»Die Politik zerstört das System Apotheke« |
Auf der Kreuzung zwischen zwei großen Fußgängerzonen protestierten die niedersächsischen Apotheken bereits am 12. Juni lautstark gegen das Apothekensterben und für faire Honorierung und Arbeitsbedingungen. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Wie im Juni gilt: Die Apotheken wollen nicht zulasten ihrer Patienten, sondern auch für deren Arzneimittelversorgung protestieren. Dazu sollen bis auf die notdiensthabenden alle Apotheken in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern am Mittwoch, 8. November ganztägig geschlossen bleiben. Die Apothekeninhabenden und -mitarbeitenden sind aufgerufen, um 12 Uhr mittags zur zentralen Kundgebung nach Hannover zu kommen. Parallel findet auch eine Kundgebung in Schwerin statt. Dort geht es um 14 Uhr in Sichtweite des Schweriner Landtags los.
»Am 8. November protestieren wir auf dem Bahnhofsvorplatz in Hannover für die Stabilisierung der Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort«, sagt Berend Groeneveld, Vorstandsvorsitzender des Landesapothekerverbands (LAV) Niedersachsen. Dort wird auch der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) sprechen. In Schwerin wollen die Apotheken aus Mecklenburg-Vorpommern zusätzlich gemeinsam mit Ärzten und Zahnärzten protestieren.
Den Apotheken ist wichtig, der Politik, den Medien und der Bevölkerung nahe zu bringen, wieso sie erneut protestieren. »Was wir Apotheken erreichen wollen ist: Finanzielle Stärkung und auch weniger Bürokratie!«, betont Groeneveld. »Wenn die Politik jetzt nicht tätig wird, wird der Rückgang der Apotheken sich weiter beschleunigen. Das bedeutet für die Patientinnen und Patienten noch längere Wartezeiten, verkürzte Öffnungszeiten und weitere Wege, um versorgt zu werden.«
Der Apothekerverband Schleswig-Holstein und der Hamburger Apothekerverein erinnern auch an die Beschäftigten in öffentlichen Apotheken: »Wie und wovon sollen Apothekeninhaberinnen und Apothekeninhaber eigentlich noch ihre wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen bezahlen?«, fragen sich die Vorsitzenden Hans-Günter Lund und Jörn Graue. »Die Politik zerstört das System Apotheke. Viele Apotheken sind am Limit, andere mussten bereits ihre Pforten schließen.«
Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände geht in diesem Jahr von rund 600 Apothekenschließungen aus. Zum Stand 31. Dezember 2022 waren es noch 18.068 öffentliche Apotheken bundesweit; damit wird die Zahl auf unter 17.500 Apotheken vor Ort sinken. Bereits in den drei Vorjahren hatte die Apothekenzahl um 322 (2020), 292 (2021) und 393 (2022) Betriebe abgenommen.
»Ohne finanzielle Stützung der Apotheken werden wir im nächsten Jahr einen weiteren, noch nie dagewesenen Rekord an Apothekenschließungen erleben«, prognostizieren Lund und Graue. Leidtragende werden kranke Mitbürgerinnen und Mitbürger sein. »Das ist nicht hinnehmbar! Apotheken müssen deshalb JETZT gestärkt werden!«
Den Plänen von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) erteilen sie eine klare Absage: »Kein Patient, keine Patientin braucht eine von Herrn Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgesehene Apotheke ohne Apothekerin oder Apotheker, die weder Notdienste versieht, noch individuelle Arzneimittel herstellt.« Gefragt sei eine zuverlässige, kompetente und persönliche Arzneimittelversorgung. »Die Bundesregierung sollte sich endlich bei ihren Plänen an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und an dem Versorgungsalltag orientieren«, so Niedersachsens Vorsitzender Groeneveld.
»Das ist ein vergiftetes Angebot, es wird nicht zu Mehrgründungen etwa auf dem Land führen und ist nicht im Sinne der Patienten«, meint auch Thomas Real, stellvertretender Vorsitzender des Bremer Apothekervereins. Er rechnet mit einer genauso hohen Protestbeteiligung wie schon am 14. Juni.
Die lokalen und überregionalen Medien haben die Protestankündigungen bereits aufgegriffen und berichten von den Forderungen der Apotheken.