»Die Politik spart mit dem Rasenmäher« |
Annette Rößler |
23.11.2022 15:00 Uhr |
Dr. Kerstin Kemmritz, die Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, kritisierte die vorgesehenen Honorarkürzungen für Apotheken: Mit der Rasenmähermethode ließen sich die Finanzprobleme der GKV nicht lösen. / Foto: Apothekerkammer Berlin (Archivbild)
Mit einer Schweigeminute gedachten die Delegierten bei der Delegiertenversammlung der AKB am gestrigen Dienstagabend zunächst des am Vortag verstorbenen Kollegen Bernd Godglück, der der Versammlung viele Jahre lang angehört hatte. Godglück war auch Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Apothekerversorgung Berlin (AVB). AVB-Geschäftsführer Martin Reiss würdigte Godglück als »jemanden, der immer für die Gemeinschaft eingetreten ist«. Das sei heutzutage nicht selbstverständlich. Godglücks Nachfolger als Delegierter der AKB ist Stefan Loke.
Kemmritz begann ihren Bericht mit einer Kritik am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. »Wir leben in schwierigen Zeiten«, so die Präsidentin. »Mit dem Rasenmäher« werde versucht, die Finanzprobleme der GKV zu lösen. Mit dem Gesetz setzt die Bundesregierung in vielen Bereichen des Gesundheitswesens den Rotstift an und auch für die Apotheken sind massive Honorarkürzungen vorgesehen. Auf diese Weise könne die Sanierung der GKV-Finanzen aber nicht gelingen, sagte Kemmritz. Denn der Hauptgrund für die klammen Kassen der GKV sei die demografische Entwicklung: Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung wächst und die Senioren nehmen einfach mehr Leistungen der Krankenkasse in Anspruch als jüngere Menschen. »Da braucht es kreative und strukturbasierte Lösungen statt eines Rasenmähers, der alles plattwalzt«, sagte Kemmritz.
Die AKB wolle versuchen, »Lösungen für die Kolleginnen und Kollegen draußen zu erarbeiten, soweit wir das können«. Dazu werde das Gespräch mit der Politik gesucht, um gemeinsam zu schauen, »wie wir mögliche Strukturgesetze sinnstiftend für alle entwickeln können«. Was die Kolleginnen und Kollegen jetzt bräuchten, sei Zuverlässigkeit und Vertrauen. »Letzteres muss die Politik sich erst wieder erarbeiten, nachdem sie einmal mit dem Rasenmäher über uns hinweggegangen ist«, betonte Kemmritz.
Das sei keine einfache Aufgabe, denn momentan sei die Stimmung bei den Apothekern so schlecht wie nie zuvor – und das, obwohl sie derzeit so viele Möglichkeiten hätten, wie noch nie, sagte die Präsidentin wohl mit Blick auf Angebote wie die pharmazeutischen Dienstleistungen und das Impfen in der Apotheke. Ihrem Unmut auf kreative Art und Weise Luft gemacht habe die Kollegin Doreen Wegener mit ihrem Youtube-Protestsong »Was soll das?«. Nun sei Wegener auch auf einer weiteren Youtube-Site aktiv, die unter der Überschrift #druckaufGKV entsteht.
Nicht nur Apothekerinnen und Apotheker, sondern auch Beschäftigte aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens berichteten dort von frustrierenden Erfahrungen in ihrem Berufsleben und machten so auf ihre Probleme aufmerksam. »Die GKV ist zwar nicht für alle diese Probleme der richtige Ansprechpartner, denn sie handelt ja nicht in einem luftleeren Raum«, gab Kemmritz zu bedenken. Gleichwohl sei es eine »sehr kreative Website, die da aufgebaut wurde«.
Um kreative Lösungen, die für die Arbeit in der Apotheke nützlich sind, ging es auch bei der Aussprache über Projekte, die die AKB finanziell fördern könnte. Die Kammer stellt für solche Projekte Mittel zur Verfügung; so hat sie im vergangenen Jahr etwa das Projekt »TEAM« gefördert, das die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Studierenden der Pharmazie und der Medizin an der FU Berlin stärkt. Für die Förderung im laufenden Jahr gab es drei Bewerber: »Interdisziplinäre Polypharmazieanalyse in der Häuslichkeit«, »Optimiertes Personalmatching« sowie »Schaufenstermaterialien mit Klima- und Umweltbezug für Apotheken«.
Diskutiert wurde bei der Delegiertenversammlung vor allem über das dritte Projekt. Dieses sei reine Umweltpolitik und die Förderung daher nicht Aufgabe derApothekerkammer, lautete eine Kritik. Letztlich wurde die Förderung aller drei Projekte von der Delegiertenversammlung mehrheitlich abgelehnt.