Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Lieferengpässe

Die Industrie muss liefern, wir müssen zahlen

Die Arzneimittel-Lieferengpässe werden eher schlimmer als besser, trotz neuem Gesetz, waren sich Klinik- und Offizin-Apotheker bei einer Austausch-Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft sicher. Eigenherstellung und mehr Bevorratung lösten das Problem nicht. Die Industrie müsse mehr liefern – das werde sie aber nur tun, wenn Deutschland angemessene Preise zahle.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 18.09.2023  16:30 Uhr

Seit rund sechs Wochen ist das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz — ALBVVG) in Kraft. Hat es spürbare Verbesserungen für die Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken gebracht? Diese Frage stellte Kerstin Tschuck, Geschäftsführerin der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG), bei der Premiere eines neuen Online-Austauschformats, dem DPhG Pharma-Lunch-Talk, am heutigen Montagmittag.

Mehr als 80 Apothekerinnen und Apotheker aus Offizin und Krankenhaus nutzten ihre Mittagspause, um sich nach zwei kurzen Impuls-Referaten über die aktuelle Situation auszutauschen. Monika Andraschko, Chefapothekerin im Klinikum der Universität München sowie Erste Vorsitzende des ADKA-Landesverbands Bayern, erinnerte daran, dass die ADKA schon vor rund zehn Jahren einen ganzen Jahreskongress unter das Thema Lieferengpässe gestellt hatte.

»Wir kämpfen jetzt schon lange mit Lieferengpässen auf allen Ebenen, öffentliche und Krankenhausapotheken mittlerweile vereint im Leid«, so die Fachapothekerin für klinische Pharmazie. Waren es anfangs bestimmte Krebsmedikament und i.V.-Antibiotika, ist heute eine breite Palette von Engpässen betroffen, darunter auch die Antibiotika- und Fiebersäfte für Kinder. Der Mangel in den Apotheken vor Ort hat das Thema mehr in die Öffentlichkeit gebracht, die Politik sehe das Problem aber immer noch nicht in seiner Massivität, kritisierte Andraschko. 

Sechs Wochen bevorraten – aber womit?

Die Klinikapotheken sollen nun laut neuem Gesetz Medikamente für die Intensivstation für sechs Wochen bevorraten. Aber wie denn, wenn nichts lieferbar ist, fragt sich Andraschko. Derzeit laufe in Bayern eine Abfrage, ob die Krankenhausapotheken überhaupt genug räumliche Kapazitäten dafür haben, denn wir sprechen hier auch von Paletten mit Infusionslösungen. Einige müssten externe Räume anmieten, was mit der üblichen Bürokratie mit den Aufsichtsbehörden verbunden ist – und natürlich auch mit Kosten.

Auch viele öffentliche Apotheken versuchen vorzusorgen, so gut es geht. In der Realität telefonieren sie mehrmals täglich mehrere Großhändler ab, um die immer länger werdenden Defektlisten abzuarbeiten. Zugleich versuchen sie, telefonisch bei den Ärzten durchzukommen, wenn kein einfacher Austausch möglich ist, berichtete Dr. Ulrich Lücht, Filialleiter der Johanni-Apotheke in Billerbeck im Münsterland. »Es wird immer schlimmer«, konstatierte der Apotheker. Das ALBVVG habe noch nichts an der Situation verbessert, schließlich werde nicht mehr produziert.

Rezepturen können Lieferengpässe nicht abfedern

Denn genau das ist der Knackpunkt, fügte Andraschko hinzu. Mit Rezepturen und Defekturen, Einzelimporten oder auch einem Aushelfen zwischen verschiedenen Apotheken oder gar Krankenhaus und öffentlicher Apotheke im patientenbegründeten Einzelfall ließen sich die Versorgungslücken allenfalls mit einem enormen Aufwand abmildern, aber nicht komplett abfedern. Ozempic® beispielsweise lässt sich nicht einfach selbst herstellen und ist europaweit knapp.

»Selbstverständlich versuchen wir, in jedem Einzelfall zu helfen«, versicherte die Apothekerin. Dies funktioniere jedoch einfach nicht, wenn überall in Deutschland zu wenig Ware vorhanden sei. »Die Industrie ist gefordert, die nötigen Mengen bereitzustellen, und im Gegenzug sind wir gefordert, das auch angemessen zu bezahlen«, brachte es Andraschko auf den Punkt und meinte hier mit »wir« die Krankenkassen beziehungsweise die Gesellschaft. 

»Man braucht uns Apotheken nicht vorzuschreiben, dass wir uns mehr bevorraten sollen, schließlich wollen wir natürlich unsere Patienten versorgen.« Die ganzen neuen Regelungen nützten nichts, wenn keine Arzneimittel geliefert werden. »Wir sind schon keine Kunden mehr, sondern Bittsteller bei der Industrie«, schilderte die Chefapothekerin aus München.

Apotheker fordern umfassendes Retax-Verbot, wenn sie die Versorgung sichern

Filialleiter Lücht ärgerte sich auch über die Retaxierungen der Krankenkassen, wenn die Apotheken Lösungen für die Patienten finden, insbesondere, wenn sie Rezepturen herstellen – was zudem viele Apotheken aufgrund des Zeit- und Personalmangels gar nicht mehr stemmen könnten.

»Wir brauchen unbedingt ein umfassendes Retax-Verbot«, so der Apotheker – und mehr Austauschfreiheiten. Zudem kritisierten Lücht und Andraschenko das Rabattvertragssystem. »Das kostet uns viel Zeit, die uns für die Beratung fehlt«, so der Filialleiter. »Es kann nicht sein, dass die Krankenkassen erst Verträge mit Firmen schließen, die nicht genug liefern können, und dann auch noch die Apotheken retaxieren«, schloss sich Andraschko an. Vielmehr brauche es einen fairen Preisrahmen, innerhalb dessen die Apotheken nach Alternativen suchen können.

Direkter Draht zwischen Apotheken und Praxen nötig

Viele Apotheken seien dazu übergegangen, den Notdienst habenden Ärzten tagesaktuelle Listen zur Verfügung zu stellen, was aktuell vorrätig oder lieferbar ist – manche tun dies auch schon im regulären Tagesgeschäft. Mit manchen Arztpraxen, gerade auf dem Land, klappten die Absprachen so gut. Generell wünscht sich der Apotheker eigene »Notrufnummern«, also eine direkte Leitung zur Arztpraxis für Apotheken, um dringende Fälle schnell abklären zu können und nicht in der Warteschleife zu landen. 

Die Statements der Webinar-Teilnehmenden deckten sich zu hundert Prozent mit den Erfahrungen und Einschätzungen der beiden Impulsgeber. In Bezug auf Antibiotika für Kinder geht Lücht davon aus, dass dieser Winter »eine absolute Katastrophe« wird, ALBVVG hin oder her.

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa