Die Lage ist so ernst wie nie |
Der Phagro-Vorsitzende Marcus Freitag warnte vor einer »äußerst prekären« Versorgungslage bei dringend benötigten Arzneimitteln. / Foto: PZ/Alois Müller
In seinem Grußwort fand der Phagro-Vorsitzende deutliche Worte. Die Politik habe die Warnungen des Apotheken-Großhandels nicht gehört. »Jetzt ist die Versorgungskrise da, die Lage ist so ernst wie nie«, warnte Freitag. Es fehlten aktuell wichtige Arzneimittel wie Fiebersäfte für Kinder, Antibiotika, Antiasthmatika und Insuline. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Lager des pharmazeutischen Großhandels »bis oben hin voll von Ware für die anstehende Wintersaison« sein sollten. Die Verantwortung für die Engpässe sieht Freitag »eindeutig bei der Politik, nicht bei den Apotheken, nicht bei der Industrie, nicht bei der Ärzteschaft und auch nicht beim Pharmagroßhandel«. Solange Politik und Kassen nicht bereit seien, den Preis zu zahlen, den die Entwicklung, die Herstellung, die Lagerung, der Transport und die Beratung und Abgabe durch die Apotheke koste, werde es keine sichere Arzneimittelversorgung geben, betonte er.
Freitag erinnerte an die Aufforderung von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) an den pharmazeutischen Großhandel im August, die Beschaffung und Lagerhaltung von Antibiotika und Arzneimitteln für Kinder gemäß der sogenannten Dringlichkeitsliste des BfArM für den Herbst und Winter 2023/2024 noch weiter zu intensivieren. Daraufhin »mussten auch wir öffentlich klarstellen: Die Versorgungssituation für diese dringend benötigten Arzneimittel ist nicht nur angespannt, sondern äußerst prekär«, machte Freitag deutlich.
Der pharmazeutische Großhandel könne bereits heute für etwa 85 Prozent der Arzneimittel von der Dringlichkeitsliste weder den durch das Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) eingeführten Bedarf für vier Wochen noch den regulären Bedarf von zwei Wochen beschaffen und vorhalten. »Es ist schlicht unmöglich, diese Arzneimittel bedarfsgerecht bei der pharmazeutischen Industrie zu beschaffen, geschweige denn Lagerbestände aufzubauen«, beschrieb Freitag die Situation. Die Möglichkeiten im deutschen Markt seien fast vollständig ausgeschöpft. Aus Sicht des Phagro-Vorsitzenden werde auch der Import von Dringlichkeits-Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten der EU oder aus Drittstaaten durch den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel die Versorgungssituation nicht nennenswert verbessern, da auch in anderen Ländern Arzneimittel knapp seien.
Apotheken, Industrie und Großhandel seien gemeinsam »Erfolgsgaranten für eine verlässliche Arzneimittelversorgung«, führte Freitag weiter aus. Voraussetzung dafür sei eine ausreichende Finanzierung, die aber nicht gegeben sei. Der Phagro-Vorsitzende kritisierte, dass die seit beinahe zwölf Jahren unveränderte Arzneimittelpreisverordnung »zu einer Spirale der Unterfinanzierung von Apotheken und Pharmagroßhandel« geführt habe. Inflation, Energiekrise, Finanzierungskosten oder die Lohnentwicklung belasteten den Apotheken-Großhandel ebenfalls »auf das Äußerste«. »Will die Politik die heutige hohe Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten erhalten, muss sie sich mit uns auseinandersetzen, wie unser Beitrag angemessen honoriert werden kann«, forderte Freitag. Er rief die Apothekerschaft zudem auf, mit den Großhändlern »weiterhin eng zusammenzustehen«.