Die »old-boy-networks« im Gesundheitswesen |
Cornelia Dölger |
07.03.2025 07:00 Uhr |
Bundesweit finden auch dieses Jahr am 8. März Demonstrationen zum Weltfrauentag statt, wie hier vor einem Jahr in Berlin. / © IMAGO/Eibner
Auch wenn es Fortschritte gebe – der Internationale Frauentag bleibe wichtig, wie die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands (GKV-SV), Doris Pfeiffer, zur PZ sagte. »Selbst das erreichte Maß an Gleichberechtigung muss immer wieder verteidigt werden.« Dass die Frauen seit mehr als 110 Jahren für echte Gleichberechtigung kämpften und sich nicht unterkriegen ließen, mache Mut, so Pfeiffer.
Zwar erlebe sie das Gesundheitswesen als »weitgehend gleichberechtigt«, allerdings existierten auch dort zahlreiche »old-boy-networks«, an denen sich vor allem junge Frauen die Zähne ausbissen. »Immer dann, wenn wir den Eindruck bekommen, hier hat jemand einen Job oder ein Amt nicht wegen seiner Qualifikation, sondern wegen seiner Verbindungen zu anderen ›old boys‹ bekommen, ist das für uns Frauen ein Ansporn, im Kampf für nachhaltige Gleichberechtigung nicht nachzulassen«, so Pfeiffer, die sich im Sommer nach 18 Jahren als GKV-SV-Vorstandschefin in den Ruhestand verabschiedet.
Insbesondere im Kontext von Diversität und Gesundheit sei der Weltfrauentag nach wie vor wichtig, wie Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland, ergänzt. Frauen seien weltweit noch immer mit Ungleichheiten konfrontiert, sei es beim Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen, in der politischen Teilhabe oder in der Gesundheitsversorgung, so Brakmann zur PZ. »Frauen haben spezifische gesundheitliche Bedürfnisse, die in vielen Gesundheitssystemen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der Internationale Frauentag bietet eine wichtige Plattform, um auf diese Unterschiede aufmerksam zu machen und Verbesserungen zu fordern.«
Darauf macht auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) aufmerksam. Der Weltfrauentag sei eine gute Gelegenheit, auf das Thema Frauengesundheit hinzuweisen. »Wir brauchen gleiche Gesundheits-Chancen von Männern und Frauen – aber hier gibt es noch Handlungsbedarf.« Auch deshalb bilde die Frauengesundheit einen Schwerpunkt des bayerischen Gesundheitsministeriums. »Frauengesundheit geht alle an: Wir müssen gemeinsam ein stärkeres Bewusstsein für die Gesundheit von Frauen schaffen. Und zwar nicht nur von Frauen für Frauen, sondern auch mit den Männern für Frauen!«
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb findet, dass es gerade in der Medizin in Sachen Gleichstellung noch viel zu tun gibt. »Wir wissen noch zu wenig über frauenspezifische Krankheiten wie Endometriose, wir wissen noch zu wenig darüber, wie sich Krankheitsbilder unterschiedlich auf Frauen und Männer auswirken«, so Ortleb, die sich in der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend engagiert. Insgesamt gebe es zu wenig Daten über gesundheitliche Belange von Frauen. »An dieser Stelle brauchen wir mehr Forschung und mehr Tempo.«
Am 7. März ist in diesem Jahr zudem der Equal Pay Day, also der Tag, bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um auf das Gehalt zu kommen, das Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres erreicht haben. 2023 lag die Lohnlücke in Deutschland bei 18 Prozent, 2024 bei 16 Prozent. Im kommenden Jahr wird der Equal Pay Day schon am 27. Februar stattfinden – ein kleiner Fortschritt.
Dennoch werden Frauen in Deutschland weiter deutlich schlechter bezahlt als Männer. Das wirkt sich auf die Rentenbezüge aus. ABDA-Vizepräsidentin Ina Lucas kritisierte hierzu: »Wir sehen nicht zuletzt bei Themen wie dem Gender Pay Gap, dass Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern weiterhin nicht erreicht ist.« Die Förderung von Frauen bleibe ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema, so Lucas zur PZ.
Das Gesundheitssystem sei weiblich dominiert, auch bei den Apotheken. Bei den Apothekenleitungen liege die Zahl der Leiterinnen verglichen mit ihren männlichen Kollegen nahezu gleich auf. Und bei den Angestellten hätten Frauen »zahlenmäßig deutlich die Nase vorn«, so Lucas.
Viele Frauen in Gesundheitsberufen arbeiteten in Teilzeit – eine Lösung, die zwar zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitrage, so Lucas. Allerdings sei zu beachten, dass dies zu Einbußen etwa bei der Rente führen könne. Hier müsse die Politik nachbessern, forderte die ABDA-Vizepräsidentin.
»Ohne Frauen wäre die Apotheke undenkbar«, ergänzt Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs. Viele Frauen engagierten sich in der Standespolitik. Sie freue sich über viele starke Frauen in der Kammerversammlung und im Vorstand, so Burs. Denn diese brächten wertvolle Perspektiven für die Weiterentwicklung des Berufsstandes ein.
Burs appellierte an die Frauen in der Apothekenbranche: »Bringen Sie Ihre Ideen ein und gestalten Sie aktiv die Zukunft der Pharmazie mit. Denn eine moderne und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung lebt von Vielfalt.« Der Internationale Frauentag bleibe ein wichtiger Anlass, um Chancen sichtbar zu machen und die berufliche Vielfalt von Frauen gezielt zu fördern.
Initiatorin des Internationalen Frauentags war Clara Zetkin, 1857 in Sachsen geborene Politikerin und eine der bekanntesten Vertreterinnen der proletarischen Frauen- und der Arbeiterbewegung. Unter anderem auf ihren Antrag hin wurde auf der Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910 beschlossen, einen Internationalen Frauentag als Kampftag für das Frauenwahlrecht zu etablieren.
Am 19. März 1911 fand der Weltfrauentag erstmals statt, unter anderem wurde er in Deutschland, Österreich, in der Schweiz und in den USA, begangen. 1921 beschloss die Konferenz der Kommunistinnen, dass der Internationale Weltfrauentag künftig am 8. März stattfinden sollte.
Bundesweit finden auch dieses Jahr am 8. März Demonstrationen zum Weltfrauentag statt – auch mit einem Appell an die künftige Bundesregierung. Diese solle Strukturen beseitigen, die Frauen benachteiligten. Das fordern etwa die Frauen im Deutschen Gewerkschaftsbund. »Machen Sie, was nötig ist!«
In Deutschland ist der Weltfrauentag nur in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher Feiertag. In allen anderen Bundesländern ist der 8. März ein normaler Arbeitstag.