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Kinogeschichte

Die Pandemie im Film

Ängste und Hoffnungen im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten haben in den vergangenen 100 Jahren eine große Rolle in der Filmwelt gespielt. Das belegen aktuelle US-amerikanische Forschungen der Universität New Mexiko.
Jennifer Evans
06.06.2020  10:00 Uhr

Filme sind ein Spiegel kultureller Erfahrungen, betont Walter Dehority, Spezialist für pädiatrische Infektionskrankheiten an der Universität New Mexiko in Albuquerque. In vielen Hollywood-Streifen gehe es vor allem um die Emotionen, die der Ausbruch einer Infektionskrankheit oder Pandemie mit sich bringe. Für seine jüngsten Untersuchungen hat der Wissenschaftler die Film- und Fernseh-Datenbank »Internet Movie Database« herangezogen und anhand von entsprechenden Suchbegriffen Filme herausgefiltert, deren inhaltlicher Fokus auf einer Infektionskrankheit liegt. Mit seinem Beitrag, der kürzlich in der medizinischen Fachzeitschrift »JAMA« der American Medical Association (AMA) erschienen ist, erweitert Dehority seine Forschungsarbeiten aus dem Jahr 2017.

In insgesamt 373 Filmen ging es im Untersuchungszeitraum seiner Studie bis zum 31. Dezember 2019 um Infektionskrankheiten. Gut 38 Prozent davon stellen die Bedrohung oder die Folgen eines Krankheitsausbruchs dar – entweder innerhalb eines Landes oder in Form einer Pandemie über mehrere Nationen oder Kontinente hinweg. Für seine aktuelle Analyse hat Dehority sich auf 80 Filme konzentriert, die aufgrund ihres kommerziellen Erfolgs oder ihrer Auszeichnungen in den vergangenen rund 100 Jahren als kulturell relevant eingestuft worden waren.

Die Ergebnisse zeigen, dass acht von neun Streifen zwischen 1914 und 1957 den Mediziner als selbstlosen Helden zeigen. In »The Green Light« von 1937 hält ein Arzt die Ausbreitung des Fleckfiebers auf, indem er eine Impfung entwickelt, die er zuerst an sich selbst testet. Und durch den unermüdlichen Kampf gegen die Cholera setzt ein Mediziner in »Painted Veil« (1934) seine Ehe aufs Spiel. Bis in die frühen 1950er-Jahre lassen sich Dehority zufolge solche heroischen Darstellungen von Medizinern beobachten, die schließlich in dem 1950 Oscar-gekrönten Film »Panic in the Streets« gipfelten, in dem es um die erfolgreiche Beendigung einer Pest-Epidemie in New Orleans geht.

Angriffe aus dem All

Nachdem die sowjetischen Sputnik-Satelliten 1957 den Weltraum eroberten, nahm sich die Filmindustrie den Gefahren außerirdischer Mikroorganismen an, etwa in »Space Master X-7« aus dem Jahr 1957, in dem ein tödlicher Pilz auf einem Satelliten zur Erde gelangt. Hier wird zudem erstmals am Beispiel einer Reisenden gezeigt, welchen großen Einfluss die Globalisierung bei der Entstehung einer Pandemie hat. Auch »The Angry Red Planet« von 1959 greift das Thema Weltraum auf, als die Astronauten eine gefährliche Infektion vom Mars mitbringen – seinerzeit ein zentrales gesellschaftliches Thema, so der Forscher. »Fremdartige Infektionen bedrohten das neue Vertrauen in Antibiotika.« Dehority bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die Apollo-Astronauten nach ihrer Rückkehr aus dem All noch bis 1970 aus Sorge vor unbekannten Krankheitserregern drei Wochen lang in Quarantäne gehen mussten.

Die ökologische Bewegung dominierte die Kino-Hits der 1960er- und 1970er-Jahre. Eingebettet in eine düstere Ära von Pandemie-Filmen beschäftigten sich 16 Werke zu dieser Zeit mit dem Thema Umweltzerstörung. Erstmals porträtierten Dehoritys Analyse zufolge »Beyond the Time Barrier« aus dem Jahr 1960, »The Last Man on Earth« von 1964 und der 1971 gedrehte Streifen »The Omega Man« die postapokalyptische Erde.

In den 1980er- und 1990er-Jahren waren es nur noch rund ein Dutzend Filme, die Infektionskrankheiten in den Mittelpunkt ihrer Handlungen stellten. Und bei den damals kulturell relevantesten ging es um das HI-Virus, das dabei war, sich zu einer weltweiten Pandemie zu entwickeln. Nach 2000 überwogen dann mit 20 Filmen zunehmend kinematisch düstere Werke mit »postapokalyptischen Szenerien« und »Horden von Untoten«.

Zombies und biologische Kriegsführung

In den 80 von Dehority untersuchten Werken lassen sich aber auch Wiederholungen bei der Themenauswahl beobachten. Häufig geht zum Beispiel mit einer Infektion die Transformation eines Menschen in einen Zombie einher. Auf der Leinwand stehe die Krankheit häufig in Zusammenhang mit dem Verlust von Menschlichkeit, so der Forscher. Allein in 23 Filmen waren Infizierte nur noch Objekte, die es zu zerstören galt. Dabei fürchteten die Verwandelten den Verlust ihrer Persönlichkeit stets mehr als den ihres Lebens – so auch in »Day of the Dead« von 1985.

Auch die biologische Kriegsführung gehört zu den immer wiederkehrenden Motiven. Seit 1948 kam sie in jeder Dekade der Kinogeschichte vor, insgesamt gehören 28 der analysierten Hollywood-Streifen dazu, darunter »Counterblast« von 1948. Fast genauso viele, nämlich 27 Filme befassen sich zusätzlich mit postapokalyptischen Inhalten. In 14 von ihnen entsteht eine Pandemie aufgrund von menschlichem Versagen oder persönlicher Selbstüberschätzung. Oder es geht um Unachtsamkeit im Umgang mit einem Erreger, der für medizinische Zwecke wie die Entwicklung eines Impfstoffs gedacht war.

Mit kriminellen Regierungen setzen sich 20 Lichtspiele auseinander. Zentral ist darin das bittere Gefühl von Täuschung und Betrug, hebt Dehority hervor. Ein Beleg dafür ist der Film »The Alpha Incident« von 1978, in dem mit einem Virus infizierte Bürger tödliches Gift als vermeintliches Medikament erhalten, weil die Regierung einen Krankheitsausbruch vertuschen will. Auf geheimen Tests militärischer Biowaffen in einer Kleinstadt liegt das Augenmerk bei »Warning Sign« von 1985. Drakonische Methoden zur Eindämmung einer Pandemie, die bis zum Mord gehen, sind inhaltliche Komponenten von Streifen wie »The Cassandra Crossing« von 1976 und »Doomsday« aus dem Jahr 2008.

Impfstoff nur für Privilegierte

Die Stigmatisierung von infizierten Menschen reicht in der Filmgeschichte bis in die 1940er-Jahre zurück. Wie in »Philadelphia« von 1993 ist es oftmals ein herausragendes Merkmal dieser Werke, der betroffenen Person die Schuld an ihrer Erkrankung zu geben. In diesem Fall geht es um das HI-Virus. In Zeiten der Coronavirus-Pandemie sei das Thema der Ausgrenzung wieder hochaktuell, betont Dehority.

Damit in Zusammenhang stehe die Bedeutung sozialer Unterschiede. In 18 der Produktionen geht es darum, eine Plage insbesondere von Privilegierten fernzuhalten oder dieser Personengruppe den Zugang zur medizinischen Versorgung deutlich leichter zu gestalten als den sozial schwächer gestellten Menschen. So erhalten in »The Crazies« aus dem Jahr 1973 nur die Mitglieder des Militärs einen Impfstoff, während die normale Bevölkerung der betroffenen Stadt leer ausgeht. Und in »Contagion« aus dem Jahr 2011 teilt der Mediziner einer US-amerikanischen Behörde streng geheime Informationen über ein Virus mit seiner Familie, um diese vor einer Krankheit zu schützen.

Laut Dehority fand sich dieser Thriller innerhalb eines Monats nach dem ersten Covid-19-Fall wieder unter den Top 10 der am häufigsten heruntergeladenen Filme des US-amerikanischen Multimedia-Programms iTunes. Cineasten erinnern sich vielleicht an das Filmende, das ganz im Zeichen der erfolgreichen Entwicklung eines Impfstoffs steht. »Jetzt, wo wir aufgrund von Covid-19 kollektiv eine unsichere Zukunft betreten, werden uns einige dieser Filme vielleicht dabei helfen, nicht nur einen Moment gemeinschaftlicher Erinnerungen zu teilen, sondern auch die Hoffnung«, so der Forscher. 

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