Die richtige Taktik für Impfgespräche |
Jennifer Evans |
21.05.2025 07:00 Uhr |
Vom Zögern zur Zustimmung: Bei impfkritischen Eltern zahlt es sich für Heilberufler aus, behutsam aber hartnäckig zu argumentieren. / © Adobe Stock/Nina/peopleimages.com
Impfstoffe gehören zu den großen Erfolgsgeschichten der Medizin. Weltweit haben sie Schätzungen zufolge inzwischen knapp 150 Millionen Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verhindert. Trotzdem treffen Heilberuflerinnen und Heilberufler immer wieder auf Eltern, die Bedenken und Sorgen haben. Gründe für die Impfskepsis sind vielfältig. Sie reichen von Angst vor Langzeitfolgen über die Sorge vor einer vermeintlichen Überlastung des Immunsystems bis hin zu einem generellen Misstrauen gegenüber Gesundheitssystemen.
Für Gespräche zu diesem Thema braucht es also mehr als Fachwissen. Dabei sind gezielte Kommunikationsstrategien gefragt. Wie eine solches Gespräch gelingen kann, hat der Pädiater Sean T. O’Leary kürzlich im Fachjournal »JAMA« veröffentlicht. Er ist Professor für Kinderheilkunde und Infektionskrankheiten an der University of Colorado Denver Anschutz Medical Campus und dem Children's Hospital Colorado.
Eine gute Ausgangsbasis ist es, sich auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Der Wunsch also, das Richtige für das Kind zu tun. Die Wortwahl ist dabei ausschlaggebend. Wer fragt: »Wie sieht es heute mit einer Impfung aus?«, öffnet einen Raum für Zweifel – auch dort, wo vielleicht ursprünglich gar keine waren. Wer dagegen sagt: »Heute ist es Zeit für Mayas Impfungen«, präsentiert die Impfung als medizinische Routineversorgung.
Studien belegen: Der präsumtive Ansatz, bei dem Heilberuflerinnen und Heilberufler Impfungen als den gängigen Weg aufzeigen, führen häufiger zur Zustimmung als ein partizipativer Ansatz, der zum Nachdenken motiviert. Zusätzlich helfen kleine Hinweise auf die Statistik. Ein Satz wie »Mehr als 95 Prozent der Kinder in unserer Praxis sind vollständig geimpft« kann das Gefühl der Eltern stärken, sich in guter Gesellschaft zu befinden. Sie orientieren sich oft an sozialen Normen. Und erscheint eine Impfung als die Standardwahl, sind die Verweigerer die Ausreißer.
Wenn Mutter und Vater weiterhin zurückhaltend reagieren, ist es Zeit, die Taktik zu ändern– hin zu einer motivierenden Gesprächsführung. Dieser Ansatz ist geprägt von offenen Fragen, Bestätigungen, Reflexionen oder einer Bitte um Zustimmung. So kann es helfen, eine Sorge der Eltern nicht direkt zu widerlegen. Anstatt also bei Bedenken direkt zu entgegnen: »Der Grippeimpfstoff kann keine Grippe auslösen«, wäre es besser einfühlsamer zu reagieren: »Diese Sorge habe ich schon öfter gehört. Darf ich Ihnen sagen, was ich dazu herausgefunden habe?«
Diese Strategie habe Untersuchungen zufolge bei Impfungen gegen humane Humane Papillomviren (HPV) bereits zu messbar höheren Impfquoten geführt, berichtet der Autor. Damit gelinge es, Eltern empfänglicher für anschließende sachliche Informationen zu machen.
Ein weiteres wirksames Kommunikationsmittel ist das sogenannte Prebunking. Dabei geht es darum, Falschinformationen zuvorzukommen. Zum Beispiel: »Es gibt viele ungenaue Informationen über Impfstoffe, die verunsichern können. Ich kann Ihnen gern verlässliche Quellen empfehlen.« So lassen sich Mythen vorab proaktiv entkräften. Der Ansatz wirkt präventiv wie ein Impfstoff gegen Fehlinformation.
Spezifische Ängste erfordern eine fundierte und gleichzeitig verständliche Antwort. Zur Sicherheit von Impfstoffen könnte medizinisches Personal etwa sagen: »Ja, seltene Nebenwirkungen können auftreten. Doch das Risiko ist deutlich geringer als das durch die Krankheiten selbst.« Auch Sorgen über Inhaltsstoffe gilt es richtig einzuordnen – etwa so: »Die Mengen von Aluminium oder Thiomersal in Impfstoffen sind geringer als das, was Kinder täglich aus der Umwelt aufnehmen.« Oder zum Immunsystem: »Es begegnet täglich Tausenden von Antigenen – Impfstoffe sind da kein Ausnahmezustand, sondern gezielte Vorbereitung.«
Oder anstatt einfach zu behaupten, dass Impfstoffe sicher sind, rät O’Leary zu erklären, dass vor ihrer Zulassung strenge Sicherheitsprüfungen erfolgen und sie vom Markt genommen werden müssen, wenn ernsthafte Sicherheitsbedenken auftreten. Das schaffe Vertrauen, betont er.
Zusätzlich lässt sich die Kommunikation durch wertebasierte Botschaften stärken. Wer in solchen Gesprächen Impfungen in Einklang mit den Werten der Eltern bringe, treffe auf mehr Verständnis, schreibt er. Viele impfkritische Eltern schätzen demnach natürliche Gesundheitsmethoden und persönliche Autonomie.
Vor diesem Hintergrund lässt sich gut argumentieren, dass Vakzine die natürlichen Abwehrkräfte der Kinder unterstützen können oder die persönliche Freiheit zu schützen, indem sie schwere Krankheiten verhindern. Ein Hinweis auf den Schutz für Neugeborene, chronisch erkrankter Menschen oder immungeschwächter und älterer Personen kann ebenfalls Wirkung zeigen. Dies Aussagen appellieren an den Gemeinschaftssinn der Eltern.
Der Studienautor stellt jedoch klar, dass Impfgespräche nicht bloß einmalige Diskussionen sind, sondern kontinuierliche Dialoge bleiben werden und ermuntert die Heilberuflerinnen und Heilberufler dranzubleiben. Denn Eltern, die heute vielleicht noch zögerten, könnten vielleicht morgen bereit sein, ihr Kind impfen zu lassen.. Wichtig sei, bei einer klaren Linie zu bleiben, die aus konsequenter Kommunikation, respektvollem Umgang und fachlich fundierten Informationen bestehe. So könne aus Verunsicherung mit der Zeit Vertrauen wachsen, ist O’Leary überzeugt.