»Die Spirale geht nur abwärts« |
Daniela Hüttemann |
20.06.2024 16:26 Uhr |
Erklärten Journalisten die schwierige Lage der Apotheken in Bremen und bundesweit: PhiP Svenja Knoop, Kammerpräsident Klaus Scholz, Verbands-Vizechef Thomas Real und Kammervizepräsident Sebastian Köhler (von links). / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Eine Apotheke zu betreiben gehe eigentlich nur noch über Selbstausbeutung des Inhabers, verdeutlichte der Bremer Kammerpräsident Klaus Scholz die Lage. Da auch im Stadtstaat die Apothekenzahl kontinuierlich beziehungsweise in den letzten Jahren sogar beschleunigt abnimmt, bildeten sich Schlangen in den verbliebenen Apotheken und Patienten müssten mit Wartezeiten rechnen.
Allein in diesem Jahr hat Bremen zehn weitere Apotheken verloren und liegt aktuell bei 125 Apotheken für die 685.000 Einwohner, was einer Apothekendichte von 18 pro 100.000 Einwohner entspricht. Der bundesweite Durchschnitt liegt noch bei 21.
Kammervize Sebastian Köhler verdeutlichte den anwesenden Journalistinnen und Journalisten von Sat 1, Radio Bremen, Weserreport und der Kreiszeitung, dass sich die Lage angesichts der Altersstruktur der verbliebenen Inhaber noch verschärfen werde. In den Vierteln Vahr (Apothekendichte 14 pro 100.000 Einwohner) und Woltmershausen (nur noch eine Apotheke, was einer Dichte von 7 pro 100.000 Einwohnern entspreche) sei die Versorgungslage bereits sehr angespannt, ergänzte Kammergeschäftsführerin Isabel Justus.
Mit den Reformplänen des Bundesgesundheitsministers werde es noch schwieriger, Nachfolger zu finden, die diese Verantwortung tragen wollen. Auch die Bremer Pharmazeutin im Praktikum, Svenja Knoop, die ebenfalls für Presseanfragen bereitstand, kann nicht verstehen, was die Politik da vorhat. »Als ich davon gehört habe, war es wie ein Brett vor den Kopf. Werde ich denn in Zukunft gar nicht gebraucht?«, fragt sie sich im Hinblick auf Karl Lauterbachs Pläne, Filialapotheken ohne Apotheker einführen zu wollen. Konnte sie sich zu Studienbeginn noch gut eine eigene Apotheke vorstellen, sei sie nun durch die Pläne zur Apothekenreform stark verunsichert.
Thomas Real, stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbands, beklagt, dass er seinen Angestellten kein angemessenes Gehalt zahlen könne, weil die wirtschaftliche Lage sich von Jahr zu Jahr verschlechtere, und zwar dramatisch. »Das Packungshonorar stagniert im Grunde seit 20 Jahren, während die Kosten inflationär steigen – die Spirale führt immer weiter abwärts.« Mitarbeiter wanderten ab in Industrie und zu den Krankenkassen, da diese mehr zahlen können, zum Teil bei weniger Stress und attraktiveren Arbeitszeiten.
Von der Idee im Gesetzentwurf, die Öffnungszeiten der Apotheken deutlich zu kürzen, versprechen die Apotheker sich keine Erleichterung: Die Patientenzahl und Arbeit bleibe die gleiche, für die man auch weiterhin genügend Personal benötige – nur in weniger Zeit und mit noch mehr Druck.
Vizepräsident Köhler fürchtet, sollten die nur mit PTA-besetzten Light-Apotheken kommen, würden Kollegen allein aus der Not darauf zurückgreifen. Oder eine solche Light-Apotheke in lohnenswerten Gegenden eröffnen, in Konkurrenz zu vollversorgenden Apotheken – aber nicht dort, wo eine neue Apotheke wirklich gebraucht werde. Zumal die große Frage sei, woher die PTA kommen sollen, die mehr Verantwortung als Filialleitung übernehmen wollen. Berechtigterweise würden sie dann mehr Gehalt erwarten.
»Wir sollen mehr impfen, müssen Lieferengpässe ausgleichen, Antibiotika- und Fiebersäfte für Kinder herstellen und Probleme mit E-Rezepten lösen«, verdeutlichte Scholz die aktuellen Mehrbelastung der Apotheken mit einigen konkreten Beispielen. »Das geht nur mit genügend vollwertigen Apotheken und genügend fachlich qualifiziertem Personal.«
Die Apotheken erwarteten von der Politik und den Krankenkassen nicht mehr als eine angemessene Vergütung und Respekt für ihre Arbeit, so Real. Köhler wurde ebenfalls noch einmal konkret: »Wenn wir das E-Rezept einer älteren Dame mit Rollator aufgrund von Lieferengpässen nicht beliefern können, kümmern wir uns darum. Aber irgendwann werden wir nur noch Dienst nach Vorschrift machen können und die Dame zurück in die Straßenbahn zum vielleicht weiter entfernten Arzt schicken. Das kann doch gesellschaftlich nicht gewollt sein.«