Die PDL von den pDL überzeugen |
Daniela Hüttemann |
16.07.2025 18:00 Uhr |
Führen Apotheker Medikationsanalysen für Heimbewohner durch, sollten sie die Ergebnisse auch mit der Bezugspflegekraft besprechen und sie dafür sensibilisieren, dass so manches Symptom durch Arzneimittel ausgelöst werden kann. / © Getty Images/miodrag ignjatovic
Macht ihr das nicht sowieso schon? Wie oft hören das Apotheken, wenn sie Medikationsanalysen, Inhalatorschulungen und andere pharmazeutische Dienstleistungen anbieten wollen – auch bei Heimpatienten. Gerade bei ihnen ist das nicht nur pharmazeutisch sinnvoll, sondern kann, gut organisiert, auch durchaus lukrativ sein. Wie man es am besten anstellt, war vergangene Woche Thema der pDL-Akademie von Pharma4u.
»Natürlich kümmern wir uns immer gut um die Versorgung Ihrer Bewohner und haben insbesondere Interaktionen bei den Anforderungen im Blick«, entgegnet dann Dr. Ina Richling gern der Heim- und Pflegedienstleitung (PDL). Ihr wichtigster Tipp: »Sie müssen betonen, was anders ist: der patientenzentrierte Blick.«
Apotheken schauten meist vor allem auf das Arzneimittel: ist es die richtige Packungsgröße, entspricht es dem Rabattvertrag, hat es keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und so weiter. Bei einer Dienstleistung, insbesondere der erweiterten Medikationsberatung Polymedikation, liege der Fokus dagegen auf dem Menschen.
Wie geht es dem Patienten, hat er zum Beispiel Schluckbeschwerden oder Symptome, die potenziell von Arzneimitteln ausgelöst werden, wie steht es um seine Nierenfunktion und seinen Blutdruck, was sind die zugrunde liegenden Diagnosen und vereinbarten Therapieziele? Dazu braucht die Apotheke jedoch mehr Informationen, als sie normalerweise vom Heim bekommt.
Und dann ist man gleich beim zweiten Einwand: Die Pflegedienstleitung fürchtet mehr Arbeit für die Pflegekräfte. »Sie müssen hier die Erwartungshaltung verstehen: Pflegekräfte sind extrem überarbeitet, müssen alles mögliche dokumentieren, zudem gibt es eine hohe Fluktuation«, so Richling, die sowohl für eine heimversorgende Apotheke als auch als Stationsapothekerin tätig ist. Ihr zweiter Tipp: »Betonen Sie: Letztlich nehmen wir Ihnen Arbeit ab, indem die Therapie besser eingestellt wird.«
Eben durch die gründliche Dokumentation liegen viele Informationen vor und müssen nur übermittelt werden. Zudem gibt es hier bereits viel Hilfsmaterial wie Checklisten von der Bundesapothekerkammer oder AMTS-Software, auch speziell für Medikationsanalysen in Pflegeheimen. Dazu sollte der betreuende Apotheker direkten Kontakt zur Bezugspflegekraft des jeweiligen Patienten haben. Im Optimalfall spricht man auch mit dem Patienten selbst. Häufig sind auch die Angehörigen interessiert.
Gerade am Anfang lohne es sich, öfter im Heim vor Ort Präsenz zu zeigen oder auch mal Heimleitung und Pflegekräfte in die eigene Apotheke einzuladen, um die Abläufe dort zu zeigen. »Lernen Sie, ›Pflegerisch‹ zu sprechen«, riet Richling. Man müsse sich mit dem Fachvokabular bekannt machen und sollte die einzelnen Pflegegrade kennen. Der Begriff pDL ist übrigens am Anfang erklärungsbedürftig. Denn im Heim steht PDL mit großem P für Pflegedienstleitung.
Apotheken könnten auch anbieten, bei der Einführung von pDL für ein Heim die arzneimittelbezogenen Probleme (ABP) und die Outcomes zu erfassen. »Das ist auch eine schöne Aufgabe für einen Pharmazeuten im Praktikum«, so die Apothekerin. Ein regelmäßiger Austausch mit dem Heim kann helfen, die Prozesse zu optimieren.
Ganz ohne Rücksprache mit dem Arzt lässt sich häufig die Einnahme vereinfachen. Durch Umstellung des Einnahmezeitpunkts eines Diuretikums muss beispielsweise ein Patient vielleicht weniger häufig nachts zur Toilette. Die Sturzgefahr kann minimiert werden. Oft fallen auch (Pseudo)Doppelmedikationen oder Verordnungskaskaden auf, die in Rücksprache mit den Ärzten aufgelöst werden können. Dann kann zum Beispiel die anticholinerge Last reduziert oder eine Hyponatriämie behoben werden und ein lethargisch oder gar dement wirkender Heimbewohner wird wieder klarer.
»Verdeutlichen Sie, dass wir hier viel Gutes tun können. Und wenn es den Patienten besser geht, hat die Pflege auch etwas davon«, ist Richling überzeugt. »Müdigkeit, Blutdruckabfall, Stürze, Seheinbußen, kognitive Einschränkungen – das bedeutet alles einen höheren Pflegeaufwand.«
Fall 1: Ein Heimbewohner hat Durchfall; die Pflegekraft fordert in der Arztpraxis ein Loperamid-Rezept an. »Aber keiner fragt, woher der Durchfall kommt«, bemängelt Richling. Hier bekam der Patient hoch dosiertes Metformin vor dem Essen. Die Einnahme nach dem Essen gepaart mit einer Dosisreduktion konnte das Problem beheben.
Fall 2: Ein Bewohner klagt über Übelkeit. Er bekommt Metoclopramid (MCP) verordnet und entwickelt extrapyramidale Nebenwirkungen. Es wird ein Neurologe konsultiert; dieser verordnet Levodopa. Bei der Medikationsanalyse fällt das MCP auf. »Wir sollten immer an der Wurzel ansetzen. In diesem Fall konnten wir als Apotheker sogar Parkinson heilen«, scherzt Richling. »Machen Sie nicht nur einen Interaktionscheck; schauen Sie sich den Patienten und seine Beschwerden an.«
Fall 3: Eine Patientin nimmt Amlodipin und entwickelt Ödeme. Daraufhin bekommt sie Torasemid – und einen akuten Gichtanfall. Es kommen Allopurinol und gegen die Schmerzen Ibuprofen hinzu, wegen letzterem auch noch Pantoprazol, so skizziert Richling eine extreme Verordnungskaskade mit vier zusätzlichen Medikamenten. Womöglich gibt es jedoch für das Amlodipin eine Alternative.
Und wenn die Pflegedienstleitung argumentiert, man wolle das mit der Medikation ungern aus der Hand geben? Dann könne man Schulungen für die Pflegekräfte anbieten, damit sie wissen, wie die Medikamente wirken und sie optimal angewendet werden, welche Nebenwirkungen sie auslösen können und wie man sie vermeiden kann – da könne es einige Aha-Effekte geben.
»Gerade Stürze will man unbedingt vermeiden – dann muss der Bewohner womöglich ins Krankenhaus und es fehlt dem Heim für diese Zeit das Geld«, berichtete die Referentin. »Zudem kommt der Patient meist in schlechterem, also pflegebedürftigerem Zustand zurück. Besprechen Sie den Fall mit der Bezugspflegekraft – genau das ist patientenzentriert und eben keine Standardversorgung.«
Eine weitere Angst könne sein, die Pflegekraft solle nun beim Arzt durchsetzen, was die Apothekerin sich überlegt hat. Auch das kann man entkräften, denn wie bei Medikationsanalysen in der Apotheke ist es auch bei Heimpatienten Aufgabe der durchführenden Apothekerin, etwaige ABP mit dem verordnenden Arzt zu klären. Der Kurzbericht über die Ergebnisse einer Medikationsanalyse an den Arzt sollte dann auch das Pflegeheim erhalten.
Es empfiehlt sich, zumindest die hauptverordnenden Ärzte vor Beginn der Einführungen der pDL zu informieren und den bevorzugten Kommunikationsweg zu erfragen, riet Richling. Verbesserungsvorschläge könne man im Konjunktiv präsentieren und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl. »Auch hier gilt: Stellen Sie den Patienten in den Mittelpunkt und zeigen Sie ein breites pharmazeutisches Kreuz.«
Richling erinnerte an die Ergebnisse des ARMIN-Projekts. Hier konnte gezeigt werden, dass eine gemeinsame Betreuung durch Apotheke und Arztpraxis sogar die Mortalität senkt oder wie Richling sagt: »Wir wirken besser als jedes Medikament und verlängern Leben. Das haben auch die Krankenkassen erkannt. Deshalb gibt es diese Leistung und die Krankenkassen bezahlen sie.«
Einmal überzeugt möchte die Heimleitung vielleicht, dass die Apotheke direkt für alle Bewohner Medikationsanalysen anbietet – oder gar den ganzen Pflegeheimverbund, auch wenn nicht alle Heime von einer Apotheke versorgt werden.
Richling rät hier zu einem schrittweisen Vorgehen: Man sollte mit einem Heim anfangen und dort am einfachsten mit den Neueinzügen. Dann könne man direkt auch alle erforderlichen Unterschriften einholen (siehe Kasten). Ebenfalls anbieten würden sich Heimbewohner nach Krankenhausaufenthalt. Zudem ist es hilfreich, wenn ein guter Kontakt zu den Pflegekräften besteht, die mit geschultem Blick sagen können, welcher Bewohner besonders profitieren könnte.
Auch für Heimbewohner gilt, dass es für die Durchführung von pDL einer schriftlichen Vereinbarung bedarf, mit dem Patienten selbst oder gegebenenfalls einem bevollmächtigen Angehörigen. Das Heim kann die entsprechenden Dokumente am besten gleich bei Einzug eines Bewohners mitunterschreiben lassen. Auf jeden Fall braucht es auch eine Schweigepflichtentbindung zwischen Apotheke und Pflegeheim sowie Apotheke und behandelnden Ärzten, die aber in der Regel ohnehin für die Belieferung getroffen wird. Eine durchgeführte pDL kann die Pflege quittieren.
Und so kann man sich langsam vorarbeiten, auch mit Hilfe der eigenen Software, die Patienten mit mindestens fünf systemischen Medikamenten in Dauermedikation anzeigt. »Es ist übrigens auch ein gutes Ergebnis, wenn man nichts findet«, betonte Richling. Dann meldet man, dass alles geprüft wurde und ok ist und kann die erbrachte Leistung wie gewohnt abrechnen.
Hat sich eine Routine etabliert, können weitere Heime, die man versorgt, hinzukommen. Ein No-Go ist aus Richlings Sicht, pDL für Heime anzubieten, die man nicht selbst medikamentös versorgt. Aber vielleicht spornt es die versorgende Apotheke an, nachzuziehen.
Neben der pDL Polymedikationsberatung können auch die anderen pDL anspruchsberechtigten Heimbewohnern angeboten werden. Vielleicht nimmt auch die Pflegekraft noch etwas bei der Inhalatorschulung mit. Und die standardisierte Blutdruckmessung kann zur externen Qualitätskontrolle dienen beziehungsweise messen die Pflegekräfte nicht bei allen Bewohnern, sondern nur auf Anordnung.
Und was hat last but not least die Apotheke davon? Richling: »Pharmazeutisches und interprofessionelles Arbeiten machen Spaß und sind attraktiv für den Nachwuchs. Wir haben Wissen, das kein anderer hat, zum Beispiel zu Galenik und Kompatibilität von Arzneimitteln. Die Wahrnehmung als Heilberufler steigt und wir bieten etwas, das keine Online-Apotheke kann.« Termine lassen sich gut planen, Prozesse optimieren und letztlich auch der Umsatz steigern.