Die Kontrolle über den Blutzuckerspiegel behalten |
| Isabel Weinert |
| 05.11.2025 07:00 Uhr |
Infekte können den Blutzucker ordentlich durcheinanderbringen. Dann reicht es nicht, das Wochenende noch abzuwarten. In der Apotheke kann vorgesorgt werden. / © Getty Images/Westend61
Warum beeinflussen Infekte den Blutzuckerspiegel?
Ein Infekt geht mit einer gesteigerten Ausschüttung von Stresshormonen einher. Cortisol und Adrenalin sind klassische Gegenspieler von Insulin. Cortisol sorgt zum einen dafür, dass die Leber mehr Glucose produziert, außerdem bremst es die Wirkung von Insulin an den Körperzellen. Adrenalin wiederum vermittelt zum anderen, dass mehr Glucose in die Blutbahn gelangt, und hemmt außerdem die Synthese von Insulin in der Bauchspeicheldrüse. Diese Effekte steigern den Blutzucker bei Diabetikern. Hinzu kommt, dass sich Menschen in aller Regel weniger bewegen, wenn sie krank sind. Diese zwar bei Krankheit sinnvolle, aber ungewohnte körperliche Ruhe erhöht indirekt die Blutzuckerwerte.
Welche Folgen drohen bei welcher Art von Infektion?
Bei Infektionen wie einem grippalen Infekt, Influenza, Covid-19 oder einer Lungenentzündung müssen Diabetiker damit rechnen, dass ihre Blutzuckerwerte für die Dauer des Infekts (stark) ansteigen. Bei einem Magen-Darm-Infekt und generell bei Infektionen, die mit Durchfall und/oder Erbrechen einhergehen, kann der Blutzucker durch den Verlust von Nahrungskohlenhydraten auch massiv sinken.
Sind Diabetiker für einen schweren Verlauf einer Infektion gefährdeter als Stoffwechselgesunde?
Diabetiker mit einer schlechten Stoffwechseleinstellung tragen ein höheres Risiko für schwere Verläufe von Infektionen als stoffwechselgesunde Menschen. So entwickeln sie zum Beispiel eher Komplikationen bei einer Influenza, also etwa eine Lungenentzündung; Blasenentzündungen entwickeln sich eher zu einer Nierenbeckenentzündung; aus einer Entzündung der Nasennebenhöhlen entsteht eher auch eine Mittelohrentzündung, die sich schlimmstenfalls weiter Richtung Gehirn ausbreitet. Deshalb müssen Diabetiker während eines Infekts nicht nur regelmäßig ihre Blutzuckerwerte kontrollieren, sondern auch genauestens auf Symptome achten, die neu hinzukommen, auf akute oder schleichende Verschlechterungen oder auf eine Chronifizierung.
Was ist im Rahmen des Selbstmanagements zu tun?
Ist ein Infekt im Anmarsch, müssen Diabetiker auf jeden Fall häufiger ihren Blutzucker messen als sonst, Richtschnur alle drei Stunden. Das gilt übrigens nicht nur für Typ-1-, sondern auch für Typ-2-Diabetiker. Bei Typ-2-Diabetikern lohnt die Nachfrage, ob die Patienten überhaupt ein Blutglucose-Messgerät zu Hause haben. Bei Typ-1-Diabetikern besteht die Gefahr, dass der Blutzucker entgleist und sie eine lebensbedrohliche Ketoazidose entwickeln. Alle Typ-1-Diabetiker müssen deshalb geschult darin sein, eine solche Entgleisung zu erkennen, entsprechend zu handeln und im Fall der Fälle in ein Krankenhaus zu gehen. Gut geschulte und erfahrene Typ-1-Diabetiker sind allerdings gut darin, rechtzeitig gegenzusteuern. Sie erhöhen so, wie mit ihrem Diabetologen besprochen, die Insulindosen. Typ-2-Diabetiker, die mit Arzneistoffen therapiert werden, müssen mitunter für die Dauer der Infektion auf Insulin umgestellt werden, dann nämlich, wenn ihre Blutzuckerwerte infektbedingt weit über den Zielkorridor schnellen. Klingt der Infekt ab, kehren sie wieder zur ursprünglichen Medikation zurück.
Wie lässt sich steuernd über die Ernährung eingreifen?
Bei einem Infekt reichlich Wasser und/oder ungesüßten Tee trinken – dieser allgemeine Rat gilt natürlich auch und besonders für Diabetiker. Ansonsten profitiert der Organismus davon, wenn er nicht überfüttert wird, während er Keime abwehren muss, und wenn er genug Schlaf bekommt. Das Essen ist also im besten Falle leicht und gut verdaulich und führt so viele Kohlenhydrate zu, dass möglichst keine Unterzuckerungen auftreten. Wer wegen eines Magen-Darm-Infekts gar nichts essen kann, sollte Tees mit Zucker oder Honig süßen oder auch ein süßes Getränk zwischendurch wählen, um wegen der Verluste durch Durchfall oder Erbrechen nicht zu unterzuckern. Auch hier ist es sinnvoll, wenn Diabetiker mit ihrem Arzt schon vorab besprechen, wie sie in diesen Situationen am besten handeln.
Woran erkennt man, ob sich die Stoffwechsellage in Richtung Ketoazidose entwickelt?
Der wichtigste lebensbedrohliche Notfall ist die massive Überzuckerung, die den Körper übersäuert, die Ketoazidose. Das kann sich über einen längeren Zeitraum, aber auch rasant entwickeln. Betroffenen ist übel, sie müssen sich übergeben, haben Bauchschmerzen, sind müde bis benommen, riechen nach Aceton. Früh machen sich deutlich zu hohe Blutzuckerwerte in starkem Durst und häufigem Wasserlassen bemerkbar. Achtung, die Ketoazidose ist ein medizinischer Notfall, der einen Notarzt beziehungsweise den sofortigen Transport ins Krankenhaus erfordert. Nicht nur Diabetiker selbst, sondern auch deren Angehörige, aber bei Kindern auch Lehrkräfte und Erziehende sollten die Symptome dieses Notfalls kennen und wissen, was dann zu tun ist.
Wie wirken sich Impfungen auf den Blutzucker aus?
Bei Impfungen reagiert das Immunsystem des Körpers. Mal merkt ein Mensch das überhaupt nicht, mal fühlt er sich krank. Und so unterschiedlich wirken sich Impfungen auch auf den Blutzucker aus. Bei der einen Grippeimpfung etwa bleiben die Werte stabil, im Jahr darauf hingegen hat man plötzlich zehn Tage lang zu kämpfen. Deshalb gilt auch nach Impfungen: Den Blutzucker über ein paar Tage häufiger messen als sonst.
Was ist zu berücksichtigen, wenn der Infekt abklingt?
Klingt der Infekt ab, normalisiert sich auch der Stoffwechsel wieder. Diabetiker kehren damit zu ihren ursprünglichen Insulin- beziehungsweise Medikamentendosen zurück. Die hohen Dosen während des Infekts würden zu massiven Unterzuckerungen führen.