apothekenthemen nennenswert im neuen Koalitionspapier wiederfinden werden. »Ich würde mich nicht darauf verlassen.« Gleichwohl bleibe zu hoffen, »dass an der Stelle manches reinkommt«. Derzeit verhandeln die Spitzen von Union und SPD über die Vorschläge der einzelnen Arbeitsgruppen.
»Müssen Apotheken sich neu erfinden und wenn ja, wie?«, hieß Kaapkes Vortrag. Über das Thema hatte der Handelsforscher schon im Januar im PZ-Podcast »PZ Nachgefragt« diskutiert. Klare Antwort: ja, logisch, jeden Tag. Das täten Apotheken zweifelsohne auch, aber auch makroökonomisch gebe es Handlungsbedarf. Über das »Wie?« referierte Kaapke ausführlich.
Er geht in seiner Hauptthese davon aus, dass sich das Geschäftsmodell der Apotheken künftig verstärkt in Richtung abrechenbarer pharmazeutischer Dienstleistungen (pDL), ergänzender Dienstleistungen, Selbstmedikation und Freiwahl entwickeln werde. Er skizzierte aktuelle Entwicklungen wie die erheblichen Wachstumsraten der EU-Versender, gepäppelt mit riesigen Werbebudgets und Promi-Unterstützung, noch befeuert durch das E-Rezept, ferner Pläne des Drogeriereisen dm, der in den OTC-Verkauf einsteigen will.
Seine Unterthese »Die Honorierungsfrage bleibt auf unbestimmte Zeit ungeklärt« begründete Kaapke etwa damit, dass frühestens Mitte 2026 mit einem neuen Anlauf einer Apothekenreform zu rechnen sei. Mit dem Ampel-Aus wurde aufgrund des Diskontinuitätsprinzips bekanntlich auch das geplante Apothekenreform-Gesetz (ApoRG) beerdigt. Eine Wiedervorlage erwartet der Ökonom nicht, sondern glaubt an neue Konzepte. Mit dem Reform-Aus gebe es mithin keine »Apotheken ohne Apotheker« und keine Honorarumverteilung mehr, aber eben auch »keine Honorarerhöhung und keine Zulassung der handelsüblichen Skonti«.
Eben dies steht allerdings im aktuellen Papier der AG Gesundheit, worauf Kaapke aber nicht weiter einging. Deutschland leide an einem derart großen Investitionsstau, dass andere Themen eher an der Reihe wären. »Da bin ich skeptisch«, so der Ökonom, worauf er Gegenrede von DAV-Chef Hans-Peter Hubmann aus dem Publikum erhielt. Hubmann zeigte sich in puncto aktuelle Verhandlungen optimistisch; so gut wie die aktuellen seien Vorschläge zur Apothekenreform noch nie gewesen, betonte er. »Ich warne davor, in jeder Suppe fünf Haare zu finden.« Die Unterhändler seien sich in den Apothekenthemen auffallend schnell einig gewesen.
Kaapke skizzierte gleichwohl die Gründe, die für eine Honoraranpassung sprechen, und verwies auf ein von ihm erstelltes Gutachten, wonach das Fixum inzwischen bei fast 12 Euro liegen müssten, wenn die Inflationsrate regelmäßig eingespeist würde. Auf dem Gutachten gründet eine aktuelle Klage der Freien Apothekerschaft gegen den Bund wegen ausstehender Honoraranpassung.
Durch die Rx-Preisbindung sei der Spielraum der Apotheken für mengenbedingte Kosten- und damit Preisvorteile begrenzt, so Kaapke. Solche ließen sich nur bei OTC erzielen, die wiederum aber nur einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtumsatz ausmachen.
Dass die bürokratischen Hürden für Apotheken weiter zunähmen – Kaapkes zweite Unterthese –, bezeichnete der Ökonom als »Ressourcenverschwendung«. Von teils aufwändigen Dokumentationspflichten sind auch die pDL betroffen – lästig, allerdings dürfe dies kein Grund sein, pDL nur zögerlich anzubieten und den Etat für die Vergütung nicht auszuschöpfen. »Manchmal braucht es die Brechstange, die feine Klinge versteht nicht jeder«, appellierte der Ökonom.
Neu gedacht werden müssten Leistungen wie Nacht- und Notdienst, forderte Kaapke. Die sinkende Apothekenzahl führe zu einer Mehrbelastung der verbleibenden Betriebe. Kaapke skizzierte kurz Vorschläge der Kammer Baden-Württemberg, den Nacht- und Notdienst zu verbessern, etwa durch eine neu organisierte Verteilung, eine höhere Vergütung sowie mehr KI und digitale Unterstützung. Hier brauche es aber noch weitere Analysen, so Kaapke. Er formulierte anschließend die Idee einer »Notdienstapotheke« analog zur »Notfallpraxis«, die »immer und ausschließlich nachts« geöffnet habe.
Letzte Unterthese: »Die Flächendeckung bedarf dringend einer Operationalisierung aus Apothekensicht«. Ob die sinkende Apothekenzahl nicht eigentlich eine Marktbereinigung sei, überlegte Kaapke. Dass ABDA-Präsident Thomas Preis unlängst betont hatte, wie entscheidend die ausreichende Wirtschaftlichkeit der Apotheken für eine flächendeckende Versorgung sei – guter Ansatz, wie Kaapke meinte. Allerdings sei der Fokus auf die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Apotheke zu richten, nicht auf die Gesamtheit.
»Flächendeckende Versorgung« müsse zudem erst einmal definiert werden, die Apothekerschaft müsse auch Vorschläge machen, wie zu reagieren sei, wenn die Flächendeckung tatsächlich nicht mehr gegeben sei. »Glaubt denn einer, dass die Politik hier einen gescheiten Vorschlag macht? Ich nicht!«
Apotheken müssten sich aus makroökonomischer Sicht nicht komplett neu erfinden, aber es bedürfe einer Kurskorrektur, so Kaapke abschließend.« Eine Revolution wäre falsch, übertrieben und schädlich«, so Kaapke. Vor dem Hintergrund der »unbefriedigenden Honorarfrage« müsse über Schwerpunktverlagerungen nachgedacht werden. Für Einschränkungen beim Nacht- und Notdienst durch die sinkende Zahl der Betriebe müssten Lösungen gefunden werden. Und: »Der Markt schreit auch nach neuen, erweiterten Vorschlägen bei den pharmazeutischen Dienstleistungen, das Geld dafür wäre da und sollte auch abgerufen werden.«
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