Die Rolle der Apotheken ist für Lauterbach unklar |
Die Pläne der Bundesregierung könnten Vorbild für andere europäische Länder werden – davon war Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Vorstellung der Eckpunkte überzeugt. / Foto: picture alliance/dpa
Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) sollen in Deutschland künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Geplant ist, die Produktion, die Lieferung und den Vertrieb von sogenanntem Genusscannabis innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zuzulassen. Über-18-Jährige sollen 20 bis 30 Gramm straffrei kaufen und konsumieren dürfen, eigener Anbau zum Eigenkonsum soll in begrenztem Umfang erlaubt werden. Anbau und Vertrieb von Genusscannabis sollen einer strikten staatlichen Kontrolle unterliegen. Der Vertrieb darf mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften erfolgen, gegebenenfalls auch in Apotheken. Das sehen die Eckpunkte zur »Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken« vor, die Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) am heutigen Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. Das Bundeskabinett hatte das Eckpunkte-Papier zuvor verabschiedet.
Das Papier hatte die Bundesregierung nach eigenen Angaben nach einem intensiven Austausch mit Expertinnen und Experten und unter Leitung des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung erarbeitet. Demnach waren auch mehrere Ministerien daran beteiligt. Da es bisher durch EU-Verträge verboten ist, Cannabis in den Verkehr zu bringen, erhält die Europäische Kommission das Eckpunktepapier nun zu einer Vorabprüfung. »Wir gehen absolut offen mit dem Thema um und wollen eine Hängepartie unbedingt vermeiden«, sagte Lauterbach heute bei der Vorstellung der Eckpunkte. Erst, wenn die EU-Kommission grünes Licht gibt, kann das Bundesgesundheitsministerium einen Gesetzentwurf erarbeiten. Wie lange das dauern wird, sei völlig unklar. Einen Plan B gebe es nicht. Wenn die EU-Kommission die Pläne für nicht umsetzbar halte, werde es keinen Gesetzentwurf geben. »Wenn alles gut läuft, kann Cannabis zu Genusszwecken in Deutschland frühestens 2024 legal sein«, so der Minister.
Lauterbach zufolge sind die Pläne der Bundesregierung sehr ambitioniert. »Wenn das Gesetz so kommt, wäre es das liberalste in Europa und gleichzeitig das mit der meisten Regulierung des Marktes. Es könnte ein Vorbild für Europa sein«, ordnete der Minister die Bedeutung des Projekts ein. Im Vordergrund stehe dabei der Gesundheitsschutz sowie der Schutz von Kindern und Jugendlichen. Ziel sei es, durch die Legalisierung eine Entkriminalisierung zu bewirken. »Wir wollen den Cannabiskonsum unter Gesundheitsbedingungen reformieren.« Der bisherige Umgang mit Cannabis habe sich als Sackgasse erwiesen. Nach Angabe des Ministers hat ein Viertel der 18- bis 25-Jährigen im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert, die Tendenz sei steigend. Auch der Anteil von verunreinigtem Cannabis nehme zu. »So können wir nicht mehr weitermachen«, betonte der Minister. Ziel der Legalisierung sei es, dass weniger und gesünder konsumiert werde. Außerdem solle stärker aufgeklärt werden.
Für Jugendliche unter 18 sollen der Kauf und Konsum von Cannabis auch künftig verboten bleiben. Um Kinder und Jugendliche zu schützen, müssen Cannabisfachgeschäfte den Eckpunkte zufolge bestimmte Mindestabstände zu Schulen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen einhalten. Das Cannabis soll komplett in Deutschland angebaut werden. Das sei sehr komplex und ambitioniert, so der Minister. Die gesamte Lieferkette soll staatlich kontrolliert werden, um den Gesundheitsschutz sicherzustellen und organisierte Kriminalität einzudämmen.
Cannabis darf den Eckpunkten zufolge ausschließlich in behördlich zugelassenen und überwachten Geschäften abgegeben werden. Andere Genussmittel wie Alkohol und Tabak dürfen dort nicht verkauft werden. Die Betreiber und das Personal dieser lizenzierten Geschäfte müssen Beratungs- und Präventionskenntnisse nachweisen. Die Rolle der Apotheken beim künftigen Vertrieb sei noch unklar. »Wenn es genügend lizenzierte Geschäfte gibt, ist derzeit noch nicht absehbar, ob Apotheken künftig Cannabis anbieten oder nicht«, sagte Lauterbach. Im Eckpunktepapier heißt es: »Um einerseits ein hohes Schutzniveau durch fachkundiges Personal und andererseits eine zügige und weite Verbreitung legaler Vertriebsstellen zu erreichen, könnte es sinnvoll sein, sowohl spezialisierte Fachgeschäfte als auch den Verkauf in Apotheken zuzulassen.« Ob und inwieweit ein Online- beziehungsweise Versandhandel an Privatpersonen durch behördlich zugelassene Geschäfte erlaubt werden soll, bedürfe noch weiterer Prüfung.
Einen einheitlichen Preis für das Genusscannabis soll es nach Informationen des Ministers nicht geben. Den Preis festzulegen, werde eine Herausforderung sein. »Er darf nicht zu hoch sein, damit nicht der Schwarzhandel das Geschäft übernimmt. Aber auch nicht zu niedrig, damit wir nicht Zulieferer für den Schwarzmarkt werden.«
Hier die wichtigsten Inhalte des Eckpunktepapiers im Überblick: