Die Pille wird 60 |
Für viele Frauen weltweit das Verhütungsmittel Nr. 1: hormonelle Kontrazeptiva / Foto: Adobe Stock/AntonioDiaz
Am 18. August 1960 wurde in den USA das Arzneimittel Enovid, das bereits seit 1957 als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden auf dem Markt war, offiziell als Verhütungsmittel zugelassen. Ein Jahr später folgte die Markteinführung in Deutschland – zunächst allerdings nur für verheiratete Frauen, die bereits Kinder hatten (1). Die Einführung der Antibabypille markierte insbesondere für Frauen den Beginn eines neuen Zeitalters. Sexualität und Fortpflanzung waren aufgrund der nun möglichen zuverlässigen Empfängnisverhütung nicht mehr zwingend miteinander verknüpft, und die Selbstbestimmungsmöglichkeiten wuchsen.
Bis heute ist die »Pille« eines der am häufigsten verwendeten Verhütungsmittel. Laut einer repräsentativen Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2018 nutzten 47 Prozent der knapp 1000 befragten sexuell aktiven Frauen und Männer die Pille. Allerdings wurde erstmals seit langer Zeit ein Rückgang der Pillennutzung ermittelt, der unter den 18- bis 29-Jährigen mit einem Minus von 16 Prozentpunkten besonders deutlich ausfiel (2). Dennoch spielt die hormonelle Empfängnisverhütung in Deutschland nach wie vor eine sehr große Rolle.
Weitaus am häufigsten wählen Frauen die perorale Form, wenn sie hormonell verhüten wollen. Ein Nachteil ist die erforderliche tägliche Einnahme: Diese zu vergessen, kann die Zuverlässigkeit der Kontrazeption gefährden. Als weitere Darreichungsformen zur hormonellen Verhütung sind im Handel:
Alle hormonellen Kontrazeptiva enthalten als Wirkstoff ein Gestagen. Bei den sogenannten Minipillen, Intrauterinpessaren sowie der »Dreimonatsspritze« ist dieses der einzige Wirkstoff, während alle anderen Präparate zusätzlich eine Estrogen-Komponente, in der Regel das oral bioverfügbare Ethinylestradiol, enthalten. Letzteres sorgt für eine zuverlässige kontrazeptive Wirksamkeit, stabilisiert den Zyklus und verhindert Zwischenblutungen.
Bei den Gestagenen unterscheidet man vier Generationen (Tabelle 1).
Gestagen (Auswahl) | Relatives Risiko für VTE im Vergleich zu LNG-Präparaten | Inzidenz (pro 10.000 Frauen pro Anwendungsjahr) | Präparate (Handelsnamen, Beispiele) |
---|---|---|---|
Nichtanwenderin | - | 2 | - |
Gestagen der 1. Generation | |||
Norethisteron | 1 | 5 bis 7 | Eve 20 |
Gestagen der 2. Generation | |||
Levonorgestrel | 1 | 5 bis 7 | Minisiston, Trigoa |
Gestagene der 3. Generation | |||
Norgestimat | 1 | 5 bis 7 | Cilest, Pramino |
Etonogestrel | 1 bis 2 | 6 bis 12 | Nuvaring |
Gestoden | 1,5 bis 2 | 9 bis 12 | Femovan |
Desogestrel | 1,5 bis 2 | 9 bis 12 | Lamuna |
Gestagene der 4. Generation | |||
Drospirenon | 1,5 bis 2 | 9 bis 12 | Yasmin |
Dienogest | 1,6 | 8 bis 11 | Valette |
Chlormadinon | unbekannt | unbekannt | Bellissima |
Nomegestrolacetat + 17b-Estradiol | unbekannt | unbekannt | Zoely |
Dienogest + Estradiolvalerat | unbekannt | unbekannt | Qlaira |
Insbesondere die Wirkstoffe der dritten und vierten Generation haben neben den gestagenen auch noch antiandrogene und/oder antimineralocorticoide Eigenschaften. Diese sollen zu einer Verbesserung des Hautbildes führen beziehungsweise Ödeme und Gewichtszunahme verhindern.
Die empfängnisverhütende Wirkung beruht im Wesentlichen auf drei Wirkmechanismen, die bei den einzelnen Kombinationen in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen kommen:
Bei den kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) kommen alle drei Mechanismen zum Tragen, was deren hohe kontrazeptive Sicherheit bedingt. Die Gestagen-Monopräparate hemmen die Ovulation dagegen deutlich weniger zuverlässig. Daher gilt die Minipille als weniger zuverlässig (Pearl-Index von 0,5 bis 3 gegenüber 0,1 bis 0,9 für die KOK).
Die weitaus am häufigsten genutzten KOK sind Einphasenpräparate; das heißt, dass ihre Zusammensetzung über die Einnahmedauer hinweg gleich bleibt. Vorteil ist das einfache Applikationsschema: Auf eine Einnahmedauer von 21 Tagen folgt ein siebentägiges tablettenfreies Intervall mit einer Entzugsblutung (21/7-Schema; Grafik). Da insbesondere die Estrogen-Dosis im Lauf der Jahrzehnte immer weiter gesenkt wurde, ist für die niedrig dosierten Präparate auch die Bezeichnung »Mikropille« gebräuchlich.
Bei einigen neueren Präparaten (zum Beispiel Yaz®) ist das hormonfreie Intervall von sieben auf vier Tage verkürzt (24/4-Einnahmeschema). Als Vorteil werden geringere hormonelle Schwankungen und damit positive Wirkungen auf Symptome des Hormonentzugs, zum Beispiel depressive Verstimmung, postuliert (3).
Seltener kommen Mehrphasenpräparate zum Einsatz (Grafik). Bei den Zweiphasenpräparaten (zum Beispiel Biviol®) ist in der ersten Zyklusphase der Estrogen-Anteil höher, in der zweiten Phase dagegen das Gestagen höher dosiert (4). Dieses Verhältnis ist bei den Dreiphasenpräparaten (zum Beispiel Trigoa®) noch weiter an den natürlichen Zyklusverlauf angepasst. Während der Estrogen-Anteil nach fünf Tagen zunächst angehoben und in der zweiten Zyklushälfte wieder abgesenkt wird, steigt die Gestagen-Dosis kontinuierlich.
Abbildung: Unterschiedliche Einnahmeschemata oraler Kontrazeptiva / Foto: Stephan Spitzer
Seit 2009 ist auf dem deutschen Markt zusätzlich ein Vierphasenpräparat verfügbar (Qlaira®). Es enthält statt Ethinylestradiol den Wirkstoff Estradiolvalerat. Im Vergleich zu den dreiphasigen Präparaten ist das Einnahmeschema am Anfang und Ende um jeweils zwei reine Estradiol-Tabletten ergänzt. Dies soll die Zyklusstabilität verbessern (5). Doch das kompliziertere Einnahmeschema aufgrund der unterschiedlichen Tabletten kann Fehler bei der Anwendung begünstigen. Um die Einnahmesicherheit zu erhöhen, enthalten viele Präparate Placebo-Tabletten für das hormonfreie Intervall.
Das hormonfreie Intervall ist grundsätzlich nicht zwingend erforderlich, sodass auch eine Langzeiteinnahme erfolgen kann. Üblicherweise wird hier das 84/7-Schema empfohlen: Einnahme über zwölf Wochen, gefolgt von einem siebentägigen hormonfreien Intervall, in dem eine Entzugsblutung eintritt (Grafik). Dies ist laut eines Cochrane-Reviews von 2014 vor allem bei Frauen von Vorteil, bei denen die Entzugsblutung, zum Beispiel aufgrund einer Endometriose, starke Beschwerden verursacht oder die unter zyklusabhängigen Migräneattacken leiden. Zusätzliche Gesundheitsrisiken im Vergleich zur konventionellen Einnahme bestehen nicht (6).
Die meisten Präparate sind derzeit nicht für den Langzyklus zugelassen. Es gibt aber mittlerweile einige Ausnahmen (zum Beispiel Velmari® Langzyklus, Evaluna® 30 Langzyklus). Normalerweise beginnt die Frau die Einnahme am ersten Zyklustag, das heißt mit Beginn der Regelblutung. Bei Ausschluss einer Schwangerschaft kann sie mit der Einnahme jedoch prinzipiell zu jedem beliebigen Zeitpunkt anfangen (»Quickstart«). Bei Einnahmestart nach dem fünften Zyklustag muss jedoch für eine Woche nach Einnahmestart zusätzlich eine Barrieremethode, zum Beispiel ein Diaphragma oder Kondom, verwendet werden (7).
Im August letzten Jahres wurde unter Federführung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe eine aktualisierte Fassung der S3-Leitline »Hormonelle Empfängnisverhütung« veröffentlicht (AWMF-Registernummer 015/015) (8).
Aufgrund der medizinischen Bedeutung und der großen medialen Aufmerksamkeit in den vergangenen Jahren lag der Fokus auf den thromboembolischen Risiken der Verhütung (9). Bereits Anfang 2014 war ein europäisches Risikobewertungsverfahren abgeschlossen worden, infolgedessen behördlich veranlasste Risikominimierungsmaßnahmen, unter anderem Rote-Hand-Briefe, Änderungen der Fachinformationen und Checklisten für die Verschreibung, umgesetzt werden mussten (10). Nach Analysen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden diese Maßnahmen in Deutschland bisher jedoch teilweise nur unzureichend befolgt (11).
Das Risiko venöser Thromboembolien (VTE) ist bei Frauen im gebärfähigen Alter insgesamt niedrig (etwa 5/10.000 Fälle pro Jahr). Jedoch können hormonelle Kontrazeptiva dieses Risiko in unterschiedlichem Ausmaß erhöhen. Auch eine Schwangerschaft erhöht das VTE-Risiko. Während in der S1-Leitlinie zur Empfängnisverhütung von 2010 vor allem die Bedeutung der Ethinylestradiol-Dosis für das Thromboembolie-Risiko hervorgehoben wurde, jedoch bezüglich der Gestagen-Komponente keinerlei Differenzierung erfolgte (12), wird dieser in der aktualisierten Leitlinie große Bedeutung beigemessen.
Gestagen-Monopräparate (mit Ausnahme der Dreimonatsspritze mit dem Wirkstoff Medroxyprogesteron) bringen keine signifikante Risikoerhöhung mit sich. Dagegen erhöhen kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) in Abhängigkeit von der Gestagen-Komponente das Risiko. Dies gilt auch für die nicht-oralen Darreichungsformen!
Viele Gestagene erhöhen das Thromboembolie-Risiko – auch wenn sie systemisch und nicht peroral zugeführt werden. / Foto: Shutterstock/Beate Panosch
Das geringste Risiko geht demzufolge von Levonorgestrel, Norgestimat und Norethisteron aus. Etonogestrel und Norelgestromin weisen ein höheres, Gestoden, Drospirenon und Desogestrel das höchste Risiko auf. Für Dienogest, Chlormadinon und Nomegestrol kann die Datenlage noch nicht abschließend bewertet werden. Dies gilt auch für die neuen Kombinationen Nomegestrolacetat/17β-Estradiol (Zoely®) sowie Dienogest/Estradiolvalerat (Qlaira®) (8). Das VTE-Risiko häufig eingesetzter Gestagene ist in Tabelle 1 dargestellt.
Gerade die Gestagene der dritten Generation, die mit höheren VTE-Risiken assoziiert sind, erfreuten sich aufgrund der genannten, teilweise stark beworbenen Nebeneffekte zunehmender Beliebtheit. Erfreulicherweise scheint dieser Trend als Folge des Risikobewertungsverfahrens jedoch in Deutschland etwas rückläufig zu sein (11).
Vor der Verordnung eines kombinierten hormonellen Kontrazeptivums – in jeglicher Darreichungsform – sollte der Arzt daher laut Leitlinie in jedem Fall eine ausführliche Risikoanamnese erheben. Es geht um allgemeine Risikofaktoren wie Alter (über 35 Jahre), Body-Mass-Index (über 35 kg/m2) und Raucherstatus, aber auch spezielle Risiken wie aktuell bestehende oder abzusehende Immobilität, zum Beispiel Operationen, sowie Eigen- und Familienanamnese bezüglich einer VTE. Solche Parameter können das VTE-Risiko temporär oder dauerhaft stark erhöhen. Bei zwei oder mehr allgemeinen Risikofaktoren, positiver Eigenanamnese oder Auftreten von VTE bei Verwandten ersten Grades vor dem 45. Lebensjahr sollte keine Estrogen-haltige Kontrazeption verordnet werden. Eine Alternative bieten Gestagen-Monopräparate (Minipille, Intrauterinpessare, Gestagen-Implantat).
Generell sollten vor allem Erstanwenderinnen bevorzugt Präparate mit Levonorgestrel bekommen. Andere Gestagene können nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung und Aufklärung in Betracht kommen (8).
Estrogen-Gestagen-haltige Kontrazeptiva erhöhen auch das Risiko für arterielle thromboembolische Ereignisse (ATE). Dies ist besonders für Frauen mit weiteren Risikofaktoren (Hypertonie, Hyperlipidämie, Adipositas, Raucherinnen, Migräne mit Aura) von Bedeutung. Für Myokardinfarkte beträgt das relative Risiko 1,6 (95-Prozent-Konfidenzintervall: 1,3 bis 1,9), für ischämische Schlaganfälle 1,7 (95-Prozent-Konfidenzintervall: 1,5 bis 1,9) (13).
Das ATE-Risiko korreliert mit der Estrogen-Dosis, sodass der Arzt nach Möglichkeit Kontrazeptiva mit einer niedrigen Estrogen-Dosis verordnen sollte. Dies ist in der Praxis ohnehin bereits fast immer gegeben. Zusätzlich sollte in der Regel halbjährlich der Blutdruck kontrolliert werden.
Bei Migräne-Patientinnen lässt sich die Häufigkeit zyklusabhängig auftretender Attacken durch Kontrazeptiva häufig vermindern. Bei Migräne ohne Aura können die Frauen – wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen – Hormonkombinationen einnehmen. Dagegen kommen bei Migräne mit Aura nur Gestagen-Monopräparate infrage, da diese Erkrankung bereits einen ATE-Risikofaktor darstellt.
Auch bei Frauen mit Diabetes mellitus Typ 1 und 2 bestehen keine Bedenken gegen eine kombinierte hormonelle Kontrazeption, sofern die Frau keine Gefäßschäden und keine Hypertonie hat und nicht raucht (8).
Beeinflussen hormonelle Kontrazeptiva den Knochenstoffwechsel? Eine Reihe von Studien aus den letzten Jahren hat die Knochendichte als Surrogatparameter betrachtet. Ein Cochrane-Review fand keinen Nachweis einer Beeinflussung des Frakturrisikos, jedoch wurde die Qualität der eingeschlossenen Studien lediglich als moderat angesehen.
Eine Ausnahme gilt für Medroxyprogesteronacetat, den Wirkstoff der Dreimonatsspritze: Hier steigt das Frakturrisiko mit der Anwendungsdauer, sodass dieses Verhütungsmittel grundsätzlich nicht als erste Wahl gilt und die Anwendungsdauer so kurz wie möglich sein sollte (14). Dies ist auch angesichts einer häufig auftretenden Zunahme des Körpergewichts sinnvoll.
Die Pille beeinflusst das Körpergewicht weitaus weniger als Frauen oft vermuten. / Foto: Adobe Stock/viperagp
Mit Ausnahme von Medroxyprogesteronacetat gibt es keine Evidenz für eine Beeinflussung des Körpergewichts durch hormonelle Kontrazeptiva. Umgekehrt beeinflusst ein hohes Körpergewicht nicht grundsätzlich deren Wirksamkeit. Bei Adipositas ab Grad I ist die Datenlage allerdings nicht ganz eindeutig, sodass die Frauen nicht-hormonelle Verhütungsmethoden bevorzugen sollten.
Dagegen gibt es bei der Notfallkontrazeption (Kasten) Hinweise auf eine verminderte Wirksamkeit bei erhöhtem Körpergewicht, insbesondere für Levonorgestrel. Ab einem Body-Mass-Index über 30 kg/m2 eignet sich eine Kupferspirale besser zur Notfallkontrazeption (8).
In den vergangenen Jahren rückten die Auswirkungen von hormonellen Kontrazeptiva auf die weibliche Psyche in den Fokus. Eine dänische Studie aus dem Jahr 2017 (15) bejahte das mögliche Auftreten von Stimmungsschwankungen. Dies führte dazu, dass als Konsequenz eines Signalverfahrens der EMA 2018 ein Warnhinweis auf depressive Verstimmungen und Depressionen, die im Extremfall zum Suizid führen können, in die Produktinformationen aufgenommen werden musste. Für eine Verschlechterung bestehender Depressionen gibt es dagegen keine Hinweise.
Veränderungen der Libido wurden in Studien bei der Mehrzahl der Frauen zwar nicht beobachtet; diese kann aber sowohl zu- als auch abnehmen (jeweils 15 bis 20 Prozent der Frauen). Ein eindeutiger Zusammenhang mit der Zusammensetzung des Verhütungsmittels wurde nicht festgestellt (16).
Die Leitlinienkommission empfiehlt eine entsprechende Aufklärung der Frauen in Bezug auf die psychischen Aspekte.
Foto: Shutterstock/Image Point Fr
Im Unterschied zu den regulären hormonellen Kontrazeptiva kommen zur Notfallkontrazeption ausschließlich Gestagene zum Einsatz. Die Dosis ist in dieser Indikation deutlich höher. Die längste Erfahrung liegt für 1,5 mg Levonorgestrel vor (zum Beispiel PiDaNa®). Die Einnahme ist bis zu 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr möglich. Vor dem Eisprung, genauer gesagt vor Anstieg des LH-Spiegels eingenommen, wird der Eisprung verschoben oder ganz verhindert. Ist dieser schon erfolgt, wird die Einnistung der befruchteten Eizelle nicht mehr beeinflusst. Auch ein Einfluss auf den Zervixschleim fehlt.
Seit 2012 ist ein weiterer Wirkstoff für die Notfallkontrazeption verfügbar: Ulipristalacetat (zum Beispiel EllaOne®). Dieser kann bis zu 120 Stunden (fünf Tage) nach ungeschütztem Verkehr angewendet werden. Ulipristalacetat ist auch wirksam, wenn der LH-Spiegel bereits angestiegen ist.
Wichtig zu wissen: Die Ovulation wird nicht in jedem Fall verhindert; vielmehr verschiebt sich das fertile Fenster zeitlich nach hinten. Daher muss die Frau für den Rest des Zyklus in jedem Fall zusätzlich verhüten.
Ihre reguläre hormonelle Kontrazeption sollte die Frau in beiden Fällen normal fortsetzen. Der Apotheker sollte sie darauf hinweisen, dass die Monatsblutung verfrüht, verspätet oder verändert auftreten kann.
In der Vergangenheit wurde in der Literatur mehrfach eine Assoziation zwischen gutartigen Lebertumoren und hormonellen Kontrazeptiva postuliert. Mit Ausnahme von fokalen nodulären Hyperplasien, für die ein Zusammenhang widerlegt wurde, ist jedoch bisher keine eindeutige Evidenz aus Studien verfügbar. Dennoch gilt die Empfehlung, hormonelle Kontrazeptiva bei Patientinnen mit Leberadenomen und malignen Lebertumoren nicht einzusetzen.
Weiterhin wird in der Leitlinie der Einfluss einer hormonellen Kontrazeption auf die Inzidenz verschiedener Tumorarten betrachtet. Für das Mammakarzinom ist die Datenlage nicht eindeutig und eine geringfügige Erhöhung des Risikos nicht auszuschließen. Daher sollen Frauen nach Mammakarzinom nicht hormonell verhüten. Während das Zervixkarzinom-Risiko insbesondere bei langjähriger Anwendung erhöht ist, sinkt das Risiko für Ovarial-, Endometrium- und Kolonkarzinome (8).
Zwischen hormonellen Kontrazeptiva und anderen Arzneimitteln können klinisch relevante Interaktionen auftreten. Diese sind in aller Regel pharmakokinetischer Art. Eine Verminderung der kontrazeptiven Wirkung ist insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme teratogener Arzneistoffe, beispielsweise Valproinsäure, relevant, da eine Schwangerschaft hier in jedem Fall verhindert werden muss. Tabelle 2 gibt einen Überblick über wichtige Interaktionspartner. Jedoch ist die Datenlage bezüglich der tatsächlichen klinischen Relevanz für viele Arzneistoffe unzureichend.
Arzneistoffgruppe, Arzneistoffe | Mechanismus | Klinische Relevanz |
---|---|---|
Antiepileptika | ||
Carbamazepin, Eslicarbazepin, Felbamat, Mesuximid, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rufinamid | Enzyminduktion | mögliche Reduktion kontrazeptiver Wirksamkeit |
Topiramat | Enzyminduktion | im niedrigen Dosisbereich vermutlich gering |
Lamotrigin | unbekannt | sehr wahrscheinlich gering |
HIV-Therapeutika: Protease-Inhibitoren | ||
Ritonavir | CYP450, Induktion der Glucuronidierung | hoch, zusätzliche Kontrazeptionsmethode nötig |
Atazanavir (geboostert) | Induktion der Glucuronidierung | relevant, KOK mit mindestens 30 µg Ethinylestradiol |
Tipranavir (geboostert) | CYP3A4 | relevant |
Saquinavir, Darunavir, Nelfinavir, Fosamprenavir, Lopinavir (jeweils geboostert) | CYP450, Induktion der Glucuronidierung | möglicherweise relevant |
HIV-Therapeutika: nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren | ||
Efavirenz | Enzyminduktion | relevant |
Nevirapin | Enzyminduktion | mittel |
Notfallkontrazeptivum | ||
Ulipristalacetat | Progesteronrezeptor-Antagonist | theroretisch relevant, für restlichen Zyklus zusätzliche Barrieremethode verwenden |
Antidepressivum | ||
Johanniskraut | Enzyminduktion | theoretisch relevant |
Zahlreiche Arzneistoffe können Erbrechen oder Diarrhö auslösen und damit die Resorption stören. Zudem verändern einige Antibiotikaklassen, zum Beispiel Penicilline, Tetracycline oder Makrolide, vermutlich das Mikrobiom. In der Folge wird der enterohepatische Kreislauf der Steroidhormone unterbrochen. Eine zusätzliche Verhütung scheint nicht grundsätzlich erforderlich zu sein; bei Erbrechen und/oder Diarrhö sind zusätzliche nicht-hormonelle Maßnahmen jedoch empfehlenswert.
Durch Enzyminduktion werden die Serumspiegel sowohl von Ethinylestradiol als auch der Gestagene gesenkt, sodass Zwischenblutungen und im Extremfall ungeplante Schwangerschaften eintreten können. Nimmt eine Frau entsprechende Arzneimittel ein, ist eine ausführliche Beratung zu einer zuverlässigen Kontrazeption nötig. Gegebenenfalls ist ein Präparat mit einem nur viertägigen einnahmefreien Intervall zu bevorzugen und zusätzlich eine Barrieremethode anzuwenden. Eine Alternative bietet eine Pille mit einem hohen Ethinylestradiol-Gehalt (50 bis 70 µg).
In Kombination mit sehr starken Enzyminduktoren, zum Beispiel Rifampicin, ist eine alleinige hormonelle Verhütung allerdings keine Option. Ist eine Notfallkontrazeption erforderlich, sollte die doppelte Standarddosis Levonorgestrel (3 mg) eingenommen werden. Dabei handelt es sich um einen Off-Label-Use. Die Apotheke sollte die Frau unbedingt an einen Gynäkologen verweisen. Ulipristalacetat ist aufgrund der fehlenden Erfahrung nicht geeignet (8).
Bisher ist eine hormonelle Verhütung ausschließlich für Frauen möglich. Jedoch wird bereits seit mehreren Jahrzehnten an entsprechenden Möglichkeiten für das männliche Geschlecht geforscht.
Eine von der WHO initiierte vielversprechende Studie, bei der Männer einmal monatlich eine Kombination aus Testosteron und einem Gestagen per Injektion erhielten, scheiterte 2011. Die Wirksamkeit basiert auf einer zuverlässigen und reversiblen Unterdrückung der Produktion befruchtungsfähiger Spermien und war in der Studie durchaus ausreichend. Bis zu 10 Prozent der Männer berichteten jedoch über Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen, Brustspannen und depressive Verstimmung. Diese Zahl war letztlich zu gravierend und führte zum Abbruch der Studie – eventuell auch, weil die heutigen Anforderungen an die Sicherheit höher sind als noch in den 1960er-Jahren.
Seit 2019 befindet sich ein transdermales Gel mit einer ähnlichen Wirkstoffkombination in der klinischen Prüfung der Phase IIb. Dieses soll die Spermienproduktion ebenfalls so weit unterdrücken, dass eine Konzeption verhindert wird. Offen ist, ob diese Methode bis zur Marktreife entwickelt werden kann (17).
Ein weiterer hoffnungsvoller Wirkstoff ist EP055, für das allerdings bisher nur präklinische Daten vorliegen. Bei diesem Wirkstoff handelt es sich nicht um ein Hormon, sondern um einen Hemmstoff des Enzyms EPPIN (Epidymaler Proteaseinhibitor). Dadurch wird die Mobilität der Spermien sehr stark vermindert, sodass keine Befruchtung mehr möglich ist (18).
Hormonelle Kontrazeptiva werden nicht ausschließlich zur Empfängnisverhütung verwendet, sondern auch in anderen Indikationen – vor allem, wenn die Frau ohnehin eine Kontrazeption wünscht.
Bei Frauen mit Androgenisierungserscheinungen (Akne, Hirsutismus und androgenetische Alopezie), zum Beispiel im Rahmen eines polyzystischen Ovarialsyndroms, wirken Kombipräparate auf zweifache Weise: Zum einen kommt es durch den Estrogen-Anteil zu einer vermehrten Produktion des Sexualhormon-bindenden Globulins in der Leber und in der Folge zur Abnahme des freien Testosterons im Serum. Weiterhin wirken viele Gestagen-Komponenten (Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat, Drospirenon, Dienogest, Nomegestrolacetat, nicht aber Levonorgestrel) antiandrogen.
Beratungstipp in der Offizin: Eine Akne bessert sich meist bereits innerhalb der ersten beiden Zyklen deutlich, während der Hirsutismus oft erst nach sechs bis neun Monaten anspricht. In Bezug auf die androgenetische Alopezie werden meist nur unbefriedigende Ergebnisse erzielt. Unerlässlich ist die Risikoaufklärung zu den bei dieser Indikation verwendeten Gestagenen (8).
Für die Stillperiode sind die Sicherheitsdaten zu kombinierten Kontrazeptiva derzeit nicht ausreichend. Daher sind diese in den ersten sechs Monaten post partum zu vermeiden. Danach kann ihre Anwendung erwogen werden. Für Gestagen-Monopräparate ist dagegen gesichert, dass sie weder das Wachstum der gestillten Kinder noch die Milchbildung und -qualität beeinflussen. Daher können diese Präparate in der Stillzeit und bereits kurz nach der Entbindung verwendet werden (8).
In der Prä- und Perimenopause gelten grundsätzlich keine Einschränkungen bezüglich der Verhütungsmethoden. Jedoch sind die beschriebenen Risiken, die durch das höhere Lebensalter verstärkt auftreten, zu berücksichtigen. Die Frage, wie lange eine Frau verhüten muss, ist nicht einfach zu beantworten: Die Menopause lässt sich nur im Nachhinein feststellen, wenn zwölf Monate lang keine Regelblutungen mehr aufgetreten sind. Alternativ kann eine mehrmalige Messung der FSH- und Estrogen-Spiegel Gewissheit bringen.
In puncto Verhütung bieten sich in der Apotheke viele Beratungsfelder. So können Apotheker unter Berücksichtigung bekannter Risikofaktoren, persönlicher Vorlieben und eventuell erforderlicher Begleitmedikation der Frau geeignete Verhütungsmethoden vorstellen.
Bei Einnahmefehlern oder gastrointestinalen Störungen können sie hilfreiche Informationen geben und im Bedarfsfall zusätzliche Verhütungsmaßnahmen oder eine Notfallkontrazeption anraten.
Wichtig ist immer, Frauen gemeinsam mit dem behandelnden Gynäkologen gründlich über Risiken aufzuklären, ohne sie zu verunsichern. Das ist nur in einem ausführlichen persönlichen Gespräch möglich.
Katharina Holl studierte Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und wurde dort 2013 am Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie promoviert. Seitdem ist sie im Bereich der Arzneimittelzulassung in der pharmazeutischen Industrie tätig, zunächst bei der DiaMed GmbH und seit 2016 bei der BODE Chemie GmbH. Sie ist Mitglied des Vorstands der Apothekerkammer Hamburg.